Die Situation von Jungen in Deutschland

Autor Michael Cremers legt mit seinem umfassenden Werk eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse neuer Daten und Studienergebnisse zu den Themen Schule, duale und vollzeitschulische Ausbildung, Arbeitsmarkt, Männlichkeitsvorstellungen sowie Möglichkeiten der geschlechtsbezogenen Pädagogik vor. Die hier ebenfalls vorgestellten Ergebnisse von „Neue Wege für Jungs“ machen dabei Mut, denn sie zeigen eines ganz deutlich: Jungen sind offen für neue Lebensentwürfe und Rollenmuster.

„Männlichkeitsdruck“ beeinflusst Leistungsbereitschaft und Berufswahl von Jungs

Dennoch ist viel zu tun. Der „Männlichkeitsdruck“ ist in der Schule scheinbar besonders hoch. Das Engagement für gute Leistungen gilt als unmännlich. Ebenso berufliches Interesse von Jungen für frauentypische Berufe. Jugendliche achten bei der Berufswahl nicht nur auf die Tätigkeit und deren Inhalte, sondern vor allem darauf, wie die Peergroup auf den jeweiligen Beruf reagiert. Eine geschlechtsuntypische Berufswahl bedeutet in der Regel einen Verlust in der Außendarstellung. Dabei gehen Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten in traditionell männlich dominierten Sektoren kontinuierlich zurück. Um zur Gleichberechtigung der Geschlechter beizutragen, ist die Aufwertung weiblich konnotierter Kompetenzen sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen unerlässlich. Dabei handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Rollenbilder reflektieren und den Weg auch in weiblich dominierte Berufe finden

Ziel der Expertise ist es, Hilfestellung bei der Umsetzung von Gleichstellungspolitik zu leisten: Zum einen sollen Personengruppen, die mit Jungen an der Schnittstelle Schule/Beruf arbeiten, in die Lage versetzt werden, angemessene Strategien zu entwickeln, die die Partizipation von Jungen in Berufen fördern, in denen quantitativ betrachtet Frauen dominieren. Zum anderen soll der Blick auf gesellschaftliche Bilder von Jungen/Männern/Männlichkeit und Erwartungen an Jungen/Männer/Männlichkeit gelenkt werden, um diese mit den Jungen gemeinsam in einer angemessenen Weise zu reflektieren. Folgendes feministisch-emanizipatorisches Credo sollte für die politischen und pädagogischen Zielsetzugen handlungsleitend sein: „Eine moderne Gleichstellungspolitik zielt auf eine neue Arbeitsteilung ab, in der sich Männer und Frauen diese Arbeiten gerechter teilen. Und davon können alle profitieren. (Denn) Gleichstellungspolitik (ist) kein Nullsummenspiel, bei dem nur dann jemand gewinnen kann, wenn einem anderen etwas weggenommen wird. Im Gegenteil gewinnen alle an Entscheidungsfreiheit, wenn die strukturellen Zwänge überwunden werden, die Menschen in Geschlechterrollen drängen. Sich von dem Druck zu befreien, Rollen erfüllen zu müssen und die Strukturen zu kritisieren, die diesen Druck erzeugen – das bedeutet (…) Emanzipation und (…) ist ein Ziel von Feminismus.“

Auszüge aus der Expertise Boys’Day – Jungen – Zukunftstag / Neue Wege in der Berufsorientierung und im Lebensverlauf von Jungen von Michael Cremers:

Die wichtigsten Ergebnisse der Expertise

„Die (…) Daten und Studienergebenisse weisen eine geschlechtersegregierte Berufswahl bei Männern und Frauen nach. Diese geschlechtersegregierte Berufswahl wird nicht nur durch Selektionsmechanismen des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes, sondern auch durch kulturell verankerte Geschlechterstereotype der jungen Frauen und Männer hervorgerufen und kontinuierlich reproduziert. Neben den arbeitsmarktinternen Strukturen dürfen geschlechtsbezogene Aspekte nicht vernachtlässigt werden, um den Kreislauf der Geschlechtersegregation auf dem Arbeitsmarkt zu durchbrechen und den Erfolg von Förderprogrammen zur stärkeren Partizipation von Mädchen und Jungen in sogenannten Männer- und Frauenberufen zu gewährleisten.

