Um in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung mithalten zu können, werden wir alle lebenslang lernen, Qualifikationen immer wieder auffrischen oder sogar einen neuen Beruf erlernen müssen. Aber wer zahlt die Kosten? Jede*r für sich – weil anschließend mehr zu verdienen ist? Oder der Staat – weil ein öffentliches Interesse besteht, kostenträchtige Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden, Fachkräftemangel zu beheben oder Strukturkrisen zu heilen? Diesen Fragen ist Prof. Dr. Gerhard Bosch vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE) auf den Grund gegangen und hat Reformvorschläge zur öffentlichen Finanzierung von Weiterbildung ausgearbeitet.
Förderinstrumente im internationalen Vergleich
Bosch hat Stärken und Schwächen unterschiedlicher Förderinstrumente an Hand der Erfahrungen in Schweden, Frankreich und Österreich und ihre Anschlussfähigkeit an die deutsche Förderkulisse untersucht. Bosch plädiert dafür, an bestehende Strukturen anzuknüpfen und diese weiterzuentwickeln: Für Weiterbildung gibt es hier Leistungen einerseits nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG), auch „Meister-BAföG“ genannt, und andererseits durch die Arbeitsmarktpolitik, also die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter. Mit diesen beiden „großen Tankern“ verfüge Deutschland über in der Bevölkerung bereits gut bekannte und etablierte Systeme.
Förderlücken behoben – Stellschrauben anziehen
Der Forscher bemängelt Förderlücken in bestehenden Systemen. So z. B. starre Altersgrenze von 30 Jahren im BAföG. Wer aus eigener Initiative als Erwachsener über dieser Altersgrenze einen Berufs- oder Schulabschluss nachholen will, würde nicht gefördert. Zudem sei die Wende in der deutschen Arbeitsmarktpolitik hin zu einer investiven Weiterbildungsförderung noch nicht abgeschlossen. Für die Weiterbildung im Rahmen des zu erwartenden massiven Strukturwandels infolge der Digitalisierung, der Energiewende und dem Ausbau der Elektromobilität fehlten noch Konzepte. Mit einer überschaubaren Anzahl von Stellschrauben ließen sich die beiden BAföG-Systeme und die Arbeitsmarktpolitik zu einem schlüssigen öffentlichen Fördersystem für lebenslanges Lernen ausbauen, schlägt Bosch vor. Dazu sollten u.a. die Altersgrenzen im BAföG aufgehoben und die Förderzwecke um die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und die Zertifizierung informell erworbener Kompetenzen erweitert werden. Zudem sollte eine zweite Berufsausbildung unterstützt werden, wenn der erlernte Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann, und eine Weiterbildungs-Teilzeit ermöglicht werden. Wer arbeitslos sei und sich qualifiziere, müsse ein Weiterbildungsgeld erhalten, das deutlich über dem Arbeitslosengeld liegt. Weiter schlägt Bosch ein Fachkräftestipendium nach österreichischem Vorbild für eine Berufsausbildung in Mangelberufen vor, einen Weiterbildungsfonds in der Leiharbeitsbranche, ein Transformationskurzarbeitergeld sowie das Recht auf Freistellung für Vollzeit- oder Teilzeitmaßnahmen.
Quelle: Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen