Halbleiter und seltene Erden: Was Geopolitik mit der Digitalisierung der Jugendsozialarbeit zu tun hat.

Im Jahr 2019 wurde der chinesische Smartphone-Hersteller Huawei vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump auf eine schwarze Liste für Exporte gesetzt. Als Folge der Sanktionen hat Huawei bis heute weder Zugang zu Hochleistungschips noch zum ebenso wichtigen Google-App-Store, was zu einem Umsatzeinbruch außerhalb Chinas geführt hat. Die Antwort aus Peking kam schnell und wenig subtil. Unverhohlen drohte die Volksrepublik Washington mit einer Rohstoff-Blockade für sogenannte “Seltene Erden”, die „den gesamten Hochtechnologiesektor im Silicon Valley lahmlegen könnte.“*1 Eine Rohstoff-Blockade hätte in der Tat erhebliche Auswirkungen, denn letztendlich sind Seltene Erden für die Herstellung von Handys, Batterien, Magneten oder Flugzeugturbinen unverzichtbar. 

Doch was hat all das mit der Jugendsozialarbeit zu tun? Michael Herkendell, Referent für fachliches Controlling und Projektmanagement bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V., kommentiert die aktuellen geopolitischen Entwicklungen mit Blick auf die voranschreitende Digitalisierung der Jugendsozialarbeit.

Digitalisierung unter dem Einfluss globaler Machtpolitik

Auch der schwelende Konflikt zwischen Taiwan und China birgt mittelfristig ein erhebliches Risiko für die weltweite Hochtechnologie. Zwar ist das taiwanesische Unternehmen TSMC eher unbekannt, es gehört aber zu den führenden Chip-Giganten weltweit. Ihre Chips werden ebenso in Grafikkarten verbaut, wie in F35-Kampfjets der US-Armee. Käme es zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Taiwan und China, bräche das gesamte System zusammen. Kein Unternehmen weltweit (mit Ausnahme vielleicht von Samsung) könnte den Chiphersteller ersetzen.*2 

Auch in der Europäischen Union scheint man erkannt zu haben, dass Halbleiter Konfliktstoff für die globale Machtpolitik haben und rief die Europäische Rohstoffallianz ins Leben, mit dem Ziel „eine nachhaltige Versorgung mit Rohstoffen zu gewährleisten“.*3 Die EU könne es sich nicht erlauben, so der EU-Kommissionsvizepräsident Maroš Šefčovič, „unsere derzeitige Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen gegen eine Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen einzutauschen.“ Dies gilt sicherlich umso mehr, als dass es sich bei China um einen systemischen Rivalen handelt. 

Neben einer ersten Rohstoffallianz mit Kanada, wurde im Juli 2021 eine weitere Rohstoffpartnerschaft mit der Ukraine geschlossen. Die Ukraine verfügt über bedeutende Mengen an Mangan, Nickel und Lithium sowie über Seltene Erden. Durch die Kooperation mit der Ukraine erhofft sich die EU eine weitere Diversifizierung der strategischen Wertschöpfungskette. Perspektivisch könnte die Ukraine durch seine geographische Lage am schwarzen Meer zu einem wichtigen Lieferanten der Europäischen Union werden.*4 Doch gerade in dieser Region kommt es immer wieder zu militärischen Spannungen mit Russland, wie im Juni 2021, als die USA gemeinsam mit der Ukraine ein Manöver abgehalten haben5, was die Lieferungen durch den Bosporus erschweren könnte. 

Der kurze Exkurs in die Geopolitik zeigt auf, wie fragil die internationalen Lieferketten für digitale Endgeräte sein können. Denn sollte es zu einer Verknappung der Rohstoffe kommen, ist davon auszugehen, dass sowohl die Produktion heruntergefahren werden muss als auch die Preise für entsprechende Produkte steigen werden. 

