Was erwarten die Klienten und welche Rolle haben die Berater?

Auszüge aus der Studie „Migrationsberatung in Bayern“ im Auftrag des StMAS von Delia Wiest und Friedrich Heckmann:
“ … Jugendmigrationsdienste
Hinsichtlich der Angebotsstruktur zeigt sich, dass es bei den JMD keine festen Vorgaben gibt, wie die einzelnen Kernbereiche der JMD-Arbeit auf die Arbeitszeit verteilt werden sollen. Oberste Priorität besitzt aber die Einzelfallberatung im Rahmen des Case Managements. Auch die befragten Berater sehen die Einzelfallberatung als ihre Hauptaufgabe. Als zweiter Arbeitsschwerpunkt wurde die Netzwerk- und Sozialraumarbeit genannt, da die Einbindung auf lokaler und regionaler Ebene für die JMD-Arbeit von großer Bedeutung sei.

Die Untersuchungen zeigen, dass die Berater aktiv Kontakt zu den jungen Migranten aufnehmen. Die JMD versuchen auch über verschiedene niederschwellige Gruppenangebote Kontakt zu sonst schwer zu erreichenden Gruppen von Jugendlichen herzustellen. Ein Problem bei der Kontaktaufnahme sei, dass den Beratern häufig Informationen über die Größe der Zielgruppe fehlen würden. Auch wenn die jungen Migranten häufig über Verwandte, Freunde oder Bekannte vom JMD erfahren und trotz der öffentlichkeitswirksamen Bemühungen der Berater, seien die JMD nach wie vor vielen nicht bekannt.

Bei der Betrachtung des Case Managements zeigte sich, dass diese Methode von den JMD-Beratern als sehr sinnvoll und förderlich für den Integrationsprozess der Jugendlichen eingeschätzt wird, in der Praxis aber nicht immer anwendbar sei; vor allem bei spezifischen Problemen und Fragestellungen. Nur im Bereich der Schul- und Berufswegeplanung könne die Methode gut angewendet werden, da sich hier leicht einzelne Schritte und kurz- und oder mittelfristige Zielvereinbarungen festlegen lassen. Zudem sei Case Management sehr zeitaufwendig und erfordere viel Mitwirkungsbereitschaft der Jugendlichen. Laut Beratern verhelfen vor allem die niedrigschwelligen Gruppenangebote dazu, kontinuierlich Kontakt zu den Jugendlichen zu halten und somit eine längerfristige Förderplanung durchzuführen. Als problematisch wird von den Beratern die Kompetenzanalyse im Rahmen der Integrationsföderplanung angesehen. Als Gründe wurden das Alter der Jugendlichen, zu umfangreiche Formalien und nicht ausreichende Deutschkenntnisse bei manchen Jugendlichen genannt. Es zeigte sich zudem, dass die Berater der im Rahmen des Case Managements einzuholdenden Einverständniserklärung kritisch gegenüber stehen, da sie Misstrauen und Unsicherheit bei den Jugendlichen schaffe und der Freiwilligkeit des Beratungsangebotes widerspreche. Ein weiterer Grund für Probleme beim Case Management seien unklare institutionelle Zuständigkeiten. Ein erfolgreiches Case Management sei zudem abhängig von den sturkutellen Bedingungen, doch es fehle häufig an geeigneten Förderangeboten für die Jugendlichen.

Hinsichtlich der Altersstruktur der Jugendlichen zeigte sich, dass in allen befragten Einrichtungen der Beratungsschwerpunkt bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 16 und 27 lag. Die Altersgruppe der 12 bis 15jährigen spielte hingegen eine eher untergeordnete Rolle. Wird die Geschlechterverteilung betrachtet, so zeigte sich, dass tendenziell mehr Mädchen und junge Frauen die Beratung aufsuchen als junge Männer. Bei der Betrachtung der Zielgruppenzusammensetzung hinsichtlich des Verhältnisses von neu zugewanderten Jugendlichen zu Jugendlichen, die schon länger in Deutschland leben oder bereits in Deutschland geboren wurden, wurden standortspezifische Unterschiede deutlich. In Hinblick auf die Zusammensetzung der Zielgruppe nach Nationalitäten gaben alle befragten Berater an, dass diese sich in den letzten Jahren stark verändert habe. Während früher, aufgrund der historisch bedingten Ausrichtung der JMD, jugendliche Spätaussiedler die größte Klientengruppe bildeten, kommen inzwischen viele verschiedene Nationalitäten in die Beratung. …

Die Untersuchung ergab weiterhin, dass die Sprache bei der Beratung der Jugendlichen eine sehr große Rolle spielt. Die Mehrheit der Berater ist bemüht, ihre Beratung auf Deutsch durchzuführen bzw. im Verlauf des Case Managements immer mehr die deutsche Sprache einfließen zu lassen. Jedoch erfordern die Sprachkenntnisse der jungen Migranten, gerade bei neuzugewanderten , häufig eine mutter- bzw. fremdsprachige Beratung. Der kulturelle Hintergrund des Beraters spiele bei der Beratung keine Rolle. …

Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen kommen mit einem breiten Themensprektrum von Anliegen in die JMD-Beratung. Neben dem Erwerb von Sprachkenntnissen stehen vor allem Fragen rund um die Schul- und Berufswegeplanung im Vordergrund. Weitere Themen sind finanzielle und familiäre Schwierigkeiten, Hilfe bei der Wohnungssuche und aufenthaltsrechtliche Fragen. Zudem können sich nach Angaben der meisten Berater die Themen im Verlauf der Beratung ändern. Während anfangs der Erwerb von Deutschkenntnissen sowie Schule und berufliche Ausbildung im Vordergrund stünden, würden die Themen im Laufe der Zeit persönlicher werden. …

Die Analysen zeigen, dass alle Berater um eine intensive und systematische externe Netzwerkarbeit bemüht sind. Auch die verbands- und einrichtungsinterne Vernetzung sei von Bedeutung. Hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen JMD und allen am Integrationsprozess beteiligten Akteuren äußerten sich die befragten Berater sehr unterschiedlich. Die Qualität der Kooperation sei vor allem abhängig von den jeweiligen Verwaltuntsmitarbeitern und Sachbearbeitern vor Ort. Insgesamt wurde ein ausgeglicheneres Verhältnis der Bereitschaft zur Zusammenarbeit gewünscht, insbesondere mit den Ausländerbehörden. …

Es zeigte sich, dass alle befragten JMD durch ihre Netzwerk- und Gremienarbeit sowie Informations- und Weiterbildungsveranstaltungen bemüht sind, bei der interkulturellen Öffnung aller für die Jugendlichen relevanten Dienste und Einrichtungen mitzuwirken. Insgesamt sei es aber schwierig, direkt auf die interkulturelle Öffnung von Einrichtungen und Institutionen zu wirken. Während einige Berater positive Entwicklungen bei den Regeldiensten und anderen sozialen Beratungseinrichtungen bestätigen, müsse vor allem die interkulturelle Öffnung von Verwaltungsbehörden verbessert werden.

Es zeigt sich weiterhin, dass alle Berater bemüht sind, die Erwartungen des Gesetzgebers zu erfüllen. Begrüßt wurde die relative Offenheit der Vorgaben in den JMD-Grundsätzen. Ungenaue Definitionen in den Richtlinien führen aber vereinzelt zu Unsicherheiten bei den Beratern und es komme immer wieder zu Rollenkonflikten. Zum einen seien die Vorgaben nicht immer an der Fachlichkeit des Beraters orientiert, zum anderen führe das umfangreiche Aufgabenfeld der JMD dazu, dass die Berater den Erwartungen nicht immer gerecht werden können. Zudem müssten die spezifische Alterssituation der jungen Menschen und die sich daraus ergebenden spezifischen Problemlagen in den JMD-Richtlinien noch stärker Berücksichtigung finden. Nach Warhnehmung der Berater erwarten die jungen Migranten ein schnelles Erfüllen ihrer Vorstellungen und Probleme. Häufig sei der JMD die letzte mögliche Anlaufstelle, wenn andere Einrichtungen und Institutionen nicht ausreichend Unterstützung und Hilfe bieten konnten. …

Die JMD-Berater selbst deuten ihre Rolle als Ansprechpartner, Vermittler, Unterstützer, Vertrauensperson sowie als Interessenvertreter der jungen Menschen mit Migrationshintergrund. Die Berater wollten sich daher bewusst von Behörden unterscheiden und messen dem Aspekt der Freiwilligkeit eine hohe Bedeutung bei. In Bezug auf die Öffnung der JMD für alle Migrantengruppen zeigt sich, dass ein Rollenwechsel vollzogen wurde und die Begleitung Jugendlicher vieler verschiedender Nationalitäten zur Normalität im Beratungsalltag geworden ist.

Die Berater wünschen sich zudem von Seiten des Gesetzgebers mehr Anerkennung ihrer Arbeit und Leistung für die Integration von jungen Migranten; die Beratung in den JMD solle nicht nur Quantität, sondern vor allem nach ihrer Qualität bewertet werden.“

Den „Jugendsozialarbeit News“ liegt eine Zusammenfassung der Studie vor.

Quelle: 

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