  • Schule
    Grundsätzlich ist festzuhalten, dass das Bildungsniveau in den vergangenen Jahrenzehnten im Vergleich zu den vorherigen Generationen insgesamt gestiegen ist, und bei beiden Geschlechtern lässt sich – betrachtet nach absoluten Zahlen – in den vergangenen Jahren ein immer größerer Trend zum Gymnasium konstatieren, der sich bei den Mädchen schneller fortsetzt als bei den Jungen. Allerdings – wenn es um den Anteil der Hochschulberechtigten pro Jahrgang geht – schneidet die Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich eher schlecht ab.

    Der Bildungsverlauf von Schülerinnen und Schülern ist seit längerer Zeit dadurch gekennzeichnet, dass Jungen im Durchschnitt schlechtere Schulleistungen und Abschlüsse erreichen als Mädchen.

    Die Schulleistungsvergleichsstudien zeigen, dass Jungen eine wesentlich heterogenere Leistungsgruppe als Mädchen bilden, da sie nicht nur bei den Risikoschülerinnen und -schülern, sondern auch in der Gruppe der sehr erfolgreichen Schülerinnen und Schüler zahlenmäßig überwiegen.

    Die Bildungschancen im deutschen Schulsystem verteilen sich allerdings nicht in erster Linie nach Geschlecht, sondern einerseits nach Schichtzugehörigkeit und andererseits nach staatlicher bzw. ethnischer Zugehörigkeit. (…)

    Im Kontext der Diskussion um die ersten PISA-Ergebenisse wurde die These populär, dass eine „verweiblichte“ Schulkultur für die schlechteren Schulleistungen der Jungen verantwortlich sei. Aktuelle Studien und die empirische Tatsache, dass Mädchen auch in den alten Bundesländern und in der DDR bessere Schulleistungen erbrachten, also zu einer Zeit, als der Anteil an männlichen Lehrkräften noch wesentlich höher lag, stellen diese Interpretation der Daten zumindest in Frage. (…)

    Der „Männlichkeitsdruck“ ist in der Schule anscheinend besonders hoch. Die Jungen selbst stellen einen Zusammenhang zwischen der Institution Schule und ihrem Verhalten her und weisen explizit darauf hin, dass sie sich im Hinblick auf Freundlichkeit, Respektlosigkeit bzw. Lernfähigkeit in teilöffentlichen Situationen einer Gruppe an der Schule bzw. in der Klasse anders verhalten, als wenn sie sich einzeln, privat und außerhalb der Schule begegnen.

    Nicht schulische Erfolge an sich gelten als unmännlich, sondern die Bereitwilligkeit sich für diese Leistungen zu disziplinieren und hart zu arbeiten. Männlichkeit wird über die Selbst- und Fremdzuschreibung von ’natürlicher Intelligenz‘ und einer cool-lässigen, beinahe verachteten Haltung gegenüber schulischen Anforderungen ausgehandelt. Als Abgrenzungsfolie fungieren Schüler, die für ihre Erfolge hart und diszipliniert arbeiten. Diese gelten bei den anderen Schülern als ‚uncool‘ und damit als weniger männlich und bilden zusammen mit den Mädchen ein weiblich konotiertes Gegenüber. (…)

  • Duale und vollzeitschulische Ausbildung
    Bereits in der Kindheit entwickeln Mädchen und Jungen Vorstellungen von ihrem späteren Beruf. Je früher Kinder danach befragt werden, desto geschlechtstypischer sind die Antworten.

    Junge Frauen werden vorwiegend in sozialen und kommunikativen Berufen des Dienstleistungssektors und junge Männer im handwerklich-technischen Bereichen ausgebildet. Die meisten Ausbildungsgänge sind entweder einseitig von Frauen oder von Männern dominiert, wobei die Zahl der Ausbildungsgänge, die einseitg männlich besetzt sind, deutlich höher ist als die Zahl der Ausbildungsgänge, die von Frauen dominiert werden. Das Berufswahlspektrum junger Männer ist weniger begrenzt als das junger Frauen: Etwa 70% der jungen Frauen und 50% der jungen Männer konzentrieren sich auf jeweils 20 Berufe.

