Integration und Teilhabe für Langzeitarbeitslose

Die Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlicht eine Expertise zur öffentlich geförderten Beschäftigung: Öffentlich geförderte Beschäftigung zählt zu den klassischen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten. Neben beschäftigungsbegleitenden Maßnahmen zählen dazu auch beschäftigungsschaffende Angebote (z.B. Arbeitsgelegenheiten). Die Expertise bilanziert die Wirkungen einzelner Maßnahmearten und entwickelt ein abgestuftes Konzept öffentlich geförderter Beschäftigung.

Drei Stufen: Lohnkostensubventionen, Beschäftigung schaffende Maßnahmen, sozialer Arbeitsmarkt

Dieses besteht aus den drei Komponenten Lohnkostensubvention, befristete Beschäftigung schaffende Maßnahmen und einem sozialen Arbeitsmarkt. Einstellungssubventionen sprechen Arbeitslose an, die mit relativ geringer Unterstützung wieder in reguläre Beschäftigung integriert werden können. Beschäftigung schaffende Maßnahmen richten sich an einen Personenkreis mit großen individuellen Vermittlungshemmnissen. Bei der Einrichtung eines sozialen Arbeitsmarktes – für einen engen Personenkreis arbeitsmarktferner Arbeitsloser – ist ein „Creaming“ zu vermeiden, da es dem Instrument sowie fälschlicherweise zugewiesenen Personen schaden kann.

Auszüge aus dem Konzeptvorschlag der „Expertise des Öffentlich geförderte Beschäftigung“ von Susanne Koch und Peter Kupka im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung:

„(…) Aus der bisherigen Evaluation der unterschiedlichen Formen öffentlich geförderter Beschäftigung ergibt sich, dass eine möglichst enge Orientierung der Maßnahmen an regulärer Beschäftigung von Vorteil ist. Dadurch werden nicht nur die Chancen auf einen Integrationserfolg und die Vermeidung der Abhängigkeit von Transferleistungen gesteigert, sondern – auch wenn die Evidenz hierfür vorläufig ist – auch für die Teilhabe und psychosoziales Wohlbefinden der Teilnehmerinnen und Teilnehmer verbessert. Allerdings eignen sich nicht alle Personen sofort für eine Beschäftigungsaufnahme am ersten Arbeitsmarkt, selbst wenn Produktivitätsnachteile durch eine Lohnkostensubvention abgemildert werden. Deshalb gehören ins Instrumentenportfolio neben Lohnkostensubventionen an private Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auch befristete Beschäftigung schaffende Maßnahmen bei Trägern sowie ein sozialer Arbeitsmarkt mit der Möglichkeit längerfristiger Beschäftigungsverhältnisse.

Je weiter entfernt die Maßnahmen aber von regulärer Beschäftigung sind, desto wichtiger ist es, dass sie auf Fortschritte in der Beschäftigungsfähigkeit reagieren können und auch eine Durchlässigkeit in reguläre Beschäftigung enthalten. Dies setzt entsprechende Konzepte bei den Trägern der Maßnahmen voraus, die genau auf die jeweilige Problematik der Teilnehmerinnen und Teilnehmer abgestimmt sind. (…)

Bestandteil einer durchgehenden, abgestimmten Begleitung wäre aus unserer Sicht auch eine flankierende Qualifizierung und ggf. sozialpädagogische Betreuung. Gerade die Ergebnisse, die zeigen, dass Beschäftigung schaffende Maßnahmen für Personen mit mehreren Vermittlungshemmnissen besonders erfolgreich waren, deuten darauf hin, dass die Maßnahmen so ausgestaltet werden sollen, dass sie die vorhandenen Hemmnisse auch tatsächlich adressieren. Qualifizierende Elemente sind im Zusammenhang mit Arbeitsgelegenheiten immerhin möglich und waren auch für den Beschäftigungszuschuss in geringer Höhe vorgesehen. (…)

Förderpyramide

Für die Frage, welche Maßnahme für welche Person geeignet ist, gilt es handhabbare Kriterien zu entwickeln. (…) Voraussetzung hierfür ist aber, dass wirklich alle relevanten Faktoren, die eine Integration in Beschäftigung begünstigen oder erschweren, im Betreuungsprozess frühzeitig erkannt werden. (…)

Allerdings sind datenschutzrechtliche Hürden zu beachten, die verhindern, dass Informationen über Krankheiten oder psychische Probleme dokumentiert und damit für die Fallbearbeitung verwendet werden können. Nach der Logik, die Maßnahmen der Beschäftigungsförderung nach Arbeitsmarktnähe gestaffelt einzusetzen, ergäbe sich, dass sich die Fallbearbeitung zu Beginn der Arbeitslosigkeit auf vermittlungsunterstützende oder qualifizierende Instrumente beschränken sollte, sofern keine Tatsachen bekannt sind, die die Vermittlungsfähigkeit von vornherein deutlich beeinträchtigen.

Als erste Stufe geförderter Beschäftigung kämen dann Einstellungssubventionen bei privaten Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern in Frage, z.B. nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit. Diese sollten mit kurzen Förderdauern und geringer Höhe beginnen. Wo es notwendig ist, sollte diese Förderung Qualifikations-Bestandteile enthalten. In der zweiten Stufe wären befristete Beschäftigung schaffende Maßnahmen bei Trägern einzusetzen. Ziel wäre hier die Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitslosen zu erhöhen, die zwar unmittelbar nicht in reguläre Beschäftigung integriert werden können, bei denen aber mittelfristig Entwicklungspotenzial gesehen wird. Die dritte Stufe bestünde in einem sozialen Arbeitsmarkt, der vor allem Teilhabemöglichkeiten für auch längerfristig nicht in reguläre Beschäftigungsverhältnisse integrierbare Personen schaffen sollte.

(…) Die Zuordnung zu den Stufen setzt immer eine differenzierte Einschätzung des Arbeitslosen auf der Basis einer Standortbestimmung bzw. des Profilings voraus. Dies hat den Charakter einer Momentaufnahme. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass die Zuordnung zu den Stufen Teil eines längeren Prozesses ist, so dass z. B. eine Person sich in einer Maßnahme der befristeten Beschäftigung soweit stabilisieren kann, dass sie in der Folge durch eine Einstellungssubvention integriert werden kann. (…)

Stufe 3: Sozialer Arbeitsmarkt

Maßnahmen des sozialen Arbeitsmarktes sind für Personen gedacht, die auch in einer mittel- bis langfristigen Perspektive eine sehr ungünstige Prognose für die Aufnahme einer ungeförderten Beschäftigung haben. (…)

Die Zielgruppe für unbefristete öffentliche Beschäftigung sind Personen über 25, die mindestens zwei Jahre arbeitslos sind und mindestens eins der beiden oben genannten Vermittlungshemmnisse aufweisen – also Personen, bei denen eine Integration in den Arbeitsmarkt mittelfristig als sehr unwahrscheinlich anzusehen ist. Jüngere Arbeitslose kommen für unbefristete öffentliche Beschäftigung eher nicht in Frage, da bei ihnen eher der Qualifikationsaufbau gefördert werden sollte. (…)

Im Grunde gilt für den sozialen Arbeitsmarkt das Gleiche wie für andere Beschäftigung schaffende Maßnahmen, nur in zugespitzter Form. Die genaue Einhaltung der Zielgruppe ist besonders wichtig, weil diese Maßnahmen einem besonderen Widerspruch unterliegen: aus der Perspektive der Entwicklung von Beschäftigungsfähigkeit bzw. zur Schaffung von Verlässlichkeit, die den negativen Folgen der Arbeitslosigkeit entgegenwirkt, benötigen die Maßnahmen eine gewisse Dauer. Andererseits entsteht dadurch ein besonders ausgeprägter Lock-in-Effekt, der umso gravierender wirkt, je weniger auf die strenge Einhaltung der Zuweisungskriterien geachtet wird. Dies wäre besonders bei unbefristeten Maßnahmen fatal, weil es auf diese Weise zu dauerhaft subventionierten Beschäftigungsverhältnissen käme. Der Lock-In-Effekt wäre auf Dauer gestellt und die Anzahl der benötigten Plätze würde durch die nachrückenden Förderfälle kontinuierlich wachsen. Außerdem wären viele Arbeitslose, ohne dass es tatsächlich zuträfe, mit dem Stigma „nicht vermittelbar“ behaftet. (…)

Bei Maßnahmen des sozialen Arbeitsmarktes ist zu berücksichtigen, dass sie nicht im Sinne der Steuerungslogik „wirtschaftlich“ sind. Sie stellen zudem insofern einen Systembruch mit der Logik des SGB II dar, als sie dezidiert nicht auf Integration abzielen (diese allerdings auch nicht ausschließen wollen). Ihr Ziel ist es, Menschen ihre Würde zurückzugeben, ihnen Stabilität, soziale Kontakte, eine Tagesstruktur und darüber hinaus das Gefühl zu geben, an der Gesellschaft teilzuhaben. Vielfach ist die Auffassung geäußert worden, dass dies am ehesten durch eine tarifliche Bezahlung und eine Orientierung an einer Vollzeitstelle zu verwirklichen ist. Wir halten dem entgegen, dass der in Frage kommende Personenkreis oft nicht zu einer Vollzeitbeschäftigung in der Lage sein wird und dass es nicht sein kann, gerade bei einem sozialen Arbeitsmarkt diejenigen auszuschließen, die den Anforderungen eines Acht-Stunden-Arbeitstages nicht gewachsen sind. (…)

Offene Fragen

Mit einem abgestuften Förderkonzept für Arbeitslose, sich an ihren Fähigkeiten und Vermittlungshemmnissen, also an ihrer „Arbeitsmarktnähe“, orientiert (…) ist allerdings ein Grundproblem des Arbeitsmarktes nicht gelöst, das eine strukturelle Dimension hat. Seit Jahrzehnten nimmt der Anteil an Arbeitsstellen in den Volkswirtschaften der Industrieländer ab, die nur geringe Qualifikationen erfordern. Gleichzeitig bleibt – und wächst zum Teil – ein Sockel von Personen, die nicht über die erforderlichen Grundvoraussetzungen verfügen, um anspruchsvollere Tätigkeiten ausüben zu können und die man auch nicht ohne weiteres hierfür qualifizieren kann. Die Lösung dieses Problems allein der Arbeitsmarktpolitik aufzuerlegen, würde sie sicher überfordern. Vielmehr wäre hier wirtschafts- und fiskalpolitische Phantasie gefragt, die einen Beschäftigungssektor mit einfachen und entsprechend niedrig entlohnten Tätigkeiten so ausgestaltet, dass ein auskömmlicher Lohn zumindest für Einzelpersonen erzielt werden kann. (…)

Offen bleibt in den Überlegungen, wie es den Teilnehmern am unteren Ende wieder gelingen kann, die oberen Regionen der Pyramide zu erklimmen. Aus dem sozialen Arbeitsmarkt wird dies (…) nur wenigen gelingen, dafür ist dieser auch nicht geschaffen. Beschäftigungsmaßnahmen sollten aber auch weiterhin das Ziel der Integration in ungeförderte Beschäftigung verfolgen. Dies wird aber in vielen Fällen einen langen Atem erfordern und setzt eine planvolle Abfolge von Maßnahmen voraus, in deren Ablauf und Zielsetzung die Arbeitslosen unbedingt einzubeziehen sind. (…)

Fazit

Die bisherigen Erfahrungen und Evaluationsergebnisse zu öffentlich geförderter Beschäftigung lassen es sinnvoll erscheinen, eine Zwischenbilanz zu ziehen und Eckpunkte eines Konzepts zu erarbeiten, das nicht von einzelnen Maßnahmen ausgeht, sondern von den Möglichkeiten und Perspektiven der betroffenen Personen. (…) In diesem Sinne will der vorgelegte Beitrag die oft um einzelne Maßnahmen kreisende Diskussion öffnen und Vorschläge für eine umfassendere und gleichzeitig präzisere Konzeption öffentlich geförderter Beschäftigung machen.

Geförderte Beschäftigung kann einen Beitrag zum Funktionieren und zur Entlastung des Arbeitsmarktes leisten, aber keinen Marktersatz in der Größenordnung der Arbeitsplatzverluste bereitstellen. Einstellungssubventionen sprechen dabei eine Gruppe von Arbeitslosen an, die mit relativ geringer Unterstützung wieder in reguläre Beschäftigung integriert werden können. Beschäftigung schaffende Maßnahmen richten sich dagegen an einen Personenkreis, bei dem die individuellen Vermittlungshemmnisse so groß sind, dass ohne Intervention eine Integration sehr unwahrscheinlich erscheint. Alle Evaluationsergebnisse zeigen, dass die Maßnahmen dann am erfolgreichsten sind, wenn sie sich tatsächlich an die Klientel richten, die angezielt ist. Zuweisungsprozesse, die die Kriterien aufweichen, schaden in aller Regel den Integrationschancen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, verschlechtern damit die Wirkung der Maßnahme und entziehen ihr möglicherweise die Legitimation. Besondere Vorsicht ist bei Maßnahmen angebracht, die lange Förderdauern mit relativ guter Ausstattung verbinden. Diese Eigenschaften eines „sozialen Arbeitsmarktes“, die zur Verbesserung der Teilhabe eines engen Personenkreises arbeitsmarktferner Arbeitsloser gedacht waren, können im Falle von „Creaming“ dazu führen, dass die Maßnahme den tatsächlich zugewiesenen Personen nachhaltig schadet. (…)“

Quelle: WISO Diskurs – Friedrich-Ebert-Stiftung

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