Benachteiligung von Alleinerziehenden überwinden

Alleinerziehende wünschen sich verlässliche Angebote der Kinderbetreuung, familienfreundliche Arbeitsbedingungen und Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote in Teilzeit. Im Alltag sehen sich viele jedoch mit Vorurteilen konfrontiert, die ihnen Unfähigkeit unterstellen. Bessere unterstützende Rahmenbedingungen für Alleinerziehende fordert deshalb IN VIA, katholischer Frauenfachverband und Fachverband im Deutschen Caritasverband.

Bessere Rahmenbedingungen kommen allen zugute

In Deutschland leben 1,6 Millionen Alleinerziehende, 90 Prozent von ihnen sind Frauen. Bessere strukturelle Rahmenbedingungen kommen nicht nur alleinerziehenden Frauen, sondern allen Müttern und Familien zugute. Gravierende Defizite zeigen sich in besonderer Weise bei den Angeboten zur Kinderbetreuung. Neben einem Ausbau an Kinderbetreuungs-Angeboten müssen auch die Möglichkeiten für die Ausbildung und Qualifizierung alleinerziehender Mütter verbessert werden. Eine Ausbildung in Teilzeit machen zu können, ist für Alleinerziehende eine entscheidende Voraussetzung, um entsprechend qualifiziert eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben.

IN VIA weist auch auf fehlende Angebote für Frauen hin, die von Arbeitslosengeld II leben. Viele dieser Frauen befinden sich in sehr schwierigen Lebenslagen, weil sie mit vielfältigen Problemen zu kämpfen haben. Um zu vermeiden, dass sie dauerhaft auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, sind Angebote zur Berufs- und Lebensplanung mit flexiblen Förderbausteinen dringend erforderlich. Dazu gehören beispielsweise Beratung bei der Berufsplanung, Bewerbungshilfen oder Vermittlung in weiterführende Qualifizierungsmaßnahmen.

Auszüge aus der Positionierung „Alleinerziehende Frauen in unterschiedlichen Lebenslagen“:

Jede fünfte Familie ist alleinerziehend

„In Deutschland leben mehr als 1,6 Millionen Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, davon sind 90 Prozent Frauen. Damit ist jede fünfte Familie (19 Prozent) alleinerziehend. Die Tendenz ist weiter steigend. Alleinerziehende Frauen befinden sich in unterschiedlichen Lebenslagen und sozialen Bezügen, sind unterschiedlichen Alters, mit verschiedenen Bildungsabschlüssen und Bewältigungsstrategien etc. Zudem handelt es sich in der Regel nicht um einen selbst gewählten, feststehenden Status, sondern um eine zeitlich begrenzte Lebensphase. Es muss also beachtet werden, dass es nicht die Alleinerziehenden gibt. (…)

IN VIA Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit – Deutschland e.V. fordert die gesellschaftliche Anerkennung der Leistungen von Müttern, die alleine erziehen statt verallgemeinernder Defizitzuschreibungen. Eine zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe ist nach Auffassung von IN VIA die Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen durch Staat und Gesellschaft, die nicht nur alleinerziehenden Frauen, sondern allen Müttern bzw. allen Familien zu Gute kommt. (…)

Strukturelle Benachteiligungen auflösen – gesellschaftliche
Rahmenbedingungen verändern

  • Armut verhindern
    Alleinerziehende Frauen und ihre Kinder sind überproportional von Armut betroffen. Für rund 33 Prozent der Kinder von Alleinerziehenden stellen Transferleistungen die Haupteinkommensquelle der Familie dar. (…)

    Der Anteil armutsgefährdeter Personen in Haushalten von Alleinerziehenden lag im Jahr 2008 bei 37,5 Prozent und damit fast dreimal so hoch wie bei Personen in Haushalten mit Kindern insgesamt. Ein noch höheres Armutsrisiko tragen alleinerziehende Familien mit Migrationshintergrund. (…)

    IN VIA fordert eine Neuberechnung der SGB II-Regelsätze, die nachvollziehbar und transparent ist und die auf der Grundlage schlüssiger Berechnungsverfahren erfolgt. Auch die Berechnung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende ist nicht nachvollziehbar. IN VIA fordert ein transparentes Verfahren, das die Positionen dezidiert aufschlüsselt. Bestehende Kindergeld- und Kinderzuschlagregelungen müssen – vorgelagert zum SGB II – zu einer eigenständigen, einkommensabhängigen Kindergrundsicherung weiter entwickelt werden.

    Die Kommunen müssen allen armen Kindern gesunde Mahlzeiten im Rahmen der Ganztagsbetreuung, die kostenfreie oder ermäßigte Teilnahme an kommunalen Sport-, Musik- und Bibliothekangeboten sowie eine Fahrkarte für den öffentlichen Nahverkehr gewähren. (…)

    30 Prozent aller Frauen arbeiten im Niedriglohnbereich (unter 9 Euro Bruttostundenlohn) und rund 70 Prozent aller Niedriglohnbezieher sind Frauen. Damit Frauen ihren Lebensunterhalt durch das eigene Erwerbseinkommen (bezogen auf eine Vollzeittätigkeit) bestreiten können, ist neben einer verlässlichen Kinderbetreuung die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland notwendig. (…)

  • Flexible Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote schaffen
    (…) Im Vergleich mit Alleinstehenden und Paaren bleiben Alleinerziehende deutlich länger auf Grundsicherung angewiesen. Im Jahresdurchschnitt 2010 waren 297.000 Alleinerziehende arbeitslos gemeldet. Ein deutlicher Zusammenhang besteht zwischen Arbeitslosigkeit und fehlendem Schul- und Berufsabschluss. So hat die Hälfte aller alleinerziehenden Arbeitslosen keine abgeschlossene Berufsausbildung. Bei denjenigen, die über eine Ausbildung und Berufserfahrung verfügen, wirken länger andauernde Unterbrechungen häufig dequalifizierend. Auch dies erschwert den beruflichen Wiedereinstieg erheblich. (…)

    Jede Frau muss flexibel auf die Hilfen zugreifen können, die sie tatsächlich benötigt. Deshalb müssen die Jobcenter und die Agenturen für Arbeit niedrigschwellige Qualifizierungsangebote vorhalten, die flexibel nutzbare Förderbausteine wie die berufliche Neuorientierung und Qualifizierung, Praktika sowie die Unterstützung bei der Alltagsbewältigung und in Erziehungsfragen beinhalten. Diese Angebote müssen so ausgerichtet sein, dass sie mit den Kinderbetreuungsmöglichkeiten kompatibel sind.

    Insbesondere für junge Alleinerziehende sind Angebote zum nachträglichen Erwerb eines Schulabschlusses zu schaffen. Über die bestehende Regelung, die dieses ausschließlich im Rahmen der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen vorsieht, kann dieser Bedarf nicht gedeckt werden.

    Ausbildungsangebote in Teilzeit müssen offensiv gefördert und in der Wirtschaft beworben werden. Unternehmen sind für die Stärken von Alleinerziehenden zu sensibilisieren. Sie müssen gezielt bei der Einrichtung und Umsetzung solcher Teilzeitausbildungsangebote unterstützt werden. (…)

Verlässliche Angebote für alleinerziehende Frauen mit besonderen Förderbedarfen schaffen

  • (…) Unterstützende Angebote zur Alltagsbewältigung sicherstellen
    Neben einer bedarfsgerechten Infrastruktur (Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeiten) fehlt den von IN VIA betreuten Frauen häufig ein soziales Umfeld, das unterstützend wirkt (Partner, Freunde, Verwandte). Sie fühlen sich mit ihrer Alltagsbewältigung oft allein gelassen und überfordert.

    Teils haben diese Frauen Unterstützungsbedarfe bei der Alltagsbewältigung, die sich häufig erst mit der Zeit heraus stellen. (…) Die Unterstützung durch die persönlichen Ansprechpartner/-innen in den Jobcentern reicht hier nicht aus. Vielmehr ist zur sozialen Stabilisierung von Frauen im SGB II-Bezug, die einen ungeklärten Hilfebedarf haben, ein kontinuierliches personales Angebot von erfahrenen freien Trägern notwendig. (…)

    Ein kontinuierliches personales Angebot sollten die Kommunen über den § 16 a SGB II sicherstellen. Diese Ansprechperson stellt den Förderbedarf gemeinsam mit den Frauen fest, um auf dieser Grundlage Lösungsstrategien und Förderschritte zu erarbeiten.

    Vor allem sozialraumorientierte Angebote sind geeignet, die Alltags- und Lebensbewältigungskompetenz der Frauen zu stärken und gleichzeitig Netzwerke aufzubauen. Die Angebote sollten so angelegt sein, dass Frauen unterschiedlicher Herkunft sie zusammen mit anderen unter Anleitung selbst gestalten können. (…) Praktische Hilfen zur Alltagsbewältigung entlasten Alleinerziehende und fördern die Entwicklung der Kinder.

  • Nachhaltige Angebote zur Berufs- und Lebensplanung vorhalten
    Gerade Frauen, die sich in biografischen Umbruchphasen befinden, sind häufig unsicher bzgl. ihrer beruflichen Vorstellungen und Möglichkeiten. Sie benötigen Unterstützung bei einer realistischen Berufs- und Lebensplanung, die in Einklang mit ihren Aufgaben in der Familie steht. Zwar gibt es im Rahmen der SGB II-Förderung Angebote zur Integration Alleinerziehender, häufig handelt es sich jedoch um Kurzzeitmaßnahmen, die eine ganzheitliche und nachhaltige Förderung verhindern. (…)

    Die Unterstützung bei einer gelingenden Berufs- und Lebensplanung muss prozessorientiert, schrittweise und nachvollziehbar erfolgen. Dazu ist eine persönliche, vertrauensvolle Anbindung der Frauen an eine Ansprechperson notwendig, die sie kontinuierlich begleitet, bei Bedarf auch über einen längeren Zeitraum von 1-2 Jahren.

    Darüber hinaus sollten Angebote zur Berufs- und Lebensplanung flexible Förderbausteine umfassen, damit jede Frau auf das zugreifen kann, was sie tatsächlich benötigt. Dies sind: Informationen zu Berufen, Informationen zum Nachholen eines Schul- oder Berufsabschlusses, Bewerbungshilfen, Vermittlung in Sprachkurse, Vermittlung in weiterführende Qualifizierungsmaßnahmen, Vermittlung in Unternehmen, Begleitung während Praktika, etc. Die Jobcenter und die Agenturen für Arbeit sind aufgefordert, solche Qualifizierungsangebote – auch in Teilzeit – bereit zu stellen. (…)“

Quelle: IN VIA Deutschland

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