Relevanz und Potential europäischer Politik für die Kinder- und Jugendhilfe

Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) legt ein Diskussionspapier „Die europäischen Dimensionen in der Kinder- und Jugendhilfe – Relevanz und Potential europäischer Politik für die Kinder- und Jugendhilfe“ vor. Die AGJ betont die direkte und indirekte Bedeutung europäischer Politikansätze für die Lebenslagen von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. Das Papier ordnet auf europäischer Ebene stattfindende Entwicklungen für das Jugendhilfesystem in Deutschland ein. Außerdem definiert es das Konzept Youth Work, dass zurzeit unterschiedlich beschrieben und gesetzlich abgesichert ist. Die AGJ schlägt vor, Youth Work als Oberbegriff für die Bereiche Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit im Rahmen von §§ 11 bis 13 SGB VIII zu verstehen. Demgegenüber meint „Kinder- und Jugend(hilfe)politik im europäischen Kontext“ alle für die Kinder- und Jugendhilfe relevanten Politikstrategien und Förderprogramme. Ferner spricht sich die AGJ dafür aus, die Kinder- und Jugendhilfe stärker europäisch auszurichten.

Nach Europa schauen und lernen

Dies kann nach Auffassung der AGJ gelingen durch

  • die Erschließung des Lernfelds Europa,
  • die Förderung der europäischen Mobilität,
  • den Aufbau europäischer Zusammenarbeit und Vernetzung,
  • die Initiierung von Peer-Lerning-Prozessen auf europäischer Ebene,
  • das Einbringen von Erkenntnissen europäischer Debatten in die deutsche Fachpraxis und umgekehrt.

Als Beispiel für den Erkenntnistransfer kann die im Papier vorgenomme Einordnung des Begriffs Youth Work im Verhältnis zu den Ausdifferenzierungen des Systems der deutschen Kinder- und Jugendhilfe gelten.

Auszüge aus der Einordnung des Begriffs Youth Work als Beispiel für die Dimension des Erkenntnistransfers im Diskussionspapier der AGJ:

Youth Work im europäischen Sinn ist ein breit angelegtes Konzept, es gibt sie in verschiedenen Formen und Spielarten

„(…) Der im europäischen Diskurs benutzte Begriff Youth Work ist im deutschen Kontext nicht mit seiner wortwörtlichen Übersetzung Jugendarbeit gleichzusetzen, da er sich auf ein wesentlich breiteres Spektrum sozialer, kultureller und bildungspolitischer Aktivitäten bezieht, die über das deutsche Verständnis von Jugendarbeit im Sinne von §§ 11 SGB VIII hinaus gehen. (…) So ist laut den Schlussfolgerungen des Rates zum Beitrag einer qualitätsvollen Jugendarbeit vom 16. Mai 2013 Youth Work im europäischen Kontext „ein breites Spektrum an Aktivitäten sozialer, kultureller, bildungs- oder allgemeinpolitischer Art (…), die von und mit jungen Menschen und für diese durchgeführt werden. Diese erstrecken sich zunehmend auch auf Sport- und Leistungsangebote für junge Menschen. (…) Youth Work gehört zum Bereich der außerschulischen Erziehung sowie der zielgruppenorientierten Freizeitbeschäftigungen, die von professionellen oder freiwilligen Jugendbetreuern und Jugendleitern durchgeführt werden. Sie wird in unterschiedlicher Weise organisiert (von jugendgeführten Organisationen, Organisationen für die Jugend, informellen Gruppen oder im Rahmen von Jugenddiensten und staatlichen Behörden). Youth Work gibt es in verschiedenen Formen und Spielarten (beispielsweise offen zugänglich, gruppenbasiert, programmbasiert, im Rahmen der Sozialarbeit und separat) und sie wird auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene konzipiert.“

