Auszüge aus den Meißner Thesen zur Stärkung der Kinder- und Jugendarbeit in Ostdeutschland – einem Aufruf zur Fortsetzung einer notwendigen Diskussion:
“ Kinder- und Jugendpolitik als eigenständiges Politikfeld ist die Basis für gelingende Kinder und Jugendarbeit.
##Kinder- und Jugendpolitik fängt in der Kommune an und wird über eine landes- und bundesweite eigenständige Kinder- und Jugendpolitik begleitet und eingefordert. Dabei gilt es zu beachten, dass die Entscheidungen der Kinder- und Jugendpolitik sich insbesondere auf der kommunalen Ebene niederschlagen. Die Basis für die Entscheidungen der
Kinder- und Jugendpolitik bildet eine fundierte und regional differenzierte sowie regelmäßig publizierte lokale Kinder- und Jugendberichterstattung.
##Kinder- und Jugendarbeit ist eine gleichberechtigte Sozialisations- und Bildungsinstanz neben Familie, Schule und Kita. Die Grundlage der Kinder- und Jugendarbeit ist eine verlässliche institutionelle Förderung. Projektförderung sollte ausschließlich ergänzende Funktion haben. Jugendhilfeausschüsse sind dabei als notwendige, beschließende und fachpolitische Gremien der Kinder- und Jugendarbeit wahrzunehmen.
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##Kinder- und Jugendarbeit muss ressourcen- und zukunfts-, nicht defizitorientiert agieren. Die Einhaltung eines Fachkräftegebotes muss dabei, analog zu den Bereichen Schule und Kita, auch in der Kinder- und Jugendarbeit Anwendung finden.
##Interessenvertretungen, Allianzen und Netzwerkstrukturen für die Kinder- und Jugendarbeit müssen auf- und ausgebaut werden. Hierzu zählen kinder- und jugendpolitische Beteiligungs- und Vertretungsstrukturen wie Kinder- und Jugendparlamente, Kinder- und Jugendräte, Kinder- und Jugendbüros, Kinder- und Jugendbeauftragte oder auch Lokale Bündnisse für Kinder und Jugendliche.
Kinder- und Jugendarbeit muss sich politisch einmischen.
##Die Lobbyarbeit/Politikberatung für das Arbeitsfeld bedarf einer abgestimmten Strategie auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Für diese Herausforderung müssen zusätzliche Ressourcen (finanziell, zeitlich, sächlich) zur Verfügung gestellt werden.
##Die fachliche und wissenschaftliche Begleitung zum Nachweis der Notwendigkeit, Implementierung und Wirkung von gelingenden Konzepten der Lobbyarbeit/Politikberatung im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit muss geleistet (und finanziert) werden.
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##Die Jugendhilfeausschüsse auf Kommunal- und Landesebene müssen hinsichtlich ihrer politischen Funktion und Gestaltungskompetenzen wiederbelebt werden. Die Akteure der Kinder- und Jugendarbeit fördern und fordern Beteiligungs- und Einmischungsstrukturen für Kinder und Jugendliche. Die Administration ist hier ebenfalls in der Verantwortung und schafft Raum für Beteiligung (beratend oder stimmberechtigt in den Jugendhilfeausschüssen).
##Die zuständigen Jugendämter verstehen sich in erster Linie als Fachämter, beraten politische Akteure und bilden eine parteiliche Lobbyvertretung für die Kinder- und Jugendarbeit.
Kinder- und Jugendarbeit muss sich neu positionieren und vernetzen.
##Aktiv ins Gemeinwesen: neue Akteure aufschließen, neue Allianzen gewinnen. Kinder- und Jugendarbeit analysiert kommunale Macht- und Entscheidungsstrukturen und identifiziert dort unter Nutzung sozialwissenschaftlicher Instrumente relevante (Handlungs-) Felder,
Themen und Akteure; sie erschließt sich dort neue Partner/-innen, um mittelbaren und unmittelbaren Einfluss auf die für ihre Zielgruppen und für sie selbst relevanten gesellschaftlichen Diskurse und politischen Entscheidungsprozesse zu nehmen.
##Kinder- und Jugendarbeit braucht professionelle Identität. Alleinstellungsmerkmale der Kinder- und Jugendarbeit wie Freiwilligkeit, Mitgestaltungsmöglichkeit, Prozessorientierung, Bereitstellung nicht-zweckorientierter Räume und Gelegenheitsstrukturen für Peergroup-Erfahrungen gilt es, als zentralen Aspekt professioneller Identität zu entwickeln (durch hochschulische Ausbildung bzw. die Weiterbildung und Vernetzung der Akteure) und in die Öffentlichkeit zu transportieren.
##Einen wertschätzenderen Umgang mit Politik entwickeln. Politische Entscheidungsprozesse werden nicht vorrangig durch Konfrontation gestaltet. Vielmehr muss, stärker als bisher, eine wechselseitige Akzeptanz in den Mittelpunkt der Kommunikation gerückt werden. Die Kinder- und Jugendarbeit muss sich in diesen Kommunikationsprozessen ihrer eigenen Stärke als verlässliche Interessenvertretung von Kindern und Jugendlichen bewusst werden.
Jugendhilfeplanung entwickelt und sichert die Einhaltung von Fachstandards zur Sicherung von Qualität in der Kinder- und Jugendarbeit.
##Jugendhilfeplanung ist das zentrale Instrument für Förderentscheidungen und muss demnach so konkret wie möglich erarbeitet und gestaltet werden.
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Jugendhilfeplanung entwickelt Methoden und Modelle der lokalen und direkten Partizipation von Kindern und Jugendlichen, um deren Bedarfe direkt in die Jugendhilfeplanung einfließen zu lassen.
Mit dem demografischen Wandel muss sich Kinder- und Jugendarbeit als eigenständiges Arbeitsfeld mehr denn je etablieren.
##Kinder- und Jugendarbeit ist eine unverzichtbare Aufgabe in der kommunalen Daseinsvorsorge. Junge Menschen brauchen als Basisangebot auch in strukturschwachen Regionen eigene und offene Freiräume und Gelegenheitsstrukturen. Um auf veränderte Bedarfe adäquat zu reagieren,
muss Kinder- und Jugendarbeit inhaltlich, räumlich und zeitlich flexibler und mobiler werden.
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##Kinder- und Jugendarbeit richtet sich an alle jungen Menschen, muss dementsprechend auch Teilhabe-Angebote für die steigende Zahl bildungsfern aufwachsender Jugendlicher vorhalten.
##Kinder- und Jugendarbeit ist als Standortfaktor unabdingbar für ein funktionierendes Gemeinwesen und erhöht die Attraktivität von Orten und Regionen sowie die Lebensqualität aller Generationen, insbesondere im ländlichen Raum.
Kinder- und Jugendarbeit ist ein Kerncurriculum für die pädagogische Ausbildung.
##Hochschulen müssen, stärker als bisher, im Rahmen ihres Curriculums an der Identitätsbildung von Fachkräften der Sozialen Arbeit und der Entwicklung einer eigenständigen Kinder- und Jugendarbeit mitwirken.
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##Wissenschaft soll ermutigt werden unter Mitwirkung der Berufspraxis valide Daten der Sozial- und Handlungsforschung für das Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendarbeit zu erheben und diese mit der Praxis, Verwaltung und Politik zu diskutieren.“
Quelle: Evangelische Akademie Meißen; KLAGS
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