Individuelle Übergänge in den Beruf: Welche Herausforderungen haben die pädagogischen Fachkräfte zu meistern?

Die Veränderungen am Übergang von der Schule in den Beruf und in die Arbeitswelt stellen sowohl die beteiligten Bildungsinstitutionen als auch die pädagogischen Fachkräfte vor große Herausforderungen: Tätigkeiten verändern sich und neue, erweiterte Aufgaben entstehen. Bildungspolitisch geht es um die Gestaltung des gesamten Übergangsprozesses, beginnend in der allgemeinbildenden Schule mit einer gezielten Berufsorientierung und einer Begleitung der junge Menschen bis hin zur Integration in eine Berufsausbildung. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) untersuchte in einem Forschungsprojekt“ die veränderten Anforderungen an die Professionalität der am Übergangsgeschehen beteiligten pädagogischen Fachkräfte und arbeitete Kompetenzprofile heraus, die dieser spezifischen Aufgabe entsprechen. Die zentralen Erkenntnisse stellt Ursula Bylinski in einem Buch vor.

Gestaltung individueller Wege in den Beruf – Eine Herausforderung an die pädagogische Professionalität

Zentrale Erkenntnisse der qualitativen Studie von Ursula Bylinski:

In der qualitativen Studie werden exemplarisch vier Berufsgruppen betrachtet, die als zentrale Akteure in einem Regionalen Übergangsmanagement (RÜM) gelten: die Lehrkräfte an allgemeinbildenden und die Lehrkräfte an beruflichen Schulen, die sozialpädagogischen Fachkräfte und die Ausbilder/-innen.

Mit der „Neu“-Gestaltung des Übergangsbereichs und der Zielsetzung einer gelingenden Übergangsgestaltung für alle jungen Menschen und besondere Zielgruppen ist eine neue Qualität von Professionalität der pädagogischen Fachkräfte entstanden. Die Studie stellt zwei elementare Tätigkeitsbereiche heraus, die hohe Anforderungen an professionelles Handeln bedeutet:

  • Die individuelle Begleitung und Beratung der jungen Menschen auf ihrem berufichen Weg erfordert von den pädagogischen Fachkräften Kompetenzen für eine biografieorientierte Berufswegebegleitung. Sie müssen pädagogische Interventionen ausgehend vom Jugendlichen konzipieren, Bildungsangebote und Lernsituationen individualisieren sowie in heterogenen Lerngruppen Vielfalt als Wert erkennen.
  • Die multiprofessionelle Zusammenarbeit der am Übergangsgeschehen Beteiligten erfordert intermediäre Kompetenzen und intra- sowie intersystemische Kompetenzen, denn die immer komplexer werdenden Aufgaben können von keiner (Bildungs-)Institution mehr alleine bewältigt werden: Vernetzung und Kooperation werden grundlegend, um die erweiterten Aufgaben erfüllen zu können. Die Befunde bestätigen, dass pädagogisches Übergangshandeln in ein regionales Bedingungsgefüge eingebunden ist und dieses den Akteuren wichtige Unterstützung zur Verfügung stellt. Die Fallstudien an den acht ausgewählten Standorten der Untersuchung zeigen eine sehr unterschiedliche regionale (Aus-)Bildungs- und Arbeitsmarktsituation, sehr verschiedene Modelle eines Regionalen Übergangsmanagements (RÜM) und unterschiedlich ausgeprägte Vernetzungsstrukturen.

Obwohl alle pädagogischien Fachkräfte die regionale Vernetzung und Kooperation der Akteure als wichtige Voraussetzung für eine gelingende Übergangsgestaltung betrachten, wurden die regional bestehenden Netzwerkstrukturen auf der operativen Ebene kaum umgesetzt. Allerdings arbeiten die pädagogischen Fachkräfte bei konkreten Problem- und Aufgabenstellungen zusammen. Sie alle betonen den hohen Stellenwert regionaler Vernetzung und Kooperation der Akteure. Aber … jede Gruppe versteht hierunter etwas anderes und verfolgt mit der Netzwerkarbeit ein jeweils „eigenes“ Ziel, das sich von dem der anderen unterscheidet. (…)

Pädagogische Professionalität

Eine multiprofessionelle Zusammenarbeit wird für die pädagogischen Fachkräfte erst dann relevant, wenn sich Erfordernisse aus der eigenen Tätigkeit heraus ergeben und eine Kooperationsbeziehung als gewinnbringend eingeschätzt bzw. „gelebt“ wird. (…) Barrieren zwischen den einzelnen Berufsgruppen zeigen sich sowohl bezogen auf die verschiedenen Berufskulturen als auch bezogen auf die verschiedenen Institutuionen. (…) Erschwert wird der Prozess des Aufbaus von der Zusammenarbeit auch über ungleiche (Arbeits-)Bedingungen – die von prekärer Beschäftigung bis hin zum Beamtenverhältnis reichen und einen ungleichen Status der Kooperationspartner/-innen (Betriebe haben die Definitionsmacht) beinhalten. (…)

Die Entwicklung eines Gesamttableaus an Kompetenzen für pädagogisches Übergangshandeln erwies sich als zielführend, weil es alle für die Übergangsgestaltung notwendigen Aufgabenfelder enthält und impliziert, dass nicht jede Berufsgruppe „Spezialkompetenzen“ benötigt. Stattdessen werden vom Handlungs- und Anforderungskontext aus Kompetenzfelder sowie Teilkompetenzen bestimmt. Mit unterschiedlicher Gewichtung und Intensität sowie fachlichem Schwerpunkt können Professionalisierungsprozesse zugeschnitten werden. Entscheidend ist, dass in die drei Dimensionen WISSEN, KÖNNEN und REFLEKTIEREN differenziert wird. (…)

Abschließend werden Handlungsempfehlungen formuliert, die weit über die Akteursebene hinaus gehen. Auf der Grundlage des skizzierten Kompetenztableaus für pädagogisches Übergangshandeln sollte die Fort- und Weiterbildung des pädagogischen Personals verstärkt werden. … Das Forschungsprojekt liefert für diese Aufgaben die theoretischen Grundlagen und fundierte Anknüpfungspunkte. Diese reichen von der stärkeren Nutzung von Instrumenten der Übergangsbegleitung für die multiprofessionelle Zusammenarbeit bis hin zur Einführung einer Zusatzqualifikation (Übergangs-)Coach. (…)

Die Studienergebnisse wurden veröffentlicht in einer Buchpublikation ISBN 978-3-7639-1165-3 im Bertelsmann Verlag. Über den Buchhandel zu beziehen für 29,90 €, auch als E-Book.

Ursula Bylinski
Gestaltung individueller Wege in den Beruf
Eine Herausforderung an die pädagogische Professionalität
Berichte zur beruflichen Bildung
2014, 170 S., 29,90 €(D)

Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung

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