    Beim Übergang von der Schule in die Berufsausbildung lässt sich eine generelle Bevorzugung oder Benachteiligung eines Geschlechts nicht eindeutig feststellen. Allerdings sind junge Frauen häufiger von strukturellen Bedingungen des Arbeitsmarktes negativ betroffen, während sich bei Jungen eher die im Vergleich zu den Mädchen schlechteren Schulleistungen und Schulabschlüsse negativ auswirkten.

    Einerseits wird männlichen Jugendlichen trotz schlechterer Schulabschlüsse häufiger die Möglichkeit geboten, sich im dualen System ausbilden zu lassen. Dies führt zu einem vergleichsweise besseren Zugang zu relativ gut bezahlten und tarifvertraglich abgesicherten Ausbildungsberufen mit guten Arbeitsbedingungen, womit zudem bessere Einstiegschancen ins Erwerbsleben verbunden sind. Andererseits sind junge Männer stärker von Jugendarbeitslosigkeit betroffen als junge Frauen. Dies ist zurückzuführen auf die Auslagerung der traditionell männlich dominierten Sektoren Bergbau, Industrie, Land- und Forstwirtschaft aus Deutschland im Zuge der Globalisierung, die gestiegenen Qualfikationsansprüche und den stetigem Abbau der dualen betrieblichen Ausbildungen, die steigende Zahl der Arbeitsplätze im weiblich konnotierten Dienstleistungssektor und die schlechteren Schulabschlüsse der Jungen. Zudem müssen junge Männer häufiger an berufsvorbereitenden und berufsgrundbildenden Maßnahmen teilnehmen, damit sie überhaupt den Qualitätsanforderungen des Ausbildungsmarktes entsprechen. (…)

  • Arbeitsmarkt
    Stellt man die Erfolge der Mädchen und Jungen im Bildungssystem und den Verlauf ihrer beruflichen Entwicklungen nebeneinander, zeigen sich deutliche Differenzen im HInblick auf die Ausgangslagen für den Berufseinstieg und die anschließenden Berufskarrieren. Der nach Geschlechtern segregierte Arbeitsmarkt, die Bewertung der jeweiligen Tätigkeiten, (…), der Zugang zu Führungspositionen aller gesellschaftlichen Bereiche, (…), die ungleiche Einkommenssituaton von Männern und Frauen, die Verteilung von Teilzeitarbeit, Elternzeit und Familienarbeit sind nach wie vor Kennzeichen ungleicher Bedingungen, von denen die Mehrheit der Männer profitiert und nur wenige Frauen nicht betroffen sind.

    In der strukturellen Benachteiligung der Frauen druch die höhere Entlohnung in von Männern quantitativ dominerten Berufen liegt möglicherweise eine weitere Erklärung für die besseren Schulleistunen der Mädchen und jungen Frauen: Denn Frauen können diese Ungleichheit nur dadurch egalisieren, indem sie im Vergleich zu Männern mehr in ihre Allgemeinbildung und ihre Berufsausbildung investieren. (…)

  • Geschlecht
    Die Männerforschung hat wichtige Beiträge zu einem umfassenden Verständnis von Geschlechterverhältnissen geleistet, das für eine egalitäre Ausgestaltung des Geschlechterverhältnisses unerlässlich ist. Auf der konzeptionell-theoretischen Ebene sind zwei Grundannahmen besonders hervorzuheben: die Pluarlität von Männlichketismustern und -entwürfen und die Hierarchisierung der verschiedenen Männlichkeiten. Der Überhang von Männern in den Führungsetagen und die gesellschaftliche Höherbewertung männlich konnotierter Normen, Werte und Praxen belegen zwar die fortbestehende männliche Vorherrschaft, verdecken jedoch, wie sehr andere Gruppen von Männern von sozialer Deklassierung betroffen sind.

