Schulische Vorbildung Geflüchteter

Auszüge aus den BIBB-Analysen zur schulischen Vorbildung Geflüchteter von Dr. Friedl Schier:
„(…) Je nach Herkunftsland, Alter und Fluchtdauer bringen die Geflüchteten sehr unterschiedliche berufliche Qualifikationen oder Erfahrungen mit: Die „IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten“ hat ergeben, dass die über 18-Jährigen ## mit rund 13 % ein Studium mit Zertifikat abgeschlossen und
##zu etwa 6 % einen beruflichen Abschluss haben.
Somit muss die Mehrheit der Geflüchteten eine Erst- oder Anpassungs-Qualifizierung absolvieren, um sich auf dem Berufs- und Arbeitsmarkt zu etablieren.

Beteiligung am Erwerbsleben
(…) Die Bundesagentur für Arbeit (BA) gibt mit ihren Statistiken einen Einblick in das Qualifikationsgefüge der bei ihr gemeldeten Personen im „Kontext von Fluchtmigration“. Insgesamt zeigt die Arbeitsmarktstatistik folgende Eck-Daten: ## Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit (Ausländer/-innen) üben insgesamt zu 38,9 % (Oktober 2016) eine sozialversicherungspflichtige (SV) Beschäftigung aus;
##bei den Staatsangehörigen aus den nichteuropäischen Asylherkunftsländern liegt die SVBeschäftigungsquote mit 11,9 % aber deutlich darunter;
##von den Arbeitssuchenden (incl. Arbeitslosen) hatten 82 % der Personen aus den Asylherkunftsländern zudem einen Fluchthintergrund;
##die stärkste Gruppe im Kontext von Fluchtmigration waren die Personen aus Syrien mit rund 65 %; die Arbeitslosigkeit dieser Personengruppe wuchs in der zweiten Jahreshälfte 2016 um 16,6 %;
##für alle arbeitslos Gemeldeten im Fluchtkontext hingegen betrug der Anstieg 26,4 %.(…)
Altersstruktur und Schulbildung der geflüchteten Arbeitssuchenden
Die Schulbildung ist nicht einfach zu erfassen: Zum einen haben die Herkunftsländer der Geflüchteten teilweise völlig anders aufgebaute Schul- und Bildungssysteme, sodass die Übertragung auf das deutsche System nicht 1 : 1 möglich ist. Zum anderen konnten die Schulen aufgrund der (Kriegs-)Situation nicht regelmäßig besucht oder die Bildungsgänge aufgrund der Flucht nicht abgeschlossen werden. (…)

Das Merkmal „Schulbildung“ zeigt eine zweigipfelige Verteilung zwischen schulisch gut Gebildeten und eher kaum Beschulten. Falls man jedoch diejenigen „ohne Angabe“ den nur unzureichend Gebildeten zuschlagen würde – was aufgrund fehlender Zeugnisse oder Unvergleichbarkeit der Bildungssysteme nicht unwahrscheinlich ist, erhöhte sich der Anteil dieser Gruppe auf knapp 60 %.

Viele der Geflüchteten verfügen über berufliche Erfahrungen und Fertigkeiten, die aber nicht in der Art des deutschen (Aus-)Bildungssystems erlernt und zertifiziert und somit nicht direkt vergleichbar sind. Die Erfahrungen in der Arbeitswelt im Herkunftsland entsprechen zudem oft nicht den hohen Erwartungen des deutschen Arbeitsmarktes. (…)

Bildungslage der geflüchteten Arbeitssuchenden
Wenn man in der BA-Statistik die Zahl der Personen ohne Abschluss zu den Personen ohne Angaben hinzurechnet, was aufgrund der besonderen Situation der Personen und des Fluchthintergrundes nicht unwahrscheinlich ist, verfügen gut 50 % der Schutzberechtigten über keine (abgeschlossene) Schulbildung.

Die BA-Daten deuten also darauf hin, dass viele junge Geflüchtete – auch aus Syrien – ohne eine angemessene schulische Vorbildung auf die Arbeitswelt treffen. Dieser Sachverhalt widerspricht damit der ersten Sichtung der Arbeitsmarktstatistik.

Ob die berufsbildenden Schulen (als Hauptträger der Integrationsleistung für die Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen) in der zur Verfügung stehenden Zeit und mit den vorhandenen Ressourcen eine Angleichung der schulischen, kulturellen und sprachlichen Bildung erreichen, ist unklar. Die berufliche Bildung in den Betrieben – als alternativer Bildungs- und Integrationsweg – verlangt zumindest sprachlich vorbereitete Praktikanten/Praktikantinnen oder Auszubildende. So scheint auch auf betrieblicher Seite inzwischen eine Ernüchterung13 über die Möglichkeiten einer schnellen Integration eingetreten zu sein.

Zu überlegen wäre, ob aufgrund der vorgestellten Daten eine berufliche Bildung von Geflüchteten nicht weitgehend auf anderen (non-formalen) Kompetenzen aufbauen sollte – was dann auch eine anders strukturierte oder anders nuancierte Berufs(aus)bildung nach sich ziehen würde (Stichworte: gestreckte Ausbildung, theoriegeminderte Ausbildung, Anlehre, qualifizierende Beschäftigung). Falls jedoch die schulische Vorbildung für eine Berufsausbildung und den beruflichen Einstieg zwingend erforderlich ist, sollten für diejenigen unter den Geflüchteten ohne diese Vorbildung sehr variable Formen und Wege einer langfristig angelegten Qualifizierung gefunden werden.“

Link: https://www.bibb.de/de/62050.php

Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)

Dokumente: bibb_schier_vorbildung_gefluechtete_2017.pdf

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