Inklusive Schule – Beiträge der Jugendsozialarbeit

Auszüge aus der Handreichung Inklusive Schule – Beiträge der Jugendsozialarbeit:
“ … Das Konzept der Inklusion weist verschiedene Grundlinien auf: Es besagt, dass eine Gesellschaft aus Individuen besteht, die sich alle voneinander unterscheiden. Diese Heterogenität ist gesellschaftliche Normalität und wird positiv bewertet (Vielfalt).

Kein Mensch darf aufgrund dieser Unterschiede benachteiligt werden (Antidiskriminierung). Dafür ist es notwendig, die individuellen Möglichkeiten ihrer Mitglieder zu berücksichtigen und bestehende Barrieren abzubauen (Barrierefreiheit). Daher muss die Gesellschaft dafür sorgen, dass alle ihre Mitglieder einen gleichberechtigen Zugang zu gesellschaftlichen Institutionen und Dienstleitungen haben (Prinzip der Chancengleichheit) und aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft mitwirken können (Teilhabe im Sinne von Partizipation).

Inklusion bedeutet, dass sich nicht der Einzelne an bestehende Strukturen einfügen muss, sondern dass die Strukturen geschaffen werden, so dass jedes Individuum das Recht auf Selbstbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe verwirklichen kann.

Für das Bildungssystem bedeutet dies eine Abkehr von der „Sonderbeschulung“ und die Etablierung inklusiver Strukturen im Regelschulsystem, so dass jedes Kind, unabhängig von seiner individuellen Ausgangssituation, daran teilnehmen kann. Zur Umsetzung dieser Veränderungen hat sich Deutschland mit der Ratifizierung der UN-Kovention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet. …

Dazu bedarf es der Veränderung von Rahmenbedingungen auf allen Ebenen: ## Die Verankerung einer Kultur der Wertschätzung
für Vielfalt.
## Das Schaffen der gesetzlichen Rahmenbedingungen (u.a. im sozialpolitischen Bereich, in den Schulgesetzgebungen der Länder und im Verhältnis zwischen Schule und Individuen).
## Die Verfügbarkeit und Bereitstellung von Ressourcen finanzieller, personeller und zeitlicher Art zur Umstrukturierung und zur Herstellung von Barrierefreiheit.
## Das Bereitstellen barrierefreier Kommunikation und Information.
## Das Herstellen physischer Barrierefreiheit, z.B. durch universelles Design.
## Der Abbau sozialer Barrieren, auch durch ein Überdenken von exkludierenden Strukturen, Normen und Leistungsstandards. Die Ausbildung von Fachkräften des Bildungssystems und der Sozialen Arbeit unter dem Aspekt der inklusiven Schule.
## Die Etablierung inklusiver Lehr- und Lernformen, bei der die an den Einzelnen angepasste Entwicklung von Kompetenzen und Fähigkeiten
im Mittelpunkt steht.
## Die Förderung inklusiver Formen der Unterstützung, wie situationsbezogene Assistenz, auch durch die gesetzliche Rahmung und durch Ressourcen.
## Die Schaffung partizipativer Strukturen und ein Abbau des Ungleichgewichts der Verhältnisse zwischen Schule, Eltern sowie Schülerinnen und Schülern.
„Inklusionsbarrieren können reduziert werden, wenn politische Entscheidungsträger, Beschäftigte des Bildungswesens und andere Akteure zusammenarbeiten. Dies beinhaltet auch den aktiven Einbezug von Menschen vor Ort, wie zum Beispiel politische und religiöse Autoritäten, Vertreter der Schulämter und die Medien“ (Deutsche UNESCO-Kommission 2009). In dieser Kooperation nimmt Jugendhilfe und besonders die Jugendsozialarbeit einen besonderen Platz ein.

Praktische Ansätze
Ziel einer inklusiven Schule ist eine Strukturierung der Rahmenbedingungen und des Lernens in einer Weise, dass die Teilnahme und Partizipation für alle Schülerinnen und Schüler möglich wird. Die Förderung im Rahmen der Regelstrukturen löst damit, z.B. im Bereich Schule, das Konzept von „Förderklassen“ oder auf bestimmte Zielgruppen beschränkte Angebote ab. … Allerdings können die komplexen Erfordernisse von Inklusion nicht auf einzelne Lehrkräfte abgewälzt werden, sondern es ist ein tiefgreifender Umbau der schulischen Strukturen notwendig.

