Unten: Armut, Arbeitslosigkeit und Exklusion zum Thema gemacht

Die Beilage zur Wochenzeitung ‚Das Parlament‘, ‚Aus Politik und Zeitgeschichte‘ oder APuZ, hat für die Ausgabe vom 2.März 2015 den Schwerpunkt „Unten“ gewählt. Frau Dr. Monika Rosenbaum von der Sozialwissenschaftlichen Forschungsstelle der IN VIA Akademie empfiehlt diese Publikation.

„Wenn es ein �Oben‘ gibt und eine �Mitte‘, so die Titel vorangegangener Ausgaben, muss es auch ein �Unten‘ geben. Diese schlichte Einteilung der Gesellschaft bereitet aber insbesondere mit Blick auf �Unten‘ Probleme. �Unterschicht‘ ist kein wertneutraler Terminus, keine Kategorie, die bloß der nüchternen Beschreibung von Bevölkerungsgruppen dient, die eingeschränkt an der Gesellschaft teilhaben. �Unterschicht‘ ist vielmehr normativ aufgeladen, oft abwertend in Gebrauch und trägt zu ihrer Formierung bei.“, so formuliert es Anne Seibring im Editorial zu diesem Themenheft.

Wer im Feld der Jugendsozialarbeit tätig ist, muss immer auch beschreiben, wer zu unserer Zielgruppe zählt, denn „Sozial benachteiligt und individuelle beeinträchtigt,“ wie es in der Satzung der Bundesarbeitsgmeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. heißt, ist meist nicht genau genug. Die Begriffe jedoch, die gewählt werden, sind nicht neutral, sondern verweisen auf Konzepte, Weltanschauungen, transportieren gesellschaftliche Bilder, können gesellschaftliche Verhältnisse auflösen oder verfestigen. Das neue APuZ-Heft überspannt eine Themenbreite von ökonomischen Armutsindikatoren bis zur Wahrnehmung von Ausgrenzung, analysiert Konzepte von der „Unterklasse“ bis zum aktivierenden Wohlfahrtsstaat, und hat dabei einige spannende Autorinnen und Autoren zusammengebracht.

Ein Beispiel für die inhaltliche Tiefe der Publikation: Klaus Dörre hat zusammen mit einem Forschungsteam an der Uni Jena über zehn Jahre lang Erwerbslose begleitet. Die daraus resultierenden Erkenntnisse „Bewährungsproben für die Unterschicht?“ zeigen, wie genau Menschen aus langer Erwerbslosigkeit versuchen hinauszukommen. Offenbar wird eine große Mobilität zwischen �Jede Arbeit ist besser als keine Arbeit‘, Maßnahmen der Jobcenter, Ein-Euro-Jobs, befristeten Beschäftigungen (im Niedriglohnsektor) oder ehrenamtlichem Engagment. Mit dieser Mobilität jedoch geht eine Unfähigkeit einher, die eigene Situation nachhaltig zu verbessern.

Die geradezu widersinnigen Folgen der Hartz-IV-Reform werden in der Publikation auch nicht verschwiegen: „Je schwieriger die Arbeit mit den Erwerbslosen wird, desto eher neigen Arbeitsverwaltungen dazu, die Verantwortung bei den Leistungsbeziehern zu suchen. Selbst nach Zielvereinbarungen geführt, konzentrieren sich viele Sachbearbeiter zunächst auf jene „Kunden“, die leicht zu vermitteln sind. Ist diese Gruppe in Erwerbsarbeit, verbleiben nur noch die schwierigeren Fälle. Zugleich steigt die Neigung der Sachbearbeiter, den verbliebenen „Kunden“ Vertragsverletzungen vorzuhalten. Wer lange im Leistungsbezug verharrt, der verhält sich in den Augen von Sachbearbeitern geradezu antiemanzipatorisch, weil er sich mit einem „unwürdigen“ Fürsorgestatus arrangiert.“ (Dörre 2015, 7)

Solche Zitate liefern auch für Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen wertvolle Denkanstöße. Denn auch in der Jugendsozialarbeit gilt es immer wieder zu überprüfen, ob nicht z.B. „ressourcenorientierte“ Beratungsansätze dazu führen können, dass die Jugendlichen oder ihre Eltern, deren Situation sich nicht verändert, unbewusst als „unwillig“ abgewertet werden.

Das vorliegende APuZ-Heft fasst einige zentrale Linien der Diskussion um Armut, Exklusion, Inklusion, Integration etc. auf 54 Seiten knapp und anschaulich zusammen. Die Publikation ist über aufgeführten Link abzurufen.“

www.bpb.de/apuz/201641/unten

Quelle: Bundesentrale für politische Bildung; Dr. Monika Rosenbaum (IN VIA Akademie)

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