Trotz der Schuldenkrise sind auf dem deutschen Arbeitsmarkt moderat positive Entwicklungen zu verzeichnen. Die Beschäftigung konnte ihren Aufwärtstrend fortsetzen. Die Abeitslosigkeit sinkt allerdings seit längerem nicht mehr nennenswert. Mit welcher Entwicklung ist im Jahr 2014 zu rechnen? Das Institut für Arbeitsmarktforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit legt eine Prognose vor: Nach einem geringen Anstieg in diesem Jahr wird die Arbeitslosigkeit 2014 wieder sinken, wenn auch nur leicht um 40.000 auf 2,90 Mio. Personen. Die Erwerbstätigkeit setzt ihren abgeflachten Aufwärtstrend fort. Das Erwerbspersonenpotenzial wächst aufgrund der starken Zuwanderung und einer leicht steigenden Erwerbsbeteiligung. Mit einem starken Rückgang der Arbeitslosigkeit ist vorerst nicht mehr zu rechnen, strukturelle Probleme werden deutlicher. Um die Beschäftigungschancen wieder zu erhöhen, sollte die Arbeitsmarktpolitik auf eine wirksame Qualifizierungsstrategie fokussiert werden und der steigenden Bedeutung des harten Kerns der Arbeitslosigkeit Rechnung tragen.
Auszüge aus dem IAB-Kurzbericht 18/2013 „Arbeitslosigkeit sinkt trotzt Beschäftigungsrekord nur wenig“ von Johann Fuchs, Markus Hummel, Christian Hutter, Sabine Klinger, Susanne Wagner, Enzo Weber, Roland Weigand und Gerd Zika:
„Arbeitsmarkt moderat positiv
Der Arbeitsmarkt befindet sich in einer guten Grundverfassung. Über Jahre hinweg war ein erfreulicher Trend zu beobachten, der selbst durch die globale Finanzkrise nur kurz unterbrochen wurde. (…)
Unabhängig von den Auswirkungen der Schuldenkrise steht aber nicht zu erwarten, dass der Arbeitsmarkt noch einmal an den steilen Aufwärtstrend vergangener Jahre anknüpfen kann. Auch wenn der leichte Anstieg der Arbeitslosigkeit teilweise auf die durchwachsene Konjunktur zurückgeht, dürften die positiven Effekte der Strukturanpassung am Arbeitsmarkt ausgelaufen sein. Als wesentliches Merkmal des deutschen Arbeitsmarktaufschwungs waren die Chancen, Arbeitslosigkeit zu beenden, über Jahre gestiegen. Mittlerweile liegen sie aber wieder deutlich niedriger. (…)
Die Arbeitslosigkeit im SGB II und im SGB III entwickelt sich ähnlich
(…) Die Personen in der Arbeitslosenversicherung haben in der Regel bessere Chancen auf eine neue Stelle. In der Grundsicherung befindet sich hingegen ein großer Teil des verfestigten Kerns der Arbeitslosigkeit – Personen, die so lange ohne Arbeit sind, dass ihr Anspruch aus der Versicherung erschöpft ist. Des Weiteren zählen zu diesem Bereich Personen, die wegen sehr kurzer Beschäftigungszeiten keine Ansprüche an die Versicherung erworben haben, und Personen mit einem so geringen Arbeitslosengeld, dass es durch Arbeitslosengeld II ergänzt werden muss.
Die (…) Diskrepanz zwischen den Entwicklungen von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit offenbart, dass die Konjunktur zuletzt nicht kräftig genug war, um strukturelle Schwierigkeiten beim weiteren Abbau von Arbeitslosigkeit zu kompensieren. (…) Zwischen der Arbeitslosigkeit im Rechtskreis SGB III und dem ersten Arbeitsmarkt gibt es wesentlich mehr Wechsel als zwischen dem SGB-II-Bereich und dem ersten Arbeitsmarkt. Dass die Chancen auf eine Stelle deutlich gesunken sind, fällt dort also stärker ins Gewicht. (…)
Die unterjährige Entwicklung führt zu einem Malus beim Start ins Jahr 2014. Danach wird auch die SGB-II-Arbeitslosigkeit von der allgemeinen leichten Verbesserung profitieren. Im Jahresdurchschnitt macht sich das aber nur mit einem Rückgang um 5.000 Personen bemerkbar. Durchschnittlich 1,97 Mio. Arbeitslose werden 2014 zum Rechtskreis SGB II zählen.
Das Erwerbspersonenpotenzial steigt durch hohe Zuwanderung aus Süd- und Osteuropa
Infolge der demografischen Entwicklung wird (…) das Erwerbspersonenpotenzial im Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr voraussichtlich um 240.000 Erwerbspersonen sinken. Für das Prognosejahr 2014 schätzen wir einen negativen demografischen Effekt von 290.000 Erwerbspersonen. Dennoch dürfte das Erwerbspersonenpotenzial sowohl 2013 als auch 2014 tatsächlich zunehmen. Grund dafür sind steigende Erwerbsquoten von Frauen und Älteren und vor allem eine hohe Zuwanderung aus Süd- und Osteuropa. (…) Unter Berücksichtigung des Erwerbsverhaltens der Zuwanderer resultiert aus der gesamten Migration ein potenzialerhöhender Effekt von je rund 270.000 Erwerbspersonen in den Jahren 2013 und 2014. (…)
Fazit
Die Beschäftigung hat bis zuletzt ihren Aufwärtstrend fortgesetzt – auch bei durchwachsener wirtschaftlicher Entwicklung. Einen wesentlichen Beitrag hat das noch immer steigende Erwerbspersonenpotenzial geleistet, vor allem die hohe Zuwanderung. Demgegenüber stagniert die Arbeitslosigkeit seit Längerem mit leicht ungünstiger Tendenz, weil die Chancen zur Beendigung von Arbeitslosigkeit gesunken sind. (…)
Offenbar können die Arbeitslosen vom Beschäftigungswachstum nicht mehr ausreichend profitieren. (…) Problematisch bleibt hingegen die Mismatch-Arbeitslosigkeit, die dadurch entsteht, dass für arbeitslose Personen z. B. in einem bestimmten Beruf, einer Branche oder einer Region keine Vakanz vorhanden ist, und umgekehrt. Es sind also strukturelle Ursachen, die einen weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit erschweren. (…)
Künftige Fortschritte im Arbeitsmarkt können deshalb vor allem über die Beseitigung von Mismatch und die Verbesserung von Jobchancen erreicht werden. Bildung und Qualifizierung stehen dabei an erster Stelle, um Menschen auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vorzubereiten. Zugleich muss der steigenden Bedeutung des harten Kerns der Arbeitslosigkeit Rechnung getragen werden.
Relevante Handlungsfelder sehen wir bei folgenden Personengruppen:
- Arbeitslose: In der Arbeitsmarktpolitik sollte der Trend stärker in Richtung nachhaltiger und individueller Maßnahmen sowie intensiver Betreuung gehen. Nachhaltigkeit dient dazu, wirklich effektive Fortschritte z. B. bei abschlussorientierter Weiterbildung zu erzielen. Individualität ist nötig, um die betroffenen Menschen mit ihren spezifischen Einschränkungen und Fähigkeiten zu erreichen. Und intensive Betreuung kann beide Punkte unterstützen oder auch alternativ zu den Maßnahmen wirksam sein.
- Beschäftigte: Dieser Aspekt erhält besondere Relevanz, da es im letzten Jahrzehnt bei deutlichem Abbau der Arbeitslosigkeit auch zu einem deutlichen Aufbau von Beschäftigung niedrigerer Qualität kam. Will man strukturelle Probleme gerade im unteren Segment des Arbeitsmarktes angehen, so ist nicht nur der Einstieg, sondern auch der Aufstieg im Arbeitsmarkt essenziell. Weiterbildung, aber auch Betreuung sowie Verstetigung von Beschäftigung gehören zu einer Strategie, die von staatlicher Seite unterstützt und wesentlich unter Mitwirkung der Arbeitgeber vorangebracht werden sollte.
- Junge Generation: Strukturproblemen begegnet man am besten, bevor sie entstehen. Im Bildungssystem sind einige Erfolge zu verzeichnen, z. B. studieren mittlerweile mehr junge Menschen. Großes Potenzial liegt aber noch in der Verbesserung der Chancen bildungsferner Gruppen. Die Ungleichheit verfestigt sich hier von Beginn an bis zum Abschluss des Bildungsweges. Der stärkste Hebel liegt in der frühzeitigen Förderung gerade von Kindern aus sozial benachteiligten Schichten. Die Arbeitsmarktpolitik kann einen Beitrag leisten, indem sie – in Zusammenarbeit mit den Unternehmen – die Bemühungen für abschlussorientierte Maßnahmen im Hinblick auf eine zweite Chance für junge Erwachsene ohne Berufsabschluss noch weiter verstärkt.“
Quelle: IAB