Armutsgefährdung junger Menschen hat sich verfestigt

„Es ist ein Skandal, dass fast ein Viertel der jungen Erwachsenen in Deutschland von Armut bedroht ist und sich diese Situation in den letzten Jahren noch verfestigt hat. Allen jungen Menschen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen ist eine zentrale jugendpolitische Herausforderung in Deutschland. Dazu müssen endlich die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden“, so Pfarrer Simon Rapp, Vorsitzender der BAG KJS.

Förderangebote unterschiedlicher Rechtskreise kombinierbar machen

Als einen zentralen Weg aus der Armut sieht der Bericht die Arbeitsmarktintegration junger Menschen. Dazu sollen Maßnahmen des Übergangsystems stärker miteinander verzahnt werden und Übergänge durchlässiger. Die BAG KJS begrüßt dieses Vorhaben, mahnt jedoch gleichzeitig flexible und am individuellen Bedarf ausgerichtete Förderstrukturen an. Dazu bedarf es der Möglichkeit, die Förderangebote der Rechtskreise SGB II, III und VIII untereinander zu kombinieren und langfristig finanziell abzusichern.

Sanktionsregeln für U-25 abschaffen
Keine Erwähnung in dem 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung finden die Sanktionierungen junger Menschen durch die Jobcenter. Dabei führen ebendiese, nach Meinung von Experten der Jugendhilfe, am stärksten zu gesellschaftlicher Ausgrenzung und erhöhter Armutsgefährdung bei Jugendlichen. Unter 25-Jährige im Hartz IV-Bezug werden deutlich häufiger und strenger sanktioniert als Erwachsene. Bis hin zur Streichung der kompletten Bezüge. Die BAG KJS fordert daher, die Sanktionsregeln für U-25-Jährige abzuschaffen. „Jugendarmut ist durch gezielte und sinnvolle staatliche Transferleistungen zu verhindern. Da dient kein einseitiges Fordern. Vielmehr bedarf es einer ganzheitlichen Förderung, die den jungen Menschen mit all seiner Würde in den Mittelpunkt des Handelns stellt“, so Vorsitzender Simon Rapp.

Von alleine wächst sich nichts aus …
Im Abschlussbericht der AWO Langzeitstudie zu Lebenslagen von armen Kindern und Jugendlichen wird belegt, dass aus armen Kindern in den meisten Fällen arme Jugendliche werden. Sie sind von dauerhafter gesellschaftlicher Ausgrenzung bedroht. Dabei ist Armut nicht nur als finanzielle Schlechterstellung zu verstehen, sondern als defizitäre Lebenslage, die sich auf die gesamte Lebenssituation von Betroffenen auswirkt. Die von Armut betroffenen Kinder und Jugendlichen stammen dabei überwiegend aus Familien mit arbeitenden Elternteilen. 70 % der armen Eltern arbeiten. Bei den arbeitslosen armen Eltern ist die wesentliche Ursache für die finanzielle Mangellage die fehlende Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit infolge struktureller Marktbedingungen sowie ein erschwerter Zugang aufgrund individueller Qualifikationsmängel oder familiär bedingter Zeitbegrenzungen.

Ein überwiegend positiver Befund?
Die Bundesregierung schätzt die Sache etwas anders ein. Sie findet, dass der Befund des Berichts überwiegend positiv ausfällt. Die Arbeitslosigkeit sei auf den niedrigsten Stand seit Anfang der 90er Jahre gesunken. Arbeit sei das wichtigste Mittel gegen Armut. Und mit der niedrigen Arbeitslosigkeit hätten sich auch die Teilhabechancen für alle Mitglieder eines Haushalts verbessert.

Das Ziel: Jugendarmut verhindern
Fakt ist: in Deutschland sind nach wie vor zu viele junge Menschen von Armut betroffen. Armut in jungen Jahren erleben zu müssen hinterlässt Spuren. Die mit Jugendarmut einhergehenden Folgen für die Perspektiven junger Menschen bedingen aus Sicht der BAG KJS ein gemeinschaftliches Handeln von Politik und Kirche. Damit junge, von Armut bedrohte Menschen, nicht im Niemandsland unseres Sozialstaates landen, macht Katholische Jugendsozialarbeit in ihrer Initiative Jugend(ar)mut auf die bestehende Ungerechtigkeit aufmerksam und engagiert sich für Veränderungen.

Für mehr soziale Gerechtigkeit
Für gesellschaftliche Veränderungen und mehr soziale Gerechtigkeit macht sich auch der Deutsche Caritasverband stark in seiner Stellungnahme zum Armuts- und Reichtumsbericht. Die Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe belegen, dass hier die Schere zwischen Arm und Reich in den vergangenen Jahren weiter auseinandergegangen ist. Eine wachsende Vermögensungleichheit gefährde die Solidarität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Notwendig seien auch präventive Maßnahmen und solidarisches Handeln. „Wir brauchen Menschen, die sich vor Ort engagieren und zum Beispiel benachteiligte Jugendliche auf ihrem Weg in den Beruf begleiten“, macht Caritaspräsident Peter Neher deutlich. Solidarität mit schwächeren Menschen bedeute auch, die Probleme der Menschen wahrzunehmen, die unter besonderen sozialen Schwierigkeiten leiden.

Den Bericht hält der Caritasverband für lückenhaft. Der Bericht blende die soziale Lage von Asylbewerbern, Menschen in Duldung oder der aufenthaltsrechtlichen Illegalität aus.“

Informationen zum Armuts- und Reichtumsbericht
„Gemäß der Beschlüsse des Bundestages vom 27. Januar 2000 und 19. Oktober 2001 muss die Bundesregierung jeweils zur Mitte der Legislaturperiode einen Armuts- und Reichtumsbericht (ARB) vorlegen.

Der 4. ARB umfasst grundsätzlich den Zeitraum 2007 bis einschließlich 2011, nach verfügbarer Datenlage bis einschließlich 2012. Er besteht aus einer Kurzfassung sowie einer Langfassung mit ausführlichen Analysen.

Der Bericht untersucht die verschiedenen Lebenssituationen (zum Beispiel Arbeit, Bildung, Gesundheit). Er ist auf die einzelnen Lebensphasen (frühe Jahre, junges Erwachsenenalter) und Übergangsphasen (Schuleintritt, Berufseinstieg) konzentriert. Zeitreihen mit Kernindikatoren aus früheren Berichten werden fortgeschrieben. „

Der Bericht steht Ihnen als Download auf der Seite des BMAS zur Verfügung.

www.jugendarmut.info/initiative
www.facebook.com/bagkjs
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2013/03/2013-03-05-armuts-u-reichtumsbericht-4.html
http://www.jugendarmut.info/stellungnahmen

Quelle: BAG KJS; AWO; Bundesregierung

Dokumente: PM_BAG_KJS_zum_Armuts_Reichtumsbericht.pdf

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