Knapp 70 % der Lehrkräfte halten es für wichtig, den Schüler*innen soziale Kompetenzen und Selbstkompetenz zu vermitteln, damit sie bestmöglich auf die Zukunft vorbereitet sind. Das ist eine Erkenntnis aus dem aktuellen Schulbarometer vom April 2024. Die Sozialkompetenz – gemeint sind etwa Empathie oder Eigenverantwortung – steht damit deutlich vor schulischen Kompetenzen und dem Wissen, das im Vergleich rund 47 Prozent der Lehrkräfte als wichtigste Fähigkeit nennen, die Schule vermitteln muss. Gesellschaftliche Werte wie Toleranz und Respekt oder Demokratiefähigkeit rangieren dagegen um die 10 Prozent und deutlich am Ende der Skala.
Psychische und physische Gewalt
Der Fokus der aktuellen Befragung richtete sich auf die größten Herausforderungen, das eigene Belastungserleben und die Berufszufriedenheit der Lehrkräfte. Fast jede zweite Lehrkraft sieht im April 2024 an der eigenen Schule ein Problem mit psychischer oder physischer Gewalt unter Schüler*innen, heißt es im Bericht. Die Befragung zeigt, dass Gewalt an der eigenen Schule das Burn-out- und Stressrisiko von Lehrkräften deutlich erhöht. Mehr als ein Drittel fühlt sich mehrmals pro Woche emotional erschöpft, primär jüngere und weibliche Lehrkräfte sowie Grundschullehrende sind betroffen. Obwohl die große Mehrheit der Lehrkräfte mit ihrem Beruf zufrieden ist, würde mehr als ein Viertel den Schuldienst verlassen, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten. Zugleich werden nach Ansicht der Kultusminister*innen-Konferenz (KMK) bundesweit mehr als 25.000 Lehrkräfte im Jahr 2025 fehlen.
Multiprofessionalität bisher nicht im Fokus
Eine positive Schulumgebung könne dazu beitragen, Verhaltensprobleme wie Mobbing und Aggressionen zu reduzieren. Durch Fachkenntnisse eines multiprofessionellen Teams könnten frühzeitig Anzeichen von psychischen Problemen bei Schüler*innen erkannt und niedrigschwellig Unterstützung angeboten oder an externe Beratungszentren weitervermittelt werden, heißt es im Schulbarometer. Multiprofessionalität indessen wird als Schlagwort nicht weiter im Barometer erwähnt. Aus Perspektive der schulbezogenen Jugendsozialarbeit ist das ein Problem des Systems Schule. Zu einseitig wird auf Lehrkräfte gesetzt, um die wachsenden Herausforderungen zu bewältigen. Im Barometer äußern 57 % der Lehrkräfte, dass die psychosoziale Unterstützung an der Schule ausreichend sei, zugleich beobachten 47 % psychische und physische Gewalt unter Schüler*innen.
Skepsis bei der Inklusion
Eher schlechte Noten gibt es für Umfang und Qualität der Förderangebote an der Schule. Die Lehrkräfte tendieren zur 3 bis 4. Weniger als die Hälfte denkt zudem, dass eine inklusive Beschulung gewinnbringend für alle Schüler*innen sei. Dennoch meinen gut zwei Drittel, in ihrem Unterricht flexibel auf unterschiedliche Lernbedürfnisse einzugehen.
Zum Hintergrund des Schulbarometers
Im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung liefert das Deutsche Schulbarometer jährlich Befragungen von Lehrkräften an allgemein- und berufsbildenden Schulen in Deutschland. In der repräsentativen Erhebung werden aktuelle Herausforderungen und dringendste Bedarfe an der eigenen Schule, das Belastungserleben und die berufliche Zufriedenheit, der Umgang in Schule mit Heterogenität und Digitalisierung sowie besuchte Fortbildungen, die Feedbackkultur und die Zusammenarbeit im Kollegium analysiert.
Quellen: Robert Bosch Stiftung/Deutsches Schulbarometer; Kultusminister*innen-Konferenz