EU-Jugendstrategie fördert Weiterentwicklung und Profilierung des Konzepts

„Auch wenn Youth Work in Europa kein neues Konzept ist, so ist die Auseinandersetzung zur Definition und Profilbeschreibung von Youth Work in der EU nicht viel älter als fünf Jahre und steht inhaltlich erst am Anfang. Im Europarat erfährt die Debatte (…) erst wieder in den letzten Jahren eine höhere Bedeutung. Fachliche Vorstellungen, Traditionen, Gesetzesgrundlagen und Strukturen von mindestens 28 europäischen Staaten kommen in diesem Diskurs zusammen. Nicht in allen Ländern ist Youth Work gesetzlich abgesichert und definiert, und dort, wo dies der Fall ist, gibt es die unterschiedlichsten Definitionen. Im Zuge der weiteren Umsetzung der EU-Jugendstrategie ist auf europäischer Ebene – sowohl politisch als auch praktisch – die Einsicht in die Bedeutung von Youth Work gewachsen und der Bedarf entstanden, Youth Work als politisches und jugendpädagogisches Konzept sowie als Handlungsfeld mit eigenen Standards und Qualitätsansprüchen zu beschreiben, weiterzuentwickeln und zu profilieren.“

Abgrenzung zur Kinder- und Jugend(hilfe)politik im europäischen Kontext

„Nach Auffassung der Jugendministerinnen und Jugendminister der EU bildet Youth Work, eine wichtige Brücke für ausgegrenzte junge Menschen und leistet einen Beitrag zur Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden junger Menschen. (…)

Ausgehend von der Definition von Youth Work aus den Schlussfolgerungen des Rates zum Beitrag einer qualitätsvollen Jugendarbeit sowie dem derzeitigen Diskussionsstand auf europäischer Ebene schlägt die AGJ vor, den im europäischen Diskurs benutzten Begriff Youth Work zunächst als Oberbegriff für die Bereiche Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit im Rahmen von §§ 11 bis 13 SGB VIII zu verstehen.

Demgegenüber meint „Kinder- und Jugend(hilfe)politik im europäischen Kontext“ alle für die Kinder- und Jugendhilfe relevanten Politikstrategien und Förderprogramme auf europäischer Ebene. Damit sind auch Teilbereiche, wie z. B. der Bereich Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung oder die Hilfen zur Erziehung einbezogen, deren Politikstrategien und Ansätze sich auch auf die Zielgruppe der Kinder beziehen.“

Und so soll es im Politikfeld Youth Work weitergehen

„Fünf Jahre nach der ersten Konferenz werden in Gent die drei Gemeinschaften Belgiens im Rahmen des Vorsitzes des Ministerkomitees des Europarates eine „2. European Convention on Youth Work” vom 27.-30. April 2015 abhalten. Die 2. Konferenz soll die Diskussionen um die Beschreibung des Politikfeldes Youth Work in Europa fortsetzen und den Versuch unternehmen, eine gemeinsame Basis für ein Verständnis von Youth Work als Instrument zur Unterstützung der persönlichen, sozialen und beruflichen Entwicklung junger Menschen zu schaffen. Im Rahmen der Konferenz sollen die Entwicklungen von Youth Work der letzten Jahre in den Blick genommen werden. Zudem soll mit dem Ziel einer erneuerten Youth Work-Strategie und Agenda zur Stärkung des Stellenwertes und der Entwicklung von Youth Work in Europa ein entsprechendes Signal an die Mitgliedstaaten, den Europarat und die Europäische Union ausgesendet werden.

(…) Die Akteure der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland müssen sich verstärkt in den fachlichen Diskurs um die Konzeption und Praxis von Youth Work sowie hinsichtlich aller für die Kinder- und Jugendhilfe relevanten Politikstrategien auf europäischer Ebene einbringen. Durch eigene Fachkonzepte und Standards können die verschiedenen Prozesse mitgestaltet und die sich daraus ergebenden Impulse für die eigene Arbeit vor Ort nutzbar gemacht werden. (…)“

Quelle: AGJ

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