Die Friedrich-Ebert-Stiftung legt Expertise zur öffentlich geförderten Beschäftigung vor: Öffentlich geförderte Beschäftigung ist ein klassisches Instrument der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Darunter werden sowohl beschäftigungsbegleitende Maßnahmen wie z. B. Lohnkostenzuschüsse als auch beschäftigungsschaffende Maßnahmen wie z. B. Ein-Euro-Jobs zusammengefasst. Die Maßnahmen sollen dazu beitragen, Arbeitslosen mit Vermittlungshemmnissen Zugang zu einer Beschäftigung zu ermöglichen. Diese Maßnahmen fanden allerdings nicht nur Unterstützung, sondern trafen auch auf Vorbehalte.
Seit einiger Zeit ist ein Umdenken feststellbar: Es besteht weitgehend Konsens, dass es Menschen gibt, die ohne eine solche Förderung – selbst bei steigender Nachfrage nach Arbeitskräften – absehbar keine Chancen auf reguläre Beschäftigung in einem Unternehmen haben und damit auch von gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten ausgeschlossen sind. Allerdings gehen die Auffassungen und Vorstellungen zum Umfang, den Zielsetzungen und zur konkreten Ausgestaltung der Maßnahmen weit auseinander: So ist z. B. die Frage, wer Zugang zu solchen Maßnahmen erhält, strittig. Je nach Abgrenzung und Definition der Kriterien variiert die Zahl der potenziellen Teilnehmer und Teilnehmerinnen erheblich.
Zielsetzung der Expertise ist eine systematische Darstellung bestehender Grundinstrumente und Programme wie auch weitergehender Konzepte und ihrer spezifischen Handlungsansätze. Sie soll dabei helfen, konzeptionelle Unschärfen zu identifizieren und für die weitere wissenschaftliche wie auch politische Debatte fruchtbar zu machen. Die vorliegende Expertise systematisiert eine in der Wissenschaft wie auch in der Politik geführte Diskussion mit dem Ziel, alternative arbeitsmarktpolitische Perspektiven zu entwickeln.
Auszüge aus dem Fazit und den politischen Schlussfolgerungen der Expertise „Öffentlich geförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland„:
Zielsetzungen
„(…) Grundsätzlich basieren die konzeptionellen Überlegungen für öffentlich geförderte Beschäftigung auf der Erkenntnis, dass (Langzeit)Arbeitslosigkeit sich im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte zunehmend verstetigt hat und kein kurzfristiges und schnell überwindbares gesellschaftliches Phänomen darstellt. Aus diesem Grund gehört die Arbeitsmarktintegration nicht zu den primären Zielen der hier vorgestellten Konzepte, sondern dieses wird als mittel- bis langfristiges Ziel angesehen, das mit Hilfe von öffentlich geförderter Beschäftigung erreicht werden kann. Die Hauptzielsetzung von öffentlich geförderter Beschäftigung wird stattdessen viel mehr darin gesehen, die Beschäftigungsfähigkeit arbeitsloser Menschen wiederherzustellen bzw. zu erhalten, um deren Teilhabe und Integration in die Gesellschaft zu fördern. (…)
Perspektiven für öffentlich geförderte Beschäftigung müssen vor dem Hintergrund anhaltend hoher Arbeitslosigkeit, dem verfestigten Leistungsbezug bestimmter Personengruppen und unterschiedlich hoher Marktungleichgewichte auf regionalen und sektoralen Teilarbeitsmärkten bestimmt werden. Dabei ist es zwingend, die Funktionszuschreibung für über die Arbeitsmarktpolitik bereitgestellte Arbeitsverhältnisse an die mit diesen Maßnahmen potenziell erreichbaren Ziele rückzubinden. Wie die (…) Analyse der einzelnen Instrumente und Programme, vor allem aber der Konzepte verschiedener Akteure gezeigt hat, besteht selbst bei den Unterstützerinnen und Unterstützern öffentlich geförderter Beschäftigung keine einheitliche Zielzuschreibung. Eine explizite Klärung solch einer Zielbestimmung ist aber unbedingt erforderlich. Ansonsten droht die Gefahr, dass sich eine Debatte über die zukünftige Ausrichtung öffentlich geförderter Beschäftigung in den zweifelsohne wichtigen, aber im ersten Schritt nachrangigen Fragen der Instrumentengestaltung, -regulierung und Finanzierung verliert. Mit anderen Worten bedarf es zunächst einer grundsätzlichen Klärung der Erwartungen an öffentlich geförderte Beschäftigung, ohne aber den realistischen Blick für ihre Grenzen zu verlieren.“
Perspektiven öffentlich geförderter sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung
„Vor diesem Hintergrund plädieren wir für eine Neuausrichtung öffentlich geförderter Beschäftigung, die (a) einerseits auf die Ziele der Zielgruppeninklusion und Beschäftigungsfähigkeit fokussiert und (b) andererseits die Ziele Marktersatz und Strukturwirksamkeit in den Blick nimmt. (…) Gleichwohl bedeutet dies, auch unter Rückgriff auf normative Überlegungen, den Einsatz geförderter Beschäftigung mit dem Ziel der Überprüfung der Arbeitsbereitschaft und der Koppelung staatlicher Transferleistungen an die Aufnahme einer geförderten Arbeit zurückzudrängen und das Freiwilligkeitsprinzip zu betonen – wohl wissend, dass sowohl eine Stärkung der Marktersatzfunktion von Arbeitsmarktpolitik als auch ein Abschied von der im Rahmen des Aktivierungsparadigmas verstärkten Konditionalisierung des Leistungsbezugs im Falle von Arbeitslosigkeit in Wissenschaft und Politik höchst umstritten sind.“
Zielgruppeninklusion und Beschäftigungsfähigkeit
„(a) Eine weitgehende Übereinkunft ist bei der Förderung bestimmter Zielgruppen mit öffentlich geförderter Beschäftigung festzustellen, um auf diesem Wege ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten bzw. auszubauen. Dieser Konsens gründet auf der Feststellung, dass vielen und davon insbesondere lange Zeit vom Arbeitsmarkt ausgeschlossene Personen auch aufgrund weiterer Merkmale wie gesundheitlicher Einschränkungen kurzfristig nur geringe Chancen auf eine Beschäftigung im so genannten ersten Arbeitsmarkt attestiert werden müssen. Dies bedeutet gleichwohl, dass öffentlich geförderte Beschäftigung das mittelfristige Ziel der regulären Beschäftigung nicht aus den Augen verlieren darf, Instrumente und Programme aber nicht auf das Ziel der Arbeitsmarktintegration ausgerichtet und später an Übergangsquoten in geförderter Beschäftigung bewertet werden. (…) Die Beschäftigung ist nach Identifizierung spezifischer Förder- und Unterstützungsbedarfe parallel mit Qualifizierung und sozialpädagogischer Begleitung zu flankieren. Dies kann, insbesondere vor dem Hintergrund der in Deutschland sehr weit gefassten Definition von Erwerbsfähigkeit, in letzter Konsequenz bedeuten, dass einzelne Projekte bewusst arbeitsmarktfern und jenseits typischer marktlicher und von (betrieblichen) Rentabilitätserwartungen geprägter Abläufe zur Verfügung gestellt werden. Dabei ist es unbedingt notwendig, erreichte Integrations- und Stabilisierungserfolge nachzuhalten, indem Perspektiven im Anschluss an eine Maßnahme entwickelt werden und die nächsten Stufen der Fördertreppe realistisch zu bestimmen sind. (…)“
Marktersatz und Strukturwirksamkeit
„(b) Die Zielverbindung von Marktersatzfunktion und Strukturwirksamkeit ist dagegen von dem Gedanken getragen, dass bei anhaltenden Marktungleichgewichten und einer regional stark variierenden Betroffenheit von Arbeitslosigkeit diese Ungleichgewichte zu einem Teil von öffentlich geförderter Beschäftigung zu kompensieren sind. Diese Ausrichtung geförderter Beschäftigung fokussiert auf Personengruppen, denen primär nichts weiter fehlt als ein Arbeitsplatz. Da hohe Arbeitslosigkeit in der Regel mit einer Unterfinanzierung gesellschaftlich wichtiger Produkte und Dienstleistungen auf kommunaler Ebene zusammenfällt, gilt es, diese Bedarfe zu bestimmen und teilweise in öffentlich geförderte Beschäftigung zu überführen. Eine derartige Verknüpfung erlaubt zudem eine sozialräumliche Ausrichtung, so dass öffentlich geförderte Beschäftigung als ein Element sozialer Kohäsionspolitik auf Stadt(teil)ebene entwickelt werden kann. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass im Zuge der Finanzlage der meisten Länder und Kommunen solch ein Weg die Gefahr birgt, dass öffentlich geförderte Beschäftigung im zunehmenden Maße als Ausgleich für einen quantitativ reduzierten öffentlichen Dienst fungiert. Zudem wären dann potenzielle Arbeitsmarktintegrationseffekte, die in dieser Ausrichtung geförderter Beschäftigung verstärkt erwartet werden (müssen), in Form direkter Brücken nur schwer zu realisieren. Vor diesem Hintergrund müssen Perspektiven öffentlich geförderter Beschäftigung mittelfristig die Abgrenzung zum, aber auch die Verantwortung des öffentlichen Dienstes und damit des Staates als potenzieller Arbeitgeber in Zeiten anhaltender Unterbeschäftigung verstärkt thematisieren – wenngleich zu Recht darauf hingewiesen wird, dass die Grenzen zwischen diesen beiden Formen öffentlicher Beschäftigung aufgrund der Finanzierung des SGB II über Steuer- und nicht über Beitragsmittel fließender geworden sind. (…)“
