Die Bertelsmann Stiftung legt eine neue Studie des Bildungsforschers Klaus Klemm zur Umsetzung der Inklusion an deutschen Schulen vor: Bundesweit geht die Exklusionsquote zurück. Allerdings gibt es regional erhebliche Unterschiede. Auch wenn in immer weniger Bundesländer Kinder mit Lernhandicaps auf Förderschulen gehen, gibt es noch viel zu tun. Denn vielerorts werden Lehrkräfte noch zu wenig dabei unterstützt, mit dieser steigenden Vielfalt in den Klassen umzugehen. Nur wenn die Lehrkräfte in den Regelschulen für Inklusion gewonnen und qualifiziert werden, wird sich die positive Entwicklung fortsetzen. Deshalb ist mehr sonderpädagogische Kompetenz in den Kollegien erforderlich.
Mehr Inklusion geht nur langsam
Die vorliegende Analyse der aktuellen Zahlen zur Inklusion in den Bundesländern von Professor Klaus Klemm macht zweierlei deutlich. Erstens zeigt sich mittlerweile, dass der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die noch Förderschulen besuchen, in Deutschland zurückgeht: Heute sind es gut vier von 100 Schüler*innen, die getrennt von den anderen Schüler*innen ohne Förderbedarf lernen, im Schuljahr 2008/09 – im Jahr der Ratifikation des UN-Konvention, in der sich Deutschland zur Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems verpflichtet hat – waren es knapp fünf von 100 Schüler*innen. Die Bertelsmann Stiftung bewertet den Rückgang der Exklusionsquote von 4,9 auf 4,3 Prozent als Fortschritt. Zweitens zeigen die Zahlen, dass der Grund für diese positive Entwicklung vor allem in der Inklusion der Schüler*innen mit dem Förderbedarf Lernen liegt: Besuchten 2008 bundesweit noch zwei von 100 Schüler*innen eine Förderschule für Lernen, ist es heute nur noch einer. diese fand in allen Bundesländern statt, wenngleich in unterschiedlichem Umfang. Aus Sicht der Bertelsmann Stiftung findet Deutschland damit Anschluss an internationale Standards.
Die Auftraggeber der Studie lassen in ihrem Vorwort auch die öffentlichen Kontroversen um das gemeinsame Lernen von Inklusion nicht unerwähnt und bemängeln die fehlende Sonderpädagogische Kompetenz in den Lehrerkollegien. Länder, die bei der Inklusion weit fortgeschritten seien, hätten für Lehrkräfte effektive Strukturen etabliert – wie etwa die Zentren für unterstützende Pädagogik in Bremen oder die Förderzentren Lernen in Schleswig-Holstein. Davon könnten Länder, die jetzt an „Inklusionsmoratorien“ denken, lernen.
Regionale Unterschiede
Betrachtet man die Entwicklung der Exklusionsquoten in den einzelnen Bundesländern, sind erhebliche Unterschiede festzustellen. Besonders niedrig sind die Anteile der separat in Förderschulen beschulten Schüler*innen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und in den Stadtstaaten: Hier ist die Exklusionsquote stark gesunken, insbesondere in Bremen. Entgegen dem Bundestrend sind die Exklusionsquoten in Südwestdeutschland zwischen 2008 und 2017 sogar gestiegen: In Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gehen wieder mehr Kinder auf eine Förderschule. In Ostdeutschland hingegen geht die Exklusionsquote prozentual erheblich zurück. In Nordrhein-Westfalen und Hessen gab es moderate Rückgänge, im Saarland dagegen nur kleine.
Damit kann von bundesweit vergleichbaren Chancen von Förderschüler*innen immer noch keine Rede sein. Um die regionalen Unterschiede bei der Inklusion in Deutschland zu verringern, fordert die Bertelsmann Stiftung bundesweit einheitliche Qualitätsstandards.. Diese zu entwickeln sieht sie als Aufgabe eines nationalen Bildungsgrates in Zusammenarbeit mit den Bundesländern.
Quelle: Bertelsmann Stiftung