Auszüge aus der Jacobs-Krönung-Studie „Chatroom Familie: Die Brücke
zwischen den Generationen“:
“ Der rasche soziale Wandel in der modernen Gesellschaft führt zu einer starken Auseinanderentwicklung der Lebenswelten der verschiedenen Generationen. Auch subjektiv hat eine breite Mehrheit das Gefühl, dass die Ansichten, Einstellungen und Prioritäten der verschiedenen Altersgruppen heute sehr unterschiedlich sind. So sehen rund drei Viertel der Bevölkerung starke oder sogar sehr starke Unterschiede zwischen den Lebenswelten Jugendlicher bzw. junger Erwachsener und deren Elterngeneration.
Exemplarisch lässt sich diese Auseinanderentwicklung an der Nutzung neuer Informationsmedien und Kommunikationsmöglichkeiten ablesen: Hier war die junge Generation in den letzten Jahrzehnten stets Avantgarde, hat sich zuerst der neuen technischen Optionen bemächtigt. Der Anteil der Internetnutzer liegt unter den 14- bis 29-Jährigen mit 94 Prozent auch heute noch deutlich über der Nutzerreichweite in der Gesamtbevölkerung. Ähnliches gilt für die
Nutzung sozialer Netzwerke im Internet. Entsprechend sind die Fertigkeiten zur Nutzung und die Kenntnisse über die Möglichkeiten dieser neuen Medien in der jungen Bevölkerung ungleich verbreiteter als in höheren Altersgruppen.
So sind 84 Prozent der 14- bis 17-Jährigen der eigenen Einschätzung nach über die Möglichkeiten, die soziale Netzwerke im Internet bieten, auf dem Laufenden, von den 30- bis 44-Jährigen dagegen nur 37 Prozent und von den Ab-60-Jährigen
kaum jemand. …
Vor dem Hintergrund einer wachsenden Differenzierung der Lebenswelten der verschiedenen Generationen nimmt aber auch die Bedeutung des Austauschs zwischen den Generationen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu. Der intergenerationelle Austausch muss Brücken zwischen sich fremder werdenden Lebenswelten bauen um die Verständigungsfähigkeit innerhalb der Gesellschaft zu sichern. Wie schwierig die Sicherung des intergenerationellen Austauschs ist, belegt ein Befund aus der ersten Studie der Jacobs Krönung-Studienreihe. Hier hatte sich gezeigt, dass Kommunikation ganz überwiegend innerhalb von Generationen, ungleich seltener über Generationsgrenzen hinweg stattfindet. Und wenn sich Angehörige verschiedener Altersgruppen miteinander austauschen, dann noch am häufigsten solche aus angrenzenden Altersgruppen, weniger dagegen über mehrere Generationen hinweg. Gleichzeitig wird auch kaum der Wunsch nach mehr Kommunikation mit Personen anderer Altersgruppen artikuliert, weder von Jugendlichen, noch von Personen aus mittleren oder höheren Altersgruppen. In dieser Situation – …. – gewinnt die Familie als sozialer Ort des Austausches von nachwachsender und mittlerer Generation an Bedeutung. …
Intensiver Austausch zwischen Eltern und ihren jugendlichen Kindern
… Innerfamiliär tauschen sich Eltern und ihre jugendlichen Kinder vergleichsweise intensiv aus. Rund die Hälfte der Eltern 14- bis 17-jähriger Kinder unterhält sich täglich oder sogar mehrmals täglich länger mit dem Nachwuchs, weitere 36 Prozent zumindest mehrmals in der Woche. Werden die Kinder älter, nimmt die Gesprächshäufigkeit etwas ab. Eltern 18- bis 24-jähriger Kinder sprechen nur zu einem Drittel täglich ausführlicher mit den eigenen Kindern, was auch damit zusammenhängt, dass rund ein Drittel der 18- bis 24-Jährigen nicht mehr zu Hause bei den Eltern wohnt.
Mütter sind dabei deutlich kommunikativer als Väter: Während sich 56 Prozent der Mütter täglich ausführlich mit ihren jugendlichen Kindern austauschen, führen in gleicher Regelmäßigkeit nur 37 Prozent der Väter solche Gespräche. Dass Väter in höherem Anteil vollzeitberufstätig und damit weniger zu Hause sind, spielt für diesen Unterschied offenbar keine wichtige Rolle. Die Unterschiede zeigen sich zwischen vollzeitberufstätigen Vätern und Müttern in praktisch gleicher Weise wie zwischen Vätern und Müttern insgesamt. Solche geschlechtsspezifischen Unterschiede in der innerfamiliären Kommunikationshäufigkeit zeigen sich auch schon bei den Kindern: Auch Töchter sprechen tendenziell häufiger ausführlich mit ihren Eltern als Söhne.
Die Häufigkeit des Austausches zwischen Eltern und Kindern unterscheidet sich auch in den verschiedenen sozialen Schichten: In höheren sozialen Schichten unterhaltensich Eltern und ihre Kinder häufiger auch mal länger als in einfachen Gesellschaftsschichten.
Der Austausch von Eltern und Kindern über SMS und soziale Netzwerke
Um sich mit ihren jugendlichen Kindern auszutauschen, haben die meisten Eltern auch keine Scheu, moderne Kommunikationsmittel zu nutzen. So nutzt die Mehrheit der Eltern 14- bis 17-jähriger Kinder mindestens gelegentlich SMS oder andere Kurznachrichtendienste für diesen Zweck, darunter 25 Prozent sogar häufig. Lediglich 14 Prozent der Eltern nutzen dieses Medium nie zum Informationsaustausch mit den eigenen Kindern. Auch über diesen Kanal kommunizieren Mütter häufiger als Väter mit ihren Kindern: Rund jede dritte Mutter hat häufigen SMS-Austausch mit den Kindern, dagegen nur 18 Prozent der Väter.
Facebook und andere soziale Netzwerke haben dagegen für die innerfamiliäre Kommunikation nur eine geringe Bedeutung. Lediglich 11 Prozent der Eltern tauschen mit ihren 14- bis 17-jährigen Kindern Nachrichten über Facebook & Co. aus, darunter lediglich 1 Prozent häufig. …
Statt Medium für den Austausch zwischen Eltern und Kindern, ist Facebook aus Elternsicht eher Störenfried in der Familie. So berichtet die Mehrheit der Eltern, dass die Facebook-Nutzung ihrer jugendlichen Kinder in der Vergangenheit schon das Familienleben gestört habe. Dies war zwar bislang in nur 5 Prozent der Familien, in denen ein Kind Mitglied bei Facebook ist, häufig der Fall, in immerhin zusammen 27 Prozent hat der Familienfrieden aber mindestens gelegentlich gelitten. …
Jenseits des Wissenstransfers: die Familie als Brücke zwischen den Lebenswelten
Der Effekt innerfamiliärer Gespräche, Verständnis für die Lebenswelt der Jugendlichen in der Elterngeneration zu schaffen, wird auch subjektiv von Angehörigen höherer Altersgruppen am häufigsten zurückgespielt, wenn es ganz allgemein um die Gratifikationen von Gesprächen mit Jugendlichen geht. 58 Prozent der Personen ab 30 Jahren sehen den Nutzen solcher Gespräche darin, Menschen dieser Generation besser verstehen zu können.
Dass ein gegenseitiges Verständnis der verschiedenen Generationen füreinander nicht selbstverständlich ist, zeigen Befunde zur Unterschiedlichkeit der Lebenswelten von Jugend und mittlerer Generation. Rund drei Viertel der Bevölkerung beurteilen die Unterschiede zwischen den Lebenswelten von Jugendlichen und der mittleren Generation als stark oder sogar sehr stark. Das sehen sowohl die Elterngeneration als auch die Jugendlichen so, und auch die Urteile von Eltern und Kinderlosen unterscheiden sich hier nur wenig.
Im Vergleich dazu werden die Unterschiede der Lebenswelten innerhalb der eigenen Familie als weniger stark beurteilt. Eltern 14- bis 17-jähriger Kinder sehen „nur“ zu einem Drittel sehr starke oder starke Unterschiede zwischen der eigenen Lebenswelt und der ihrer jugendlichen Kinder. Aus Sicht der Jugendlichen unterscheidet sich die eigene Lebenswelt von der ihrer Eltern zwar etwas deutlicher. Aber auch sie sehen in dieser Frage geringere Unterschiede zwischen sich und den eigenen Eltern als zwischen junger und mittlerer Generation im Allgemeinen. Innerhalb der Familie wird eine größere Nähe zwischen den Generationen empfunden als generell in der Gesellschaft.
Der Familie gelingt es in hohem Maße, diese Kluft zwischen den Lebenswelten der Generationen zu überbrücken, wohingegen Jugendliche Kinderlosen in hohem Anteil ein Rätsel sind. Rund der Hälfte der Hälfte der 40- bis 54-jährigen Kinderlosen sind die heutigen Jugendlichen, ihre Gedankenwelt und Motivationen in einer Weise fremd geworden, dass es ihnen schwer fällt, sie zu verstehen. Eltern 14- bis 17-Jähriger geht das nur zu einem Viertel so, Eltern, die sich täglich mit ihren Kindern austauschen nur zu 20 Prozent.
Darüber hinaus zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Eltern und Kinderlosen, wenn es um die Veränderung der Sprache, das Verständnis neuer Wörter und Begriffe geht. Auch diese Entwicklungen empfinden Kinderlose in deutlich höherem Anteil als Eltern als unübersichtlich und fremd. …“
Die Studie ist der fünfte Teil einer 2009 aufgelegten Studienreihe. Dabei untersucht das Allensbacher Institut der Wahrnehmungen, Einstellungen und das Verhalten der Bevölkerung im Zusammenhang mit ihrer Beziehungskultur.
www.jacobskroenung-studie.de
Quelle: Institut für Demoskopie Allensbach
Dokumente: Berichtsband_Jacobs_Kroenung_Studie_2013.pdf