Gleiche Berufschancen für alle Jugendlichen

Das duale Ausbildungssystem gilt als Erfolgsfaktor für die niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland. Dennoch fallen etliche Jugendliche zwischen Schulabschluss und Berufseinstieg durch das Ausbildungsraster. Aktuell befinden sich rund 300.000 Jugendliche in einer Maßnahme des Übergangs. Die Grünen fordern in ihrem Antrag „Mit DualPlus mehr Jugendlichen und Betrieben die Teilnahme an der dualen Ausbildung ermöglichen“ die Bundesregierung auf, Sorge zu tragen, dass zukünftig alle Jugendlichen die einen Ausbildungsplatz suchen, auch einen erhalten. Ferner soll vor Ort entschieden werden, ob die ergänzenden Lernorte der dritten Säule bei bestehenden Bildungsträgern, an gut ausgestatten Berufsschulen oder in neu ausgerichteten überbetrieblichen Ausbildungsstätten angeboten werden.

Außerdem fordern die Grünen in einem 12-Punkte Katalog, dass die Bundesregierung dafür sorgen soll, dass durch flächendeckende Modularisierung aller dualen Ausbildungsberufe kein Ausbildungsschritt mehr ohne Ausbildungsanschluss bleibt. Dadurch sollen die einzelnen Einheiten innerhalb des Erlernens eines Berufes nahtlos aneinander anschließen können.“

Die Grünen wollen sicher stellen, dass zukünftig alle Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen, auch einen erhalten. Dafür sollen nach dem Konzept DualPlus zusätzliche Ausbildungsplätze insbesondere für marktbenachteiligte Jugendliche und junge Menschen mit Förderbedarf über eine dritte Säule in überbetrieblichen Lernorten geschaffen werden. Der Ausbildungsvertrag wird zwischen den Jugendlichen und den überbetrieblichen Lernorten geschlossen. Durch vorgeschaltete Produktionsschulen, individuelle Förderung und eine bis zu einem Jahr längere Ausbildungsdauer soll jeder Jugendliche im Rahmen von DualPlus zu einer Ausbildung befähigt werden und einen anerkannten Kammerabschluss erreichen. Dabei soll immer auch ein Wechsel in eine betriebliche Ausbildung mit Kammerabschluss möglich sein. Die betriebliche duale Ausbildung genießt gegenüber dieser ergänzenden Struktur Vorrang.
Im Rahmen des Grünen Models „DualPlus“ sollen auch kleine und spezialisierte Betriebe und solche ohne Ausbildungstradition ausbilden können. Es ist vorgesehen, dass Betriebe bundesweit anerkannte betriebliche Ausbildungsbausteine anbieten und sich durch die Übernahme einzelner Module an der Berufsausbildung beteiligen, ohne die gesamte Verantwortung für eine duale Ausbildung zu übernehmen.

Mit der Frage, wie gute Ausbildung gelingen kann, haben sich auch internationale Bildungsforscher beschäftigt. Die großen Unterschiede in der Gestaltung und Organisation in der dualen Briefsausbildung sorgen für erhebliche Qualitätsunterschiede in unterschiedlichen Ländern. Das „International Network on Innovative Apprenticeship“(INAP) richtet daher eine Kommission ein, die internationale Standards für die duale Ausbildung erarbeitete.

Die INAP-Kommission wirbt in ihrem dazu veröffentlichten Memorandum verstärkt für mehr Ausbildungen in „Kernberufen“ mit modularer Spezialisierungsmöglichkeit und die Entwicklung offener, dynamischer Berufsbilder, die der zunehmenden technischen und räumlichen Flexibilisierung der Arbeitswelt Rechnung tragen.
Im Zuge einer solchen Entwicklung ist es notwendig, dass junge Menschen schon in ihrer (Erst-)Ausbildungsphase ein breites Wissen über die Arbeits- und Berufswelt, aber auch über ihre potentiellen Karrierewege erwerben.

Den aktuellen Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen „Mit Dual Plus mehr Jugendlichen und Betrieben die Teilnahme an der dualen Ausbildung ermöglichen“ sowie die Veröffentlichung des Memorandums der INAP Kommission zum Aufbau und Strukturen einer modernen dualen Berufsausbildung nimmt die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e.V. zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass sich Reformüberlegungen im Ausