10 Jahre nach dem Bildungsgipfel: Soziale Spaltung im Bildungssystem

Der Aufstieg durch Bildung sollte jedem möglich sein. Deutschland sollte „Bildungsrepublik“ werden. Das waren die Versprechen des Bildungsgipfels vom 22. Oktober 2008. Doch es bleibt eine enttäuschende Leere, denkt man daran zurück. Noch immer lässt das deutsche Bildungssystem zu viele Menschen zurück. Kinder und Jugendliche, die aus schwierigen sozialen Verhältnissen oder aus Familien mit Migrationshintergrund stammen, haben immer noch deutlich schlechtere Chancen im deutschen Bildungssystem als andere. Das ist das Ergebnis einer Analsyse des Bildungsforschers Klaus Klemm und Matthias Anbuhl vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Auch wenn in den vergangenen Jahren einiges erreicht wurde, bei der Chancengerechtigkeit ist Deutschland nicht weit genug voran gekommen. Der Anteil der Jugendlichen, die das Schulsystem in Deutschland ohne Abschluss verlassen, ist zuletzt wieder gestiegen: von 5,9 (2016) auf 6,5 Prozent (2017). Wer nicht mindestens einen Hauptschulabschluss besitzt, geht bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz leer aus. Die Konsequenz: in Deutschland bleiben 1,45 Millionen junge Menschen im Alter von 20 bis 29 Jahren ohne Berufsausbildung. Die Quote stieg von 13,9 (2016) auf 15 Prozent im Jahr 2017.

Nüchternes Fazit nach zehn Jahren Bildungsgipfel

  • Die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen hängen  weiterhin stark von ihrer sozialen Herkunft ab. Kinder aus „sozial starken“ Familien bekämen fast vier Mal häufiger eine Empfehlung für das Gymnasium als Kinder aus (Fach-)Arbeiterfamilien mit vergleichbaren Schulleistungen, kritisieren die Autoren der Studie.
  • Ähnlich sieht es beim Studium aus: Fast 80 Prozent aller Kinder mit Akademikereltern beginnen ein Studium. Bei Kindern mit mindestens einem Elternteil mit Berufsabschluss und Abitur, aber ohne akademischen Abschluss, seien es nur noch 48 Prozent, und bei Kindern mit mindestens einem Elternteil mit Berufsabschluss, aber ohne Abitur, nur noch 24 Prozent.
  • Der Aufbau von Ganztagsschulen zählt zu den ambitioniertesten bildungspolitischen Vorhaben der letzten Jahre; doch von einem flächendeckenden Angebot ist Deutschland noch weit entfernt.
  • Ein weiteres Ergebnis der Studie: In Kitas und Grundschulen droht bis zum Jahr 2025 eine große Personallücke – wenn nicht deutlich mehr Erzieher und Grundschullehrer ausgebildet werden als bisher. Würden die Ausbildungszahlen gleich bleiben, fehlten in sieben Jahren insgesamt rund 66.000 Erzieher, schreiben die Autoren. Im Grundschulbereich fehlten bis 2025 bis zu 32.000 Grundschullehrer.
  • Auch bei der Weiterbildung von Personen im erwerbsfähigen Alter stellt die Studie Ungleichheit fest: Es nehmen nur 41 Prozent der un- und angelernten Arbeitnehmer an Weiterbildungen teil. Bei Fachkräften sind es dagegen bereits 59 Prozent und bei Führungskräften 75 Prozent. Unter den Arbeitslosen hingegen bekommen nur 27 Prozent Maßnahmen zur Weiterbildung.

Ohne Abschluss keinen Anschluss

Die Expertise bestätigt, verfehlen junge Menschen den Hauptschulabschluss, bedeutet das für die überwältigende Mehrheit von ihnen gleichsam einem Ausschluss aus der Berufsausbildung.

Ein Blick auf die Daten der bundesweiten DIHK-Lehrstellenbörse offenbart: Von den zum Zeitpunkt der Untersuchung (14.10.2018) insgesamt dort angebotenen 47.657 Ausbildungsplätzen waren bei 95,8 Prozent der Angebote Schulabgänger/-innen ohne Hauptschulabschluss von einer Bewerbung ausgeschlossen. Auch die jungen Menschen mit Hauptschulabschluss blieben aufgrund des Stellenangebots zu 65,1 Prozent (2015: 61,6 Prozent) explizit ausgeschlossen.

Die Tatsache, dass junge Menschen ohne einen oder mit einem schwachen Hauptschulabschluss kaum eine Chance haben, eine Ausbildungsstelle zu finden, erklärt, dass Ende September 2017 einerseits 48.900 Ausbildungsplätze noch unbesetzt waren, während 80.200 junge Erwachsene noch eine Ausbildungsstelle suchten – 23.700 als unversorgte Bewerber/-innen und weitere 56.500 Bewerber/-innen, die zwar eine vermeintliche Alternative gefunden haben, aber einen Ausbildungsplatz bevorzugt hätten.

Quelle: DGB; KNA; epd

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