Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit präsent in Wissenschaft und Forschung

„Ausbildung für alle ermöglichen – Fachkräfteentwicklung und Zukunftssicherung durch kohärente Förderung am Übergang Schule – Beruf“ „So lautete der Titel des eintägigen Workshops, der – organisiert von Ulrike Hestermann (Internationaler Bund) und Andrea Pingel (Stabsstelle des Kooperationsverbundes) die Möglichkeit bot, ein breites Spektrum an Themen und Praxisansätzen aus der Jugendsozialarbeit vorzustellen und aktuelle Fragen zu diskutieren (www.jugendsozialarbeit.de/hochschultage_2013).

In welchem Zusammenhang steht das Motto der Hochschultage mit aktuellen Themen in der Jugendsozialarbeit? Diese Frage beantwortete Ulrike Hestermann zu Beginn des Workshops mit folgenden Feststellungen: ##Durch den demographischen Wandel ergeben sich nicht automatische bessere Zugangschancen für benachteiligte Jugendliche auf den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.
##Es zeigt sich, dass das duale Ausbildungssystem seine Integrationsfähigkeit für junge Menschen mit niedrigem bzw. ohne Bildungsabschluss verliert.
##Daher sind im demographischen Wandel besondere Anstrengungen notwendig, um benachteiligten junge Menschen den Übergang in Ausbildung und Arbeit zu ermöglichen.
Im Workshop wurden aktuelle Befunde zur demographischen Entwicklung mit den Notwendigkeiten und Möglichkeiten einer kohärenten Förderung Jugendlicher mit schlechteren Startchancen am Übergang Schule – Beruf in Beziehung zueinander gesetzt und hinsichtlich ihrer praktischen Relevanz kritisch diskutiert.

Empfehlungen zur Entwicklung eines kohärenten Fördersystems
Ausgangspunkt und Folie für alle Beiträge im Workshop waren die Empfehlungen zur Entwicklung eines kohärenten Fördersystems, die der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit in fünf Workshops in den Jahren 2010 und 2011 entwickelt und veröffentlicht hatte (www.jugendsozialarbeit.de/media/raw/KV_Beitraege_Jugendsozialarbeit_Kohaerente_Foerderung.pdf).

Eine interessante Zusammenstellung von Befunden und Erkenntnissen zu allen Jugendlichen an der „ersten“ und an der „zweiten Schwelle“ und den Veränderungen durch den demographischen Wandel bot die Präsentation „Heute abgehängt und morgen hochqualifiziert? Befunde zu gelingenden Übergängen zur Integration in den Arbeitsmarkt und der Perspektive der jungen Menschen“ von Dr. Birgit Reißig vom Deutschen Jugendinstitut. Grundlage dafür bietet das umfangreiche Zahlenmaterial aus dem DJI-Übergangs-Panel, das mit einem quantitativen Längsschnitt und qualitativen Interviews einen Zeitraum von sechs Jahren (2004 bis 2010/2011) abdeckt.

Beispiele aus der Praxis und der begleitenden Praxisforschung
Für die Beispiele aus der Praxis und der begleitenden Praxisforschung war es gelungen, alle im Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit vertretenen Trägerorganisationen mit Präsentationen zu beteiligen. Hier ein Überblick über die Themen und wesentliche Aspekte aus den Präsentationen und den anschließenden Diskussionen:

Mit dem „Integrierten Potenzial-Assessment iPASS in beruflichen Orientierungs-, Auswahl- und Entscheidungsprozessen“ stellten Berndt de Boer (AWO Bundesverband) und Dr. Thorsten Bührmann (Universität Paderborn) ein Rahmenkonzept vor, dass von Trägern der Jugendberufshilfe jeweils angepasst auf die regionalen Gegebenheiten und Bedarfe genutzt werden kann.

Mit dem Konzept des produktionsorientierten Lernens arbeitet die Pro Beruf GmbH in Hannover. „Ausbildung nur noch mit Abi? Wie kann Berufsvorbereitung gestaltet werden, damit sie auch Jugendliche unterstützt, die über wenige Ressourcen verfügen?“ war das Thema der der Präsentation von Rudolf Schulz und Anja Holmer (Pro Beruf GmbH Hannover). Interessant an dem Konzept der Berufsvorbereitung im Verbund ist, dass die Kammern als Partner im Verbund eine Ausbildungsgarantie geben und die Betriebe diese auch einhalten. Eine wichtige Erkenntnis aus diesem Projekt: Nicht alle Gewerke eignen sich gleich gut für das produktionsorientierte Lernen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Wirksamkeit dieses Angebotes ist die gute Platzierung im Zusammenspiel der verschiedenen Angebote des Trägers (BvB im Verbund).