Geopolitik macht auch vor der Jugendsozialarbeit keinen Halt

Was hat das mit Jugendsozialarbeit zu tun? Während vor der Corona-Pandemie das Thema Digitalisierung im Diskurs der Jugendsozialarbeit bestenfalls eine untergeordnete Rolle gespielt hat, wirkte das Virus in den zurückliegenden anderthalb Jahren als Brandbeschleuniger. Laptops und Handy wurden angeschafft, Mitarbeiter*innen ins Homeoffice geschickt, Onlineberatungen eingeführt. Die Jugendsozialarbeit hat technisch aufgeholt und holt weiter auf. 

Diese Entwicklung ist sicherlich zu begrüßen, allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Preise für Halbleiterprodukte erheblich steigen oder schlichtweg nicht erhältlich sind. Welche Folgen eine Verknappung des Angebots hat, sieht man heute schon in der Autoindustrie. Aber auch Apple musste den Verkaufsstart seines iPhones 12 aufgrund von Verzögerungen in der Produktionskette verschieben, ebenso wie Sony, wo es weiterhin zu Lieferproblemen bei der Playstation*5 kommt, die auf Produktionsprobleme und Verzögerungen beim Chip-Hersteller AMD und dem Zulieferer TSMC zurückzuführen sind. 

Letztendlich werden die Verzögerungen und Produktionsprobleme von Chips vor allem die Wirtschaft treffen, allerdings sollte sich auch die Jugendsozialarbeit darüber im Klaren sein, dass die Umstellung auf digitale Arbeitsprozesse und Abläufe mittelfristig nicht nur zu Kostensteigerungen führen kann, sondern auch die Gefahr besteht, dass Maßnahmen nicht mehr durchgeführt werden können, da dringend benötigte Halbleiterprodukte schlichtweg auf dem Markt nicht zur Verfügung stehen. 

Digitalisierung weiter entwickeln und dabei „analog“ nicht verlernen

Dies bedeutet nicht, dass die Jugendsozialarbeit ihr Digitalisierungsbemühungen einschränken oder zurückfahren soll, im Gegenteil. In den kommenden Monaten und Jahren wird es jedoch eine große Herausforderung für die Jugendsozialarbeit sein, jene Bereiche zu identifizieren, die digital substituiert werden können und gleichzeitig zu analysieren, welche Bereiche der Arbeit zwingend analog durchgeführt werden müssen, bzw. was hybrid umgesetzt werden kann. 

Fest steht, dass die Jugendsozialarbeit „analog“ nicht verlernen darf. Denn gerade analoge, interpersonelle Begegnungen sind im Feld der Jugendsozialarbeit wertvoll und wichtig. Gleichzeitig würde ein digitaler „roll back“ durch exogene Faktoren, ähnliche Probleme verursachen, wie die erzwungene Digitalisierungsoffensive während der Corona-Pandemie.

Quelle: Michael Herkendell – BAG KJS 

Kommentare spiegeln die Ansicht der Autor*innen wider und sind als individueller Meinungsbeitrag nicht gleichbedeutend mit der Meinung der Redaktion. 

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*1 Vogel, Hannes: China macht seine Superwaffe scharf vom 30. Mai 2019 in: https://www.n-tv.de/wirtschaft/China-macht-seine-Superwaffe-scharf-article21057023.html.

*2 Herrmann, Christian: TSMC, das wichtigste Unternehmen der Welt vom 13. Februar 2021 in: https://www.n-tv.de/wirtschaft/TSMC-das-wichtigste-Unternehmen-der-Welt-article22354152.html.

*3 https://ec.europa.eu/germany/news/20200929-rohstoffallianz_de.

*4 Nemitz, Fabian: Ukraine ergibt Nutzungsrechte an Rohstoffvorkommen vom 21. Januar 2021, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/branchen/branchenbericht/ukraine/ukraine-vergibt-nutzungsrechte-an-rohstoffvorkommen-606688.

*5 https://www.rnd.de/politik/ukraine-konflikt-osze-sieht-gefahr-der-eskalation-mit-russland-im-schwarzen-meer-EXDJBS4IXHHJW4PFPUCRJO2C4Y.html.

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