Teilzeitausbildung ermöglichen: So geht’s

Auszüge aus dem BA-Leitfaden ‚Chancen bieten – Teilzeitberufsausbildung ermöglichen‘:
„(…) Obwohl für die berufliche Erstausbildung und Qualifizierung von jungen Menschen mit Kindern und Alleinerziehenden sind flexible Modelle ein wichtiger Baustein sind, um ihre Beschäftigungsperspektiven zu erhöhen, (…) wurden bisher lediglich 0,2 Prozent der dualen Berufsausbildungsverträge in Teilzeit neu abgeschlossen. (…) Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber eröffnen mit dem Angebot der Teilzeitberufsausbildung jungen Menschen die Chance, am Arbeitsleben aktiv teilzunehmen. Viele Betriebe befürchten jedoch noch immer einen zu großen organisatorischen Aufwand bei der Umsetzung familienfreundlicher Arbeitszeitmodelle. Den großen Nutzen für ihren Betrieb durch die Gewinnung zusätzlicher Fachkräftepotenziale bzw. Verhinderung von Fachkräftelücken haben sie nicht im Blick.

Gesetzlicher Rahmen
Eine Berufsausbildung ist grundsätzlich als Vollzeitausbildung angelegt, weshalb sie auch nicht neben dem Besuch einer allgemeinbildenden Schule betrieben werden darf. Seit der Reform des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) im Jahr 2005 kann die tägliche Ausbildungszeit reduziert werden, wenn es dafür ein „berechtigtes Interesse“ gibt (§ 8 Abs. 1 S. 2 BBiG bzw. § 27b Handwerksord-nung (HwO)).

Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn die oder der Auszubildende ein eigenes Kind oder eine Angehörige/einen Angehörigen betreut oder selbst von einer Behinderung betroffen ist, die eine Vollzeitausbildung erschweren würde. Zu den weiteren Voraussetzungen zählt, dass das Ausbildungsziel voraussichtlich in der verkürzten Zeit erreicht werden kann. Der Ausbildungsbetrieb und die oder der Auszubildende müssen die Teilzeitausbildung gemeinsam bei der zuständigen Kammer beantragen. Das ist darüber hinaus auch während einer Ausbildung möglich, wenn zum Beispiel eine Auszubildende schwanger wird und nicht in der Lage ist, die Ausbildung in Vollzeit abzuschließen.

Wie funktioniert Ausbildung in Teilzeit?
Eine Teilzeitberufsausbildung ist grundsätzlich in allen anerkannten Berufen des dualen Ausbil-dungssystems möglich (…) Die Überprüfung und Entscheidung obliegt der nach dem BBiG zuständigen Stelle.

Dabei wird die tägliche oder wöchentliche Ausbildungszeit im Betrieb reduziert (…). Das bedeutet, Auszubildende und Betrieb einigen sich auf eine wöchentliche Ausbildungszeit zwischen 20 und 35, in der Regel 30 Stunden. Dabei wird der Urlaubsanspruch im Verhältnis zu den wöchentlichen Arbeitstagen berechnet. Der Berufsschulunterricht wird jedoch nicht gekürzt (§ 8 BBiG Rz. 15).

Die Ausbildungszeit lässt sich flexibel an die betrieblichen Abläufe und die Bedürfnisse der Aus-zubildenden anpassen. Der Berufsschulunterricht und überbetriebliche Lehrgänge finden dabei während der regulären Unterrichtszeit (…) statt, so dass während dieser Zeit die Kinderbetreuung ganztags gesichert sein muss. Gegebenenfalls können je nach Klassenstärke Teilzeitklassen in Berufsschulen eingerichtet werden.

Die Ausbildung in Teilzeit führt bei 25 bis 30 Wochenstunden grundsätzlich nicht zu einer längeren Ausbildungsdauer. Jedoch kann sich bei einer wöchentlichen Ausbildungszeit von weniger als 25 Stunden die Gesamtdauer der Ausbildung verlängern – in der Regel um ein halbes oder ganzes Jahr. Dies ist vom Einzelfall abhängig. Dabei spielen die schulische Vorbildung sowie eine eventuell bereits vorhandene Berufserfahrung der Auszubildenden eine Rolle. (…)

Bei der betrieblichen (dualen) Berufsausbildung sind drei Varianten zu unterscheiden: ## die Vollzeitberufsausbildung
##die Teilzeitberufsausbildung ohne Verlängerung der Ausbildungszeit: Diese ist die in der Regel bevorzugte Variante. Dabei beträgt die Arbeitszeit einschließlich des Berufsschulunterrichts zwischen 25 und 30 Wochenstunden.
##die Teilzeitberufsausbildung mit Verlängerung der Ausbildungszeit um meistens ein Jahr. Die Arbeitszeit beträgt dann einschließlich des Berufsschulunterrichts mindestens 20 Wochenstunden. Hierfür sind ggf. Veränderungen im Ablauf des Berufsschulunterrichts und bei den Prüfungen notwendig.
Was sind die Vorteile?
Von einer Ausbildung in Teilzeit profitieren in der Regel alle Beteiligten: die Betriebe, die Auszubildenden sowie die Gesellschaft insgesamt. Diese Vorteile gilt es zu nutzen und vor allem auch an Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu kommunizieren:

Vorteile für Betriebe: ##Verantwortungsbewusste Auszubildende mit hoher Sozialkompetenz
Betriebe erhalten engagierte Fachkräfte, die durch ihre familiäre Verantwortung über ein hohes Maß an Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Zeitmanagement, Organisationsgeschick und Lebenserfahrung verfügen.
##Imagegewinn und Standortvorteil durch Familienfreundlichkeit (…)
##Geleistete Investitionen bleiben erhalten
In Teilzeit ausbildende Betriebe sind familienfreundlich und damit attraktive Arbeitgeber, was häufig mit langjähriger Betriebstreue honoriert wird. (…)
##Mehr Flexibilität für das Unternehmen
Auszubildende werden zeitlich passend in den Betriebsablauf integriert. Die Ausbildungszeit kann sich verlängern, wodurch Auszubildende in Teilzeit über einen längeren Zeitraum einsetzbar sind. Ausbildung in Teilzeit ermöglicht kleineren und mittleren Unternehmen den Einstieg in die Ausbildung, wenn zeitliche und finanzielle Kapazitäten für eine Vollzeitberufsausbildung fehlen.
Vorteile für Auszubildende: ##Auszubildende können Familie bzw. Pflege und Ausbildung besser vereinbaren.
##Trotz familiärer Verpflichtungen verlieren sie hinsichtlich eines guten Berufseinstiegs keine wertvolle Zeit. Eine Auszubildende, die während der Ausbildung ein Kind bekommen hat, kann ihre Ausbildung in Teilzeit erfolgreich abschließen.
##Auszubildende erhalten einen qualifizierten Berufsabschluss und legen den Grundstein für einen selbstbestimmten und finanziell abgesicherten Lebensverlauf.
##Sie erlangen finanzielle Unabhängigkeit, auch von staatlichen Unterstützungsleistungen und den damit verbundenen Pflichten.
Vorteile für die Gesellschaft: ##Ausbildung in Teilzeit verringert die Jugendarbeitslosigkeit.
##Ausbildung in Teilzeit holt junge Menschen aus dem Leistungsbezug und schafft berufliche Perspektiven.
##Ausbildung in Teilzeit reduziert Kinderarmut und generationenübergreifende Armut.
##Ausbildung in Teilzeit schafft Chancen und Möglichkeiten für eine qualifizierte Ausbildung in dringend benötigten Dienstleistungs- und Handwerksberufen sowie zusätzliches Ausbildungspotenzial für mittelständische Betriebe.
##Ausbildung in Teilzeit ermöglicht die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. (…)“

Den Leitfaden zur Umsetzung von Teilzeitberufsausbildung in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.

Quelle: Bundesagantur für Arbeit

Dokumente: Praxisleitfaden_Teilzeitberufsausbildung.pdf

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