Studie: Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt kommt zu langsam voran

In Deutschland ist die berufliche, wirtschaftliche und soziale Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt laut einer Studie weiterhin meist schlechter als die von Männern. Bei der Gleichstellung habe es in den vergangenen Jahren zwar Fortschritte gegeben, teilte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung mit. Dennoch seien zwischen Männern und Frauen bei Erwerbsbeteiligung, Arbeitszeit, Bezahlung, Führungspositionen oder Absicherung im Alter vor allem in Westdeutschland noch recht deutliche Unterschiede festzustellen. In Ostdeutschland sei der Abstand zwischen den Geschlechtern „spürbar kleiner als im Westen“, stellte die wissenschaftliche Direktorin des WSI, Bettina Kohlrausch, bei der Veröffentlichung der Studie fest. Das WSI hat die Erhebung anlässlich des Tags der Deutschen Einheit (3. Oktober) realisiert. Der Beobachtungszeitraum erstreckte sich von 2013 bis 2022.

Der Studie nach weist der Arbeitsmarkt weiter klar erkennbare Geschlechterungleichheiten zu Ungunsten von Frauen auf. Eine geschlechtliche Segregation wird auch für die duale Ausbildung festgestellt. Insgesamt stellen Frauen in beiden Landesteilen nur ungefähr ein Drittel aller Auszubildenden im dualen System. Laut WSI verteilen sich insgesamt in West- und Ostdeutschland Frauen und Männer sehr ungleich auf 14 in der Studie eingeteilte Berufssegmente. Insgesamt gebe es wenig geschlechterunspezifisch besetzte Berufssegmente, stellen die Forscher*innen fest.

Große Geschlechterunterschiede in der dualen Ausbildung

Laut Studie sind in Ost- sowie Westdeutschland lediglich ein Drittel aller Auszubildenden im dualen System weiblich. Darüber hinaus ist auch die geschlechtliche Segregation innerhalb der dualen Ausbildung 2021 – also zwischen den einzelnen Berufsbereichen – stark ausgeprägt. Innerhalb des dualen Ausbildungssystems verteilen sich Frauen und Männer 2021 unterschiedlich auf die einzelnen Berufsbereiche. In den freien Berufen gibt es überwiegend weibliche Azubis, im Handwerk überwiegend männliche. In Westdeutschland sind diese Unterschiede stärker ausgeprägt als in den östlichen Bundesländern.

Die Ausbildungsbereiche mit den höchsten Frauenanteilen in Westdeutschland sind die freien Berufe (92 Prozent) sowie die Hauswirtschaft (85 Prozent). In Industrie/Handel sind hingegen nur ein Drittel der Auszubildenden weiblich. Noch weniger Frauen finden sich in den Ausbildungsverhältnissen der Landwirtschaft (24 Prozent) sowie im Handwerk (17 Prozent). Laut WSI beträgt der Anteil aller weiblichen Auszubildenden im dualen System in Westdeutschland 35 Prozent.

In Ostdeutschland liegt der Frauenanteil im dualen Ausbildungssystem mit 33 Prozent etwas niedriger. Aber auch hier absolvieren Frauen vor allem Ausbildungen in den freien Berufen (87 Prozent) oder der Hauswirtschaft (84 Prozent). In den Branchen Landwirtschaft und Handwerk liegt der Frauenanteil unter den Auszubildenden in Ostdeutschland hingegen etwas höher als in Westdeutschland (26 und 17 Prozent).

Minijobs – Eine Frauensache? Und Leiharbeit nur was für Männer?

In den Untersuchungen des WSI wurden viele Bereiche des Arbeitsmarktes berücksichtigt. Fast so deutlich wie die Geschlechtsunterschiede bei der Wahl des Ausbildungsberufs liegen diese für Beschäftigte in Minijobs und Leiharbeit vor.

Frauen sind der Studie nach häufiger ausschließlich geringfügig beschäftigt als Männer – dies gilt vor allem für Frauen in Westdeutschland. In Ostdeutschland ist der geschlechterbezogene Abstand bei den ausschließlichen Minijobs in den letzten zwei Dekaden deutlich zurückgegangen (aktuell: 1 Prozentpunkt), in Westdeutschland beträgt er trotz leichtem Rückgang aktuell immer noch 6 Prozentpunkte.

Während Frauen eher in Minijobs arbeiten, scheinen Männer häufiger Leiharbeit zu leisten. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der geschlechterbezogene Abstand in Ostdeutschland ein wenig höher ausfällt als in Westdeutschland, da Männer in Ostdeutschland häufiger als in Westdeutschland Leiharbeit leisten.

In Westdeutschland waren im Jahr 2022 fast 0,5 Mio. Männer als Leiharbeitnehmer beschäftigt (472.000 bzw. 2,8 Prozent). Demgegenüber waren knapp 200.000 Frauen als Leiharbeitnehmerinnen tätig (1,3 Prozent). Der geschlechterbezogene Abstand der Leiharbeitsquote beträgt in Westdeutschland 1,5 Prozentpunkte. In Ostdeutschland sind 2022 etwas mehr als 100.000 Männer (108.000 bzw. 3,0 Prozent) und nur 47.000 Frauen als Leiharbeitnehmer*innen tätig (1,4 Prozent). Der geschlechterbezogene Abstand bei der Leiharbeitsquote beträgt in Ostdeutschland 1,6 Prozentpunkte.

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung: WSI Report, Nr. 88, September 2023: Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern auf den Arbeitsmärkten in West- und Ostdeutschland; epd

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