10 praktische Ansätze für die Umsetzung inklusiver Schule ## Lernorientierung statt Lehrorientierung: Im Mittelpunkt steht die Möglichkeit, Fähigkeiten und Kompetenzen im gegenseitigen Austausch zu erwerben. Nicht der Unterricht wird als primärer Ort des Lernens angesehen, sondern alle Erfahrungen werden in die Gestaltung des Lernens einbezogen …
## Entwicklung neuer Lernarrangements: Ein Lehrarrangement könnten heterogen zusammengesetzte Lerngruppen mit entsprechenden Gruppenaufgaben sein …, wie es sich z.B. im „kooperativen Lernen“ wiederfindet. …
## Bildung von „Lehrteams“: „Inklusive Schule kann aufgrund der höheren Komplexität unteschiedlicher Bedarfe und Notwendigkeiten
nicht nach der tradierten Logik �ein Lehrer – eine Klasse‘ funktionieren.“ … Ein notwendiges Moment in der Umsetzung sozialer Inklusion in der Schule ist daher die Bildung von Lehrteams, in den Lehrkräfte, pädagogische Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter sowie ggf. Fachkräfte der Jugendsozialarbeit zusammen an der Gestaltung des Unterrichtes und der Angebote außerhalb des Unterrichts arbeiten. …
## Teamorientierung: Unterrichtspläne und –gestaltung sowie Lernziele werden in heterogenen Teams unter Einbezug unterschiedlicher Fachrichtungen erarbeitet. Jugendsozialarbeit soll selbstverständlicher Bestandteil der Teams sein.
## Individuelle, situative und temporäre Unterstützung: Die bisher vorrangige Orientierung an bestimmten Zielgruppen und deren direkte Unterstützung soll aufgegeben werden „zugunsten der Orientierung an spezifischen Situationen und Formen der indirekten Unterstützung. …
## Partizipative Strukturen: Weiterhin ist es notwendig, entsprechende Strukturen der Beteiligung zu schaffen, z.B. entsprechende Formate oder Gremien, „durch die Beteiligungsspielräume strukturell abgesichert werden. Diese Spielräume für eine Interessenvertretung (und aus einem anderen Blickwinkel auch für demokratiepädagogische Ansätze) werden somit unabhängiger von der Überzeugung und der Begeisterung, mit der Einzelne hinter dem Ansatz der Partizipation stehen“ (Freitag 2011: 1). Ziele und Maßnahmen werden dabei partizipativ festgelegt und von allen getragen. …
## Erarbeitung von Rollenverständnis und Arbeitsteilung:
Die Fachkräfte der Jugendsozialarbeit sind fester Bestandteil von Teams und übernehmen dabei gemeinschaftliche Aufgaben sowie besondere Aufgaben im Rahmen der Arbeitsteilung. …
## Kooperation und Vernetzung: Es besteht eine enge Kooperation und Vernetzung der Schule mit weiteren Akteuren der Lebensumwelt von Kindern und Jugendlichen, z.B. Sozialer Arbeit, Gesundheitsbereich und Wirtschaft. Die Eltern sind ein zentraler Kooperationspartner, für die Gremien der Mitbestimmung in der Schule eingerichtet sind. …
## Qualitätssicherung und Evaluation: Ein zentraler Bestandteil der Schulentwicklung sind Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Es wurde nachgewiesen, dass ein positiver Zusammenhang zwischen inklusiver Schule in heterogenen Klassen und guten Durchschnittswerten in den messbaren Schulleistungen besteht … . Schulqualität reicht jedoch
darüber hinaus und wird nicht allein an Fachleistungen gemessen, wie sie z.B. der Qualitätsoffensive nach PISA zugrunde liegen, sondern bezieht den informellen und non-formalen Kompetenzerwerb mit ein … . Qualität an Schule wird durch kontinuierliche Selbstreflexion, Fort- und Weiterbildung der Fach-, Lehr- und Führungskräfte sowie durch regelmäßige Evaluation sichergestellt.
## Schule als lernende Organisation: Dieses Verständnis beinhaltet eine beständige Reflexion des Umgangs mit Zielen und Strukturen sowie die Notwendigkeit einer angemessenen „Fehlerkultur“ … . Das Lernpotential darf sich dabei nicht nur auf die Schüler, sondern muss sich auch auf Lehr- und Fachkräfte, die Führungsebene und die Organisationsstruktur und -kultur beziehen. …

Anregungen für die Jugendsozialarbeit
Damit Jugendsozialarbeit ein Partner in diesem Prozess sein kann, ist auch für die Verbände und Träger der Jugendhilfe und besonders der Jugendsozialarbeit ein Überdenken der bestehenden Strukturen erforderlich:

Verbands- und Trägerebene: ## Eine Positionsbestimmung der Verbände und Träger.
## Entwicklung von inklusiven Strukturen auf Verbands- und Trägerebene verfolgen, z.B. auch in der Überprüfung einer möglichen Relativierung der Zielgruppenorientierung.
## Etablierung partizipativer Strukturen, innerhalb derer die Konzepte unter Beteiligung aller betroffenen Akteure erarbeitet werden.
## Schaffen von inklusiven Angebotsstrukturen, die dazu dienen, das Konzept inklusiver Schule in die Praxis umzusetzen.
## Anpassung von Unterstützungsstrukturen von Kindern und Jugendlichen an die Erfordernisse der Prinzipien der Inklusion.
## Kontinuierliche Fort- und Weiterbildungsangebote für Fach- und Führungskräfte.
## Bereitstellen personeller sowie zeit- und sachlicher Ressourcen.
## Vernetzung und Kooperation mit allen Akteuren im Lebensumfeld von Kindern und Jugendlichen.
## Erstellen von barrierefreiem Informationsmaterial, auch in den Internetauftritten.
## Weitere Sensibilisierung von Politik, Verwaltung, Wirtschaft und weiteren Akteuren für die Erfordernisse inklusiver Schule.
Jugendsozialarbeit auf Schulebene ## Aktive Beteiligung an der Erstellung von inklusiven Konzepten der Schulentwicklung:
## die Mitentwicklung von inklusiven Lehr- und Lernformen in multiprofessionellen und heterogenen Teams an der Schule,
## die Erarbeitung von inklusiven Konzepten der individuellen und situativen Unterstützung in multiprofessionellen Teams.
## Vor diesem Hintergrund die Entwicklung angemessener Maßnahmen zur Sicherstellung der Beteiligung und Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler, auch durch
## die Weiterentwicklung der Zielgruppenorientierung hin zu einem inklusiven Verständnis,
## die Entwicklung situativer Formen der Unterstützung.
## Die kontinuierliche Reflexion des Selbst- und Rollenverständnisses sowie der jeweilige Aufgaben und Arbeitsteilung im Rahmen von inklusiver Schule. … „

Die Handreichung in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.

www.jugendsozialarbeit.de/inklusive_schule

Quelle: Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit

Dokumente: Handreichung_Inklusive_Schule.pdf

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