Auszüge aus der Problemanzeige Jugendberufshilfe:
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Situation der Jugendberufshilfe: Zwischen professioneller Arbeit und Existenznot
Die Förderlandschaft im Bereich der Jugendberufshilfe ist heterogen, bundesweit gibt es etwa 60 Programme. Entsprechend unterschiedlich sind die Ansätze, Laufzeiten und Förderbedingungen bzw. der Finanzrahmen. Fördergeber sind die Europäische Union (z. B. Europäischer Sozialfonds auf Landes- und Bundesebene), der Bund (Bundesmodellprogramme der Ministerien), die Bundesagentur für Arbeit, die Länder sowie die kommunale Jugendhilfe. Allen gemeinsam ist, dass die Angebote und Maßnahmen bis auf wenige Ausnahmen zeitlich befristet sind. Zudem gibt es für die Einrichtungen der Jugendberufshilfe keine verlässliche Infrastrukturförderung. Dies bedeutet, dass es in Deutschland kein auf Kontinuität ausgerichtetes, für Jugendliche verlässliches Angebot im Bereich der beruflichen Integrationsförderung gibt.
Einen Schwerpunkt der bundesweiten Angebote bilden die Maßnahmen im Sozialgesetzbuch III (Arbeitsförderung) wie z. B. Aktivierungshilfen, Berufseinstiegsbegleitung oder die berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen. Diese Maßnahmen haben zum Ziel, die jungen Menschen möglichst schnell in eine Berufsausbildung zu vermitteln. (…)
Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass der Preis – und nicht die Qualität – das entscheidende Kriterium bei der Vergabe bildet. Die Löhne der Mitarbeiter/-innen sind zum ausschlaggebenden Wettbewerbskriterium geworden, da 80 bis 90 Prozent der Maßnahmekosten bei den Personalkosten liegen. Für Träger mit Flächentarifvertragsbindung ist es inzwischen schwierig bis unmöglich, preislich mit Trägern ohne tarifliche Bindung zu konkurrieren. Wenn sie dennoch einen Zuschlag erhalten, können sie in der Regel nicht kostendeckend wirtschaften.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass nach nur einer Ausschreibungsrunde die Maßnahme an einen anderen Träger vergeben wird. Dieser muss die Infrastruktur und die Kooperationen aus dem Nichts neu aufbauen, während die Ausstattung, Netzwerke und Know-how des erfahrenen Trägers brach liegen.
Eine Mitsprache der jungen Menschen für oder gegen die Teilnahme an einer Maßnahme ist nicht vorgesehen. Auch können die jungen Menschen nicht unter verschiedenen Angeboten auswählen, sondern werden durch die Arbeitsagentur einem Träger zugewiesen. (…)
## Auswirkungen auf die Fachkräfte und auf die Personalentwicklung der Träger – Die Fachkräfte in der Jugendberufshilfe stehen im ständigen Spannungsfeld zwischen hohem pädagogischen Anspruch, zunehmendem Innovationsdruck und eigener prekärer Erwerbssituation. Sie selbst sind der Schlüssel zu gelingenden Prozessen für die gesellschaftliche Teilhabe der jungen Menschen. Dies bezieht sich auf ihre unterschiedliche Rollen: als Vermittler/-in von Kompetenzen, als verlässliche Bezugsperson und sozialpädagogische Begleitung für die jungen Menschen. Die sozialpädagogische Arbeit stellt hohe Anforderungen an die Fachkräfte. Sie müssen die Beziehungen aufbauen und halten, Jugendliche motivieren, mit ihnen Förderprozesse gestalten und Problemlösungen erarbeiten sowie ihnen Kompetenzen vermitteln. Zudem fungieren sie als Akteur/-in und Netzwerker/-in in der Kooperation mit beteiligten Personen/Institutionen. Neben pädagogischer Kompetenz benötigen sie deshalb darüber hinaus gehende multidisziplinäre Fähigkeiten. (…) Bezogen auf das Projekt oder die Maßnahme zeigen die Erfahrungen, dass diese sich erst nach zwei oder drei Jahren etablieren können. Kaum ist aber der Aufbauprozess abgeschlossen, wird die Maßnahme auch schon durch eine Neuvergabe an andere Träger beendet. (…)
## Auswirkungen auf die Förderlandschaft – Expertinnen und Experten sind sich einig, dass trotz der Entwicklungen im Zuge des demografischen Wandels ein Anteil junger Menschen bleiben wird, der hohen Förderbedarf am Übergang von der Schule in den Beruf hat. (…) Es droht jedoch die Gefahr, dass die Jugendberufshilfe strukturell und personell ausblutet. Bewährte (sozial)pädagogische, ganzheitliche und an den jungen Menschen orientierte Förderansätze bleiben – unter kurzzeitiger Trägerschaft von gewerblichen Anbietern ohne professionale fachliche Standards – auf der Strecke. (…) Die Fachkräfte arbeiten bei schlechter Bezahlung und mit ungewisser Perspektive und wechseln, wenn irgend möglich, in andere Arbeitsfelder. Schon jetzt besteht in einigen Regionen ein Mangel an sozialpädagogischem Fachpersonal. (…)
Angebot und Rahmenbedingungen der Jugendberufshilfe verbessern
Insbesondere hinsichtlich der Kontinuität und Verlässlichkeit der Angebote besteht dringender Handlungsbedarf. Die Beratungs- und Begleitangebote am Übergang von der Schule in den Beruf müssen zudem individuell ausgerichtet und flexibel umgesetzt werden können. Flächendeckende niedrigschwellige Angebote müssen das bestehende Förderangebot ergänzen.
## Koordinierung der Angebote durch Träger der Jugendhilfe (…)
## Gesetzlich verpflichtende Kooperation der Leistungsträger und verpflichtende Hilfeplanverfahren (…)
## Wunsch- und Wahlrecht junger Menschen (…)
##Mehr Qualität bei der Vergabe von Leistungen aus dem SGB III (…)
Ungeregelte Schnittstellen zwischen den Gesetzbüchern dürfen zukünftig nicht mehr auf dem Rücken der jungen Menschen ausgetragen werden. Die Finanzierung sollte nach einem bedarfsorientierten Individualprinzip erfolgen. Das heißt: Bedarfsgerechte Angebote zur berufsbezogenen individuellen Förderung sind vorzuhalten; die Finanzierung regeln die Leistungsträger untereinander. Untermauert wird dies durch eine verpflichtende Kooperation der Leistungsträger aus dem SGB II, III und VIII, die jeweils in den Gesetzbüchern geregelt wird.
Dies schließt ein, dass die Leistungsträger gemeinsame, mischfinanzierte Angebote entwickeln und umsetzen, wenn dieser Bedarf besteht. Der Gedanke einer Poolfinanzierung mit zweckgebundenen Mitteln aus dem SGB II, III und VIII sollte in diesem Zusammenhang neu geprüft werden.“
Das Papier „Einrichtungen der Jugendberufshilfe zwischen pädagogischem
Anspruch und Existenznot“ in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.
Quelle: BAG KJS
Dokumente: Problemanzeige_Einrichtungen_der_JBH_zwischen_paedagogischem_Anspruch_und_Existenznot.pdf