Qualifikationsstruktur, Arbeitsmarktbeteiligung und Zukunftsorientierungen von anerkannten Flüchtlingen

Auszüge aus einer Kurzanalyse der „BAMF-Flüchtlingsstudie 2014“ von Susanne Worbs und Eva Bund:
„(…) Eckdaten der BAMF-Flüchtlingsstudie 2014
(…) Drei der sechs Herkunftsländer werden vertieft betrachtet, nämlich Afghanistan, der Irak und Syrien. (…) Alle drei Länder sind durch anhaltende gewaltsame Konflikte bzw. Bürgerkriege gekennzeichnet, wodurch vermutlich auch in den nächsten Jahren mit einer quantitativ bedeutenden Flüchtlingsbewegung nach Deutschland zu rechnen ist. Die Studie bezieht sich zwar nicht auf die aktuellsten Kohorten von Schutzsuchenden aus den drei Ländern, sondern auf etwas früher eingereiste Personen. Ihr Profil kann jedoch Hinweise geben, womit grundsätzlich im Integrationsgeschehen der nächsten Jahre zu rechnen ist.

Die Geschlechtsstruktur der Befragten aus Afghanistan, dem Irak und Syrien unterscheidet sich nicht wesentlich von der Gesamtheit. Charakteristisch ist ein Verhältnis von etwa einem Drittel Frauen zu zwei Dritteln Männern. (…)

In allen Gruppen und in der Gesamtheit machen zudem junge Menschen im Alter zwischen 18 und 34 Jahren den deutlich größten Anteil aus. (…) Die große Mehrheit der Befragten hat jedoch erst in den letzten Jahren zum ersten Mal Asyl in Deutschland beantragt, insbesondere von 2009 bis 2012. Dies gilt, wie zu erwarten war, besonders auch für Afghanistan und Syrien, wo dies für mehr als 70 % der Befragten zutrifft. Beim Irak zeigt sich ein etwas anderes Muster mit einem deutlich höheren Anteil „früherer“ Asylanträge. Diese wurden allerdings zu großen Teilen 2007 und 2008 gestellt, also ebenfalls in eher geringer zeitlicher Distanz zur Befragung im Jahr 2014. Irakische Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge halten sich damit im Durchschnitt schon etwas länger (5,6 Jahre) in Deutschland auf als die Gruppen aus Afghanistan und Syrien (4,3 bzw. 4,2 Jahre; der Gesamtdurchschnitt liegt bei 5,4 Jahren).

Dieser Unterschied schlägt sich auch in der Verteilung nach Aufenthaltstiteln nieder. Irakische Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge weisen als einzige aller Herkunftsgruppen eine Mehrheit von Personen (57,1 %) auf, die eine Niederlassungserlaubnis besitzen oder bereits eingebürgert sind, deren Aufenthalt in Deutschland also keiner Befristung mehr unterliegt. Afghanische (27,1 %) und besonders syrische Flüchtlinge (13,0 %) sind in dieser Kategorie hingegen deutlich weniger vertreten und liegen auch unter dem Gesamtdurchschnitt von 44,2 % Befragten mit unbefristetem Aufenthalt. Die Vertreter dieser beiden Ländergruppen haben dementsprechend in ihrer deutlichen Mehrheit noch befristete Aufenthaltserlaubnisse inne (61,0 % Afghanistan bzw. 84,2 % Syrien). (…)

Schulische und berufliche Qualifikationen
(…) Insbesondere das Herkunftsland Irak weist einen hohen Anteil von gut einem Viertel der Befragten auf, die angeben, überhaupt keine Schule besucht zu haben. Rechnet man die Befragten mit bis zu vierjährigem Schulbesuch (also höchstens Primarschulniveau) hinzu, beträgt der Anteil sogar mehr als ein Drittel. Relativ am besten schneiden die syrischen Befragten ab, was den Anteil der schulisch gering oder gar nicht Qualifizierten angeht. Afghanistan weist einen leicht überdurchschnittlichen Anteil von Befragten mit keiner oder geringer Schulbesuchsdauer auf und ist in der mittleren Gruppe (5 bis 9 Jahre Schulbesuch) weniger vertreten als die beiden anderen Herkunftsländer, hat aber zugleich den höchsten Anteil von Personen mit längerem Schulbesuch (10 Jahre oder mehr). Bei allen drei Herkunftsländern und in der Gesamtheit sind zudem Frauen stärker als Männer in der Gruppe „Keine Schule besucht“ vertreten, am häufigsten die irakischen Frauen mit einem Anteil von 35,1 %. Wie bei der Gesamtheit aller Herkunftsländer haben auch die Befragten aus Afghanistan, dem Irak und Syrien mehrheitlich (noch) keine Berufsausbildung oder ein Studium absolviert. Allerdings muss beachtet werden, dass auch diese Personen ohne formale Ausbildung mehrheitlich im Herkunftsland bereits berufstätig waren, also nicht gänzlich ohne Erfahrung auf dem Arbeitsmarkt sind. Der Anteil der (noch) nicht Qualifizierten ist beim Herkunftsland Irak besonders hoch, während bei Afghanistan und Syrien der Anteil der Flüchtlinge, die zumindest ansatzweise eine berufliche Qualifikation besitzen oder dabei sind, eine solche zu erwerben, etwas über dem Durchschnitt liegt. Weiterhin sind Frauen in allen Herkunftsgruppen stärker unter den Personen (noch) ohne berufliche Qualifikation zu finden als die Männer, darunter wiederum die irakischen Frauen mit dem Höchstwert von 82,0 %. (…)

Beteiligung am Arbeitsmarkt
(…)
Gut ein Drittel (36,5 %) aller befragten Flüchtlinge sind erwerbstätig. Jeweils gut ein Fünftel geben an, arbeitslos zu sein bzw. eine Ausbildungsstelle zu suchen, oder nicht erwerbstätig zu sein. Bei den drei betrachteten Herkunftsländern verschiebt sich dieses Grundmuster in einigen Aspekten. So sind Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge aus Afghanistan etwas unterdurchschnittlich erwerbstätig, aber dafür überdurchschnittlich häufig in Ausbildung, was mit dem besonders hohen Anteil junger Menschen zusammenhängen dürfte. Die Gruppe aus dem Irak weist hingegen eine überdurchschnittlich hohe Erwerbstätigkeit auf, was angesichts des bereits herausgearbeiteten, vergleichsweise schlechten Bildungsprofils zunächst überrascht. Möglicherweise spielt hierfür der im Durchschnitt längere und stärker verfestigte Aufenthalt eine Rolle, der diesen Menschen eine bessere Arbeitsmarktposition verschafft als den relativen „Neuankömmlingen“ aus Afghanistan und Syrien. Irakische Befragte sind allerdings auch überdurchschnittlich häufig nicht erwerbstätig (26,0 %) und befinden sich nur selten in Ausbildung (6,0 %). Insgesamt am schlechtesten stellt sich die Situation für die syrischen Flüchtlinge dar. Sie partizipieren im geringsten Maße am Arbeitsmarkt und sind auch unterdurchschnittlich in Ausbildungsgängen vertreten, suchen aber auch am häufigsten nach einer Arbeit oder einer Ausbildungsstelle. (…)

Anhand der Beschreibungen, die erwerbstätige Befragte von ihrer Arbeit geben, lassen sich die folgenden vier am häufigsten genannten Tätigkeitsbereiche identifizieren: ## Gastronomie, (…)
## Verpackung, Lagerung, Logistik und Transport (…)
## Reinigung (…)
## Herstellung und Verkauf von Lebensmitteln (…)
Nur sehr wenige Angaben (weniger als 20) lassen hingegen auf eine Berufstätigkeit der Befragten in akademischen Berufen schließen. (…)

Bleibe- und Einbürgerungsabsicht
(…)
Es zeigt sich eine starke Orientierung hin zu einer langfristigen Perspektive in Deutschland: 84,7 % der Befragten insgesamt geben an, für immer in Deutschland bleiben zu wollen. Differenziert nach Herkunftsgruppen zeigt sich, dass Befragte aus Afghanistan und dem Irak überdurchschnittlich oft für immer in Deutschland bleiben wollen. Personen mit Herkunft aus Syrien geben dies etwas seltener an und sind sich zudem deutlich häufiger als die anderen Gruppen unsicher über diese Frage. Parallel zu der mehrheitlich langfristigen Orientierung der Befragten auf ein Leben in Deutschland ist auch der Wunsch zum Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit stark ausgeprägt: 79,8 % möchten die deutsche Staatsangehörigkeit „auf jeden Fall“ erwerben, 11,0 % „wahrscheinlich“. Personen mit Herkunft aus Syrien weisen – den Mustern hinsichtlich ihrer Bleibeabsicht folgend – mit 75,9 % einen etwas geringeren Anteil derjenigen auf, die „auf jeden Fall“ die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen wollen, als Befragte aus dem Irak (79,8 %) oder Afghanistan (83,2 %). (…)“

Link: www.bamf.de/forschung.de

Link: Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge in Deutschland

Quelle: BAMF

Ähnliche Artikel

Ablehungskultur für Menschen auf der Flucht

Das europäische Parlament hat zuletzt seinen Beitrag geleistet, die Außengrenzen der Europäischen Union noch stärker als bisher abzuriegeln. In allen europäischen Nationalstaaten sind Geflüchtete nicht

Skip to content