Das Ziel, die Jugendsozialarbeit als dritte Akteurin in der dualen Ausbildung zu etablieren, verfolgen die beiden Projekte „Erfolgreich gemeinsam ausbilden (Efa) – Projektvorstellung und Umsetzung von assistierter Ausbildung als tragfähiges Konzept zur Fachkräftesicherung“ (vorgestellt von Elise Bohlen und Julia Schad von IN VIA Deutschland) und das „Modellprojekt carpo – ein Projekt bringt Betriebe und benachteiligte Jugendliche zusammen“ (vorgestellt von Ralf Nuglisch, Der Paritätische Baden-Württemberg und Birgit Beierling, Der Paritätische Gesamtverband). Während die Beteiligten im Projekt „carpo“ bereits vor zehn Jahren begonnen haben, gegen viele Widerstände von Seiten der Unternehmen und damals auch der Politik, Konzepte der trialen Ausbildung voranzubringen, startete „Efa“ im Juni 2012. Inzwischen gibt es – vor allem in der Politik – viele offene Ohren für das Konzept der assistierten Ausbildung, das Dienstleistungen sowohl für junge Menschen mit besonderem Förderbedarf als auch für Betriebe (hauptsächlich kleine und mittlere Unternehmen auf der Suche nach Fachkräften) bietet.

Beide Projekte haben zum Ziel, triale Ausbildungskonzepte in die Breite zu tragen und für die Unternehmen den Mehrwert davon deutlich zu machen, damit sie sich künftig finanziell beteiligen. Aus Sicht der Jugendsozialarbeit ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der assistierten Ausbildung, dass die Anforderungen aus den SGB II und VIII weit möglichst in Übereinstimmung gebracht werden. Dabei kann es nicht die „reine Lehre“ geben, da sonst weder Jugendhilfe noch Arbeitsagentur fördern.

Dass die Angebote der Jugendberufshilfe nicht alle Jugendlichen erreichen können, muss immer wieder deutlich gemacht werden. Aufgabe der Jugendsozialarbeit ist es, sich gerade auch um die jungen Menschen zu kümmern, die von keinem Angebot und keiner Institution mehr erreicht werden. Diese jungen Menschen brauchen andere Hilfen bevor daran zu denken ist, dass sie erfolgreich an Maßnahmen zur schulischen und beruflichen Integration teilnehmen können.

Befunde zur Exklusion auf dem Arbeitsmarkt – niedrigschwellige Angebote und Jugendsozialarbeit
In der Präsentation „Wir können niemals alle erreichen … oder doch? Befunde zur Exklusion auf dem Arbeitsmarkt – niedrigschwellige Angebote und Jugendsozialarbeit“ (vorgestellt von Silke Starke-Uekermann, BAG Katholische Jugendsozialarbeit in Vertretung für Achim Wieghardt) stand diese Personengruppe im Mittelpunkt. Nach Schätzung des Deutschen Jugendinstituts werden mindestens 80.000 Jugendliche von den Institutionen nicht erreicht. Wahrscheinlich ist die Zahl deutlich höher. Als Hauptgefährdungsfaktoren benennt die BAG KJS niedrige oder keine Bildungsabschlüsse und Aussanktionierung im SGB II. In der anschließenden Diskussion wird betont, dass diese jungen Menschen lange Zeit zu wenig im Blick der Jugendhilfe waren.

Reformbedarf aus Sicht der Jugendsozialarbeit
Welcher Reformbedarf ergibt sich aus Sicht der Jugendsozialarbeit für die berufliche Bildung, wenn das Ziel „Ausbildung für alle“ ernsthaft verfolgt werden soll. Mit Blick auf die Empfehlungen des Kooperationsverbundes zu einem kohärenten Fördersystem und auf die Erfahrungen aus der Praxis fasste dies Walter Würfel (Sprecher des Kooperationsverbundes) so zusammen: Wenn die Angebote der beruflichen Integrationsförderung für junge Menschen lokal bzw. regional wirksam und erfolgreich koordiniert werden sollen, müssen sich die Förderprogramme des Bundes, die ein wichtiger Faktor für Innovation und Weiterentwicklung sein können, und die Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit daran anpassen. Sie können dann nicht anderen Grundsätzen folgen als den regional/lokal notwendigen Gegebenheiten.

Anforderungen an Fachkräfte im Übergangssystem
Über welche Kenntnisse und Kompetenzen müssen die in den Angeboten und Maßnahmen des Übergangssystems tätigen Fachkräfte verfügen? Antworten zu dieser Frage geben die Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt „Anforderungen an die Professionalität des Bildungspersonals im Übergangssystem von der Schule in Ausbildung“ von Dr. Ursula Bylinski (Bundesinstitut für Berufsbildung). Die Ergebnisse aus diesem Projekt werden in Kürze veröffentlicht. Wesentliche Aspekte wurden im Workshop in einer Zusammenfassung mit dem Titel „Rahmenbedingungen der Übergangsgestaltung und der nachhaltigen Integration: Professionalisierungsbedarfe der Fachkräfte“ von Walter Würfel in Vertretung für Dr. Ursula Bylinski vorgestellt. Deutlich wurde dabei, dass es nicht darum geht, ein neues Berufsbild zu schaffen, sondern um Kompetenzerweiterung für die Fachkräfte z. B. durch passende Fortbildungsangebote. In der Diskussion wurde die Frage nach den Konsequenzen aus diesem Projekt gestellt. Es ist zu hoffen, dass aus den Projektergebnissen eine praktische Ableitung erfolgt, die den Fachkräften vor Ort hilft.

Vergaberecht im internationalen Vergleich
Von besonderem Interesse war die letzte Präsentation im Workshop. „Qualifizierungsangebote zur Förderung des Übergangs an der Schnittstelle Schule – Beruf: Ergebnisse einer Expertise zu staatlichen Finanzierungsformen im internationalen Vergleich“ lautete der Vortrag von Dr. Anna Rosendahl (Universität Duisburg-Essen). Sie hatte im Auftrag des Internationalen Bundes und der BAG ÖRT für den Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit in einer Expertise untersucht, welche Vorgaben das EU-Vergaberecht konkret für nationale Ausschreibungen im Bereich Bildung macht und welche konkreten Herangehensweisen es in den drei EU-Ländern Österreich, England und Dänemark gibt.

Es zeigte sich: Es gibt nur wenige Vorgaben von der EU für die nationale Umsetzung solcher Angebote. Wie komplex die Materie ist, zeigte sich an der Untersuchung der Herangehensweise in den drei Ländern. Es gibt keine einfachen Vergleiche, Antworten oder gar Patentrezepte. In jedem der drei Beispiele gibt es interessante Elemente, aber keine Herangehensweise lässt sich insgesamt einfach auf Deutschland übertragen. Die Studie wird in den nächsten Tagen unter www.jugendsozialarbeit.de veröffentlicht. Es ist nun eine Herausforderung, auf der Grundlage der Ergebnisse aus dieser Studie Vorschläge für eine Reform des deutschen Vergabeverfahrens abzuleiten. Als Ausgangspunkt dafür kann auch das im Sommer 2012 vom Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit veröffentlichte „Vergabepapier“ herangezogen werden, das von der Bundesagentur für Arbeit aufmerksam und kritisch zur Kenntnis genommen wurde.

Fazit
Der Workshop war leider nur mäßig besucht. Ein Grund dafür war sicherlich auch, dass er sich gegen 22 zeitgleiche Workshops behaupten musste. Es hat aber eine intensive Fachdiskussion an den richtigen Stellen auf hohem Niveau stattgefunden. Damit hat der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit bei den Hochschultagen Berufliche Bildung, die alle zwei Jahre stattfinden, einen Pflock eingeschlagen. Die Präsenz bei künftigen Hochschultagen ist wichtig, um weitere und größere Pflöcke zu platzieren. Es geht in der beruflichen Bildung an den Hochschulen um die Ausbildung von BerufsschullehrerInnen. Diese müssen sich mehr mit den Zielgruppen der Jugendsozialarbeit beschäftigen. Um hier etwas zu erreichen, braucht einen langen Atem.

Die Präsentationen werden im Rahmen der Dokumentation der Hochschultage online unter www.uni-due.de/hochschultage-2013/ und als Printversion veröffentlicht. In Kürze sind sie auch auf der Homepage des Kooperationsverbundes unter www.jugendsozialarbeit.de zu finden. “

Quelle: BAG ESA – Giseal Würfel

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