Die Bundesregierung will zur verbesserten Kooperation von regionalen Arbeitsagenturen, Jobcentern und Jugendhilfe kein Einheitsmodell vorgeben. Das schreibt sie in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der LINKEN. Die Regierung verfügt über kein Konzept, ebenso wenig über die Finanzen, um Jugendagenturen als zentrale Aufgabenstelle für Jugendliche einzurichten. Für die LINKEN hat die Bundesregierung damit ihre Versprechen aus dem Koalitionsvertrag gebrochen. Diese Auffassung wird von der Regierung nicht geteilt. Es sei Aufgabe der Akteure vor Ort, Anlaufstellen für Jugendliche mit einem erhöhten Unterstützungs-, Betreuungs- oder Förderbedarf einzurichten. Die vorhandenen Ressourcen seien ausreichend. Der Bundesregierung kommt es darauf an, die Leistungen der beteiligten Träger zum Wohle der jungen Menschen auf einer tragfähigen Grundlage zu koodinieren. Regional seien die Voraussetzungen sehr unterschiedlich. Derzeit gibt es ca. 100 solcher Bündnisse, zum Teil in sehr unterschiedlicher Form. Der Unterschiedlichkeit müsse Rechnung getragen werden.
Aktive Rolle der Jugendhilfe angemahnt
Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit mahnt eine aktive Rolle der Jugendhilfe beim Aufbau solcher Bündnisse bzw. von Jugendagenturen an. So muss sie nicht nur Förderlücken schließen – etwa wenn Jugendliche infolge von Sanktionen der Jobcenter in soziale Notlagen geraten. Auch praxisorientierte, leicht zugängliche Angebote der freien Träger der Jugendsozialarbeit dürfen beim kommunalen Übergangsmanagement und im Portfolio einer Jugendberufsagentur nicht fehlen. Mit (berufs)schulischen Qualifizierungen allein könnten viele Jugendliche mit großem Unterstützungsbedarf gar nicht erreicht werden.
Welche Rahmenbedingungen für das Zusammenspiel von Bund, Ländern, Arbeitsagenturen, Jobcentern und Kommunen zu schaffen und welche Impulse nötig sind, damit aus einigen „Leuchttürmen“ ein flächendeckendes Angebot entsteht, dazu diskutierten die Vertreter/-innen der beteiligten Bundes- und Landesministerien, der Kommunen und der Bundesagentur für Arbeit mit Praktikern/-innen und Experten/-innen bei einer Fachtagung des PARITÄTISCHEN mit der BAG EJSA am 3. April in Berlin-Mitte. Die Tagungsergebnisse werden in einer Dokumentation veröffentlicht.
Koalitionsvertrag nur leere Versprechungen?
Die LINKE kritisiert die Ausführungen der Bundesregierung weniger zurückhaltend, als es die Tagungsleiter/-innen in Berlin taten. Diana Golze, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Bundestag: „Es ist ein Hohn, dass mit einer einzigen Nachfrage ein groß angekündigtes Unterstützungsangebot der Koalition für Jugendliche wie ein Kartenhaus in sich zusammen fällt. DIE LINKE möchte eine transparente und klare Unterstützungsstruktur für alle Jugendliche. Der Bund darf sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen und Länder und Kommunen im Regen stehen lassen. Einer Aufweichung des Datenschutzes muss der Riegel vorgeschoben werden. DIE LINKE fordert eine Ausbildungsplatzumlage, denn es sind vor allem die fehlenden betrieblichen Ausbildungsplätze, die das so genannte Übergangssystem florieren lassen.“
Um die Datenbasis für die örtlichen Bündnisse zu verbessern, kann sich die Bundesregierung eine Aufteilung des Datenschutzes vorstellen. Die LINKEN sprechen sich dagegen aus.
Aktuell 100 Arbeitsbündnisse für Jugend und Beruf
Derzeit existieren rund 100 der so genannten Arbeitsbündnisse. Sie richten sich an unterschiedliche Zielgruppen und sind unterschiedlich ausgestaltet. Auch die Angebote für die Jugendliche differieren von Ort zu Ort. Manche dieser Arbeitsbündnisse nennen sich Jugendberufsagenturen. Diesen Bündnissen kommt in den bestehenden Übergangssystemen zwischen Schule und Beruf eine bedeutende Rolle zu. Diese regionalen Ausrichtungen will die Bundesregierung stärken. Daher nimmt sie von einer flächendeckenden Einrichtung eines Einheitsmodells Abstand.
Die Zusammenarbeit an den Schnittstellen verbessern…
Auszüge aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Einrichtung von Jugendberufsagenturen“ der Fraktion DIE LINKE:
„(…) Leistungen für junge Menschen werden auf der Grundlage unterschiedlicher Sozialgesetzbücher durch unterschiedliche Träger erbracht – den Agenturen für Arbeit im Bereich der Arbeitsförderung (SGB III), den Jobcentern im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) sowie den Trägern der Jugendhilfe (SGB VIII). Daneben gibt es in diesem Bereich verschiedene Bundes- und Landesprogramme. Mit diesen unterschiedlichen Zuständigkeiten und gesetzlichen Regelungen sind Schnittstellen verbunden. Es ist ein Anliegen der Bundesregierung, die Zusammenarbeit vor Ort an diesen Schnittstellen zu verbessern und Reibungsverluste zu minimieren. (…)
Die erfolgreiche Etablierung einer Zusammenarbeit vor Ort setzt voraus, dass die beteiligten Akteure von dem entstehenden Mehrwert überzeugt sind und eine Form der Zusammenarbeit finden, die optimal zu den regional bestehenden Herausforderungen passt. Dabei sind unter anderem die landesrechtlichen Regelungen im Übergangsbereich und die unterschiedlichen Bedarfe zu berücksichtigen. Jeweils muß die Kooperation und ihre Ausgestaltung von den lokalen und regionalen Akteuren getragen sein und ihre Prägung erhalten.“
…und mit einer deutlichen Verbreitung enger Kooperationen möglichst alle Regionen von bestehenden Erfahrungen profitieren lassen
„Die Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit führen bereits mit den Ländern und in vielen Fällen auch mit den kommunalen Spitzenverbänden Gespräche über die Einführung von Arbeitsbündnissen. Die Arbeitsbündnisse haben sich bewährt und sollten weiter in die Fläche gebracht werden. Entsprechend wird die Bundesregierung dieses Vorhaben unterstützen. Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, die Kooperation zwischen den Akteuren vor Ort – den Trägern der Arbeitsförderung sowie den Kommunen und den Schulträgern – beim Übergang von der Schule in den Beruf gemeinsam mit den Ländern zu verbessern. Ziel ist es, die Leistungen nach dem Zweiten, dem Dritten und dem Achten Buch Sozialgesetzbuch für unter 25-Jährige eng aufeinander abgestimmt zu erbringen. Sie wird sich nachhaltig für eine deutliche Verbreitung enger Kooperationen der unterschiedlichen Träger einsetzen, damit möglichst in allen Regionen von den guten Erfahrungen mit den bestehenden Arbeitsbündnissen profitiert werden kann. (…)
Die Bundesregierung begrüßt es, wenn die Schulen vor Ort in eine Kooperation mit einbezogen werden. Die Bundesregierung schließt nicht aus, dass für eine enge Zusammenarbeit vor Ort eine Änderung von Schulgesetzen der Länder erforderlich sein kann. Die Entscheidung darüber obliegt den Ländern. (…)
Die Bundesregierung plant derzeit kein Programm zur finanziellen Förderung von Arbeitsbündnissen oder Jugendberufsagenturen. Sie geht davon aus, dass die Beteiligten die verbesserte Zusammenarbeit vor Ort mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen umsetzen. (…)“
„JUGEND STÄRKEN im Quartier“ soll bewährte Elemente aus Einzelprogrammen in einem ganzheitlichen Konzept weiterentwickeln
Kann das neue Bundesprogramm „JUGEND STÄRKEN im Quartier“ mit seiner inhaltlichen Ausrichtung das Ziel der verbesserten Zusammenarbeit der Akteure unterstützen? Welche inhaltlichen Schwerpunkte hat es, und wann soll es in Kraft treten?
„(…) Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) legen in der neuen Förderperiode des Europäischen Sozialfonds (ESF) 2014-2020 das Bundesmodellprogramm „JUGEND STÄRKEN im Quartier“ auf. Das neue Modellprogramm verknüpft bewährte Elemente der in der vergangenen ESF-Förderperiode 2007-2013 durchgeführten Einzelprogramme der Initiative JUGEND STÄRKEN (Schulverweigerung – Die 2. Chance, Kompetenzagenturen, JUGEND STÄRKEN: Aktiv in der Region, STÄRKEN vor Ort) und des ESF-Bundesprogramms „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier (BIWAQ)“ und entwickelt diese in einem ganzheitlichen Konzept weiter.
Zielgruppen des neuen Programms sind – wie auch bei den bisherigen JUGEND STÄRKEN-Programmen – junge Menschen nach § 13 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) mit und ohne Migrationshintergrund, die in erhöhtem Maße auf sozialpädagogische Unterstützung am Übergang Schule-Beruf im Rahmen der Jugendhilfe angewiesen sind; dazu zählen unter anderem auch schulverweigernde Jugendliche. Entsprechend der Bedarfslage – insbesondere unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Unterstützungsmöglichkeiten für die Zielgruppen – können die Kommunen Projekte auf der Grundlage von insgesamt vier methodischen Bausteinen ausgestalten:
- Case Management (intensive sozialpädagogische Einzelfallarbeit),
- Aufsuchende Jugendsozialarbeit,
- Niedrigschwellige Beratung/Clearing,
- Mikroprojekte mit Quartiersbezug. Ziel ist eine durchgängige Förderung der jungen Menschen von der Schule bis zum gesicherten Ankommen im Erwerbsleben.
Die Kompetenzagentur kann mit ihrer Kernaufgabe des Case Managements im Rahmen des Modellvorhabens „JUGEND STÄRKEN im Quartier“ über die Kommune weiterfinanziert werden, sofern dieser Ansatz der Schwerpunktsetzung der Kommune entspricht. Die Veröffentlichung der Förderrichtlinie und der Beginn des Interessenbekundungsverfahrens sind für die erste Jahreshälfte 2014 vorgesehen. Mit einem Programmbeginn in ausgewählten Kommunen ist – soweit der Zeitplan gehalten werden kann – zum Ende des vierten Quartals 2014 zu rechnen. (…)“
Quelle: Pressedienst des Deutschen Bundestages; Fraktion DIE LINKE