Zusätzlichkeit und öffentliches Interesse
„Was es für beide Ausrichtungen öffentlich geförderter Beschäftigung zu thematisieren gilt, ist die Frage nach der Zusätzlichkeit und dem öffentlichen Interesse der Tätigkeiten. Diese Vorgaben führen teilweise zu der paradoxen Situation, dass die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsplatzes wenig mit dem Anforderungsprofil von Stellen im allgemeinen Arbeitsmarkt zu tun hat und Refinanzierungsmöglichkeiten der Träger von Beschäftigung minimiert werden. Dies erscheint insbesondere vor dem Hintergrund kontraproduktiv, dass bei marktnaher Ausgestaltung bzw. Tätigkeit die besten arbeitsmarktintegrationseffekte zu erzielen sind und mögliche Selbstfinanzierungseffekte nicht genutzt werden können. Von daher ist von starken gesetzlichen (oder zentralen untergesetzlichen) Ausgestaltungen dieser Kriterien Abstand zu nehmen und vielmehr auf eine Ausweitung der Kriterien abzuheben. Nach Vorbild der ABM-Ausschüsse sollte den regionalen Arbeitsmarktakteuren über den Beirat der Grundsicherungsstellen in dieser Hinsicht eine zentrale Funktion bei der Ausgestaltung von Programmen zukommen.“
Arbeitsmarktpolitisches Instrumentatium in regionalem Kontext
„Aus dem Vorhergesagten wird deutlich, dass die Gewichtung der beiden Grundrichtungen von öffentlich geförderter Beschäftigung stark von regionalen Kontexten abhängt. Dies verlangt erstens ein entsprechendes arbeitsmarktpolitisches Instrumentarium, in dem es zukünftig auch die Marktersatzfunktion stärker zu berücksichtigen gilt, um eine Maßnahme auch schon zur Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit initiieren zu können.
Zweitens muss das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium flexibel handhabbar sein. Mit Flexibilität ist gemeint, dass regional Bedarfslagen zu bestimmen sind, individuell zugeschnittene Förderhöhen ermöglicht und ggf. flankierend über die direkte Beschäftigung hinausgehende Unterstützungen wie Qualifizierungen unbürokratisch ergänzt werden können.
Drittens verweisen Erfahrungen auch der jüngeren Vergangenheit darauf, dass es durchaus hilfreich sein kann, in Abhängigkeit der Arbeitsmarktsituation regional unterschiedliche Mindestbudgets für geförderte Beschäftigung zu bestimmen, um betriebswirtschaftliche Steuerungslogiken von Institutionen zu begrenzen. Solche Vorgaben, (…) müssten dann aber auch entsprechend kontrolliert werden.
Viertens wäre der finanzielle Spielraum für öffentlich geförderte Beschäftigung durch die Möglichkeit der Aktivierung passiver Leistungen zu erhöhen, um Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren zu können. Ein solcher Passiv-Aktiv-Transfer hätte ein erfolgreiches Vorbild im Mitte der 1990er Jahre geschaffenen § 249h AFG, den späteren Strukturanpassungsmaßnahmen. Hier war eine (Teil)Aktivierung von Lohnersatzleistungen bereits einmal möglich und innovative Potenziale im regionalen Zusammenhang konnten gehoben werden.
Fünftens ist von Sonderprogrammen des Bundes jenseits der gesetzlichen Instrumentarien im Regelfall abzusehen – insbesondere dann, wenn diese nicht über die Arbeitsverwaltung administriert werden. Die kontraproduktiven Effekte solcher Ansätze kommen beim Kommunal-Kombi, aber insbesondere bei der Bürgerarbeit zum Tragen, indem aufwendige Doppelstrukturen aufgebaut werden müssen und durch den teilweise finanziellen Rückgriff auf originäre Eingliederungsmittel nach SGB II für die Aktivierungsphase regionale Spielräume verengt werden. (…)“
Autoren der Expertise im Auftrag der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung:
Alexander Matysik, Peer Rosenthal, Jörg Sommer
Die Expertise in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte aufgeführtem Link oder dem Anhang.
Quelle: WISO Diskus Friedrich-Ebert-Stiftung