    Hierarchisierung finden sich auch bei den Jungen. Diejenigen, denen die Attribute Heterosexualität, Autorität, Unabhängikeit, Sportlichkeit, psychische und körperliche Stärke zugeschrieben werden, stehen in der Beliebtheitsskala der Peergroup weit oben, während andere Jungen untergeordnet und eher unbeliebt sind. Allerdings lässt sich Beliebtheit nur schwer mit einer extremen Übertreibung eines dieser Merkmale vereinbaren. Weitere Attribute, die für Beliebtheit und Spitzenposition in der Peergroup sorgen, sind Lässigkeit, Witzig-Sein, das Tragen von Markenkleidung, Körpergröße, Attraktivität. (…)

    Jugendliche achten bei der Auswahl ihres Berufes nicht nur darauf, welche Tätigkeiten und Inhalte mti dem ausgewählten Beruf verbunden sind, sondern auch darauf, wie das soziale Nahumfeld – vor allem die Peergroup – auf den jeweiligen Beruf reagiert. Entscheidend ist für die Jugendlichen, ob der gewählte Beruf einen gewinnbringenden Beitrag zur eigenen Außendarstellung zu leisten vermag.

    Da Jungen und Mädchen ebenso wie Männern und Frauen in der Regel für geschlechttstypische Handlungen Gewinne und für geschlechtsuntypische Handlungen Verluste winken, verspricht eine geschlechtsuntypische Berufswahl in der Regel – vor allem in der Peergroup – eher einen Verlust in der Außendarstellung. Und da ein weiblich konnotierter Arbeitsplatz, an dem ein junger Mann beispielsweise kranke und alte Menschen pflegt und ihnen die Windeln wechselt, nicht nur relativ schlechte Bezahlung für harte und gesellschaftlich gering geschätzte Arbeit bedeutet, sondern gleichzeitig immera auch die potenzielle Bedrohung der eigenen Männlichkeit beinhaltet, ist es nicht verwunderlich, dass der Männeranteil beispielsweise in der Altenpflege so gering ist. (…)

    Zur Erreichung des Ziels eines partnerschaftlichen Miteinanders von Männern und Frauen ist die Veränderung von Männern hinsichtlich ihrer Männlichkeitsvorstellungen und -praxen eine notwendige Voraussetzung. Gesetze, Diskrimminierungsverbote und Frauenförderung reichen nicht aus, um eine Gleichberechtigung im Alltag herzustellen. (…)

Fazit – Berufs- und Zukunftsplanung braucht Geschlechterreflexion

Die Orientierung an traditoneller und hegemonialer Männlichkeit wirkt sich auch auf die Einstellung von Männern und Jungen zu sozialen Berufen aus, was entsprechende Folgen hat: Die wissenschaftliche Begleitung der Neuen Wege für Jungs hat gezeigt, dass soziale Berufe, in denen Soft Skills bzw. Fürsorge-Attribute nachgefragt werden, für viele Jungen und junge Männer ein unbekanntes Terrain sind.

Soziale Berufe gelten im Allgemeinen als „Frauenberufe“ – und die meisten Jungen und jungen Männer möchten keinen Beruf erlernen, der vermeintlich nicht zu ihrem Geschlecht passt. Folgerichtig liegt der Männeranteil in weiblich dominierten Berufen bei lediglich 1,28%. Andererseits weisen die Debatten und wissenschaflichen Erhebungen der letzten Jahre, die sich mit Jungen, Männern und sozialen Berufen befassen auch darauf hin, dass mehr Jungen und mehr junge Männer als gedacht soziale Arbeit – ob nun in der Erziehung, Pflege oder anderen Bereichen – nicht grundsätzlich ablehnen. Dies wird nicht nur durch die große Zufriedenheit der teilnehmenden Jungen mit den Schnupperpraktika im Rahmen von „Neue Wege für Jungs“ belegt, sondern beispielsweise auch durch die Tatsache, dass in den letzten Jahren mehr junge Männer Zivildienst leisteten als den Grundwehrdienst.

(…) Geschlechtliche Identität muss als Ressource betrachtet werden: (…) Das gilt auch für die Berufswahl: Ein weiblich konnotierter Arbeitsplatz, an dem ein junger Mann beispielsweise kranke und alte Menschen pflegt und ihnen die Windeln wechselt, bedeutet nicht nur relativ schlechte Bezahlung für harte und gesellschaftlich gering geschätzte Arbeit, sondern beinhaltet gleichzeitig immer auch die potenzielle Bedrohung der eigenen Männlichkeit. Wird dieser Aspekt vernachlässigt, steht zu befürchten, dass Förderprogramme zu stärkeren Partizipation von Mädchen und Jungen in sogenannten Männer- und Frauenberufen ins Leere laufen. Eine Reflexion der Gewinne und Verluste, die sich aus dem Erfüllen oder Nichterfüllen geschlechtlicher Identitätsanforderungen ergeben, stellt eine notwendige Voraussetzung dar, um den Kreislauf der geschlechtlichen Segregation auf dem Arbeitsmarkt zu durchbrechen. Aus diesem Grund sollte die Berufsorientierung in Schulen, Berufsschulen, Berufsinformationszentren, der Jugendsozialarbeit etc. geschlechtsbezogen konzipiert und durchgeführt werden, um den unterschiedlichen Ausgangspositionen und Zukunftsperspektiven junger Frauen und junger Männer zu entsprechen und gerecht zu werden.

Die traditionelle Berufsorientierung, die als begleitende, präventive und integrative Hilfe die Sicherung sozialer und beruflicher Teilhabe junger Menschen gewährleistet, sollte durch eine Lebensplanung ergänzt werden, die Impulse zur Reflexion über Geschlechterverhältnisse gibt, um die Lebensplanung der Jungen bewusster zu gestalten, der einseitigen Fixierung auf Erwerbstätigkeit entgegenzuwirken, Lebensalternativen zu eröffnen und auch aktive Vaterschaft und Verantwortung für Kinder zu einem Thema für Jungen und junge Männer zu machen. (…)

Die gleichberechtigte Verteilung von gesellschaftlicher Arbeit (Erwerbs-, Haus- und Familienarbeit) scheitert in erster Linie weiterhin an der geschlechtersterotypen Aufteilung von unentlohnter Arbeit und an den vorhandenen traditionellen Erziehungspraxen (in gesellschaftlichen Institutionen wie Familien, Kindertagesstätten und Schulen), die zu einer Reproduktion geschlechtstypischer Alltagsmuster und Strukturen führen. Aus diesem Grund ist eine Neugestaltung der vorherrschenden Geschlechterordnung nötig, die nicht nur auf die Verringerung der quantitativen Dominanz von Männern in den verschiedenen gesellschaftlichen Führungsstrukturen sowie die Veränderung der individuellen Einstellungen und Handlungsweisen von Männern/Jungen (und Frauen/Mädchen) abzielt, sondern vor allem auch auf einen Abbau der gesellschaftlichen Orientierung an traditionell männlich konnotierten Werten, Normen und Praxen.

Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist nicht mit der Anpassung von Frauen/Mädchen (und nichthegemonialen Männern/Jungen) an hegemoniale Männlichkeit gleichzusetzen, die Erwerbsarbeit und das Streben nach Macht als zentrale Lebensziele vorgeben und für Jungen (zunehmend auch für Mädchen) einen entsprechenden Verhaltenskodex nahelegen. Vor dem Hintergrund, dass die vorherrschende Geschlechterordnung von einer durchgehenden Niedrigbewertung weiblich konnotierter Normen, Werte und Praxen gekennzeichnet ist, ergibt sich als übergeordnetes politisches Ziel die Aufwertung weiblich konnotierter Kompetenzen bei Männern und Frauen (z.B. sorgende Verantwortung). Zweitens ist eine Aufwertung der meisten Berufe, in denen quantitativ betrachtet Frauen dominieren, durch bessere Bezahlung, sozial höhere Anerkennung und bessere Ausbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten dringend geboten. Um die geschlechtstypische Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit nicht weiterhin zu reproduzieren, sind drittens die Förderung aktiver Vaterschaft und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Erwerbstätige mit familiären Pflegeaufgaben sowie das Bemühen um eine flächendeckende, staatlich oder privatwirtschaftlich finanzierte, ganztägige Kinderbetreuung notwendig. Um Veränderung auf diesem Gebiet herbeizuführen, ist aber nicht nur eine Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Kinderbetreuung und die Förderung aktiver Vaterschaft, sondern – vor allem in den alten Bundesländern – auch ein Wandel der traditionellen Frauen- und Mütterbilder notwendig. (…)“

Quelle: Neue Weg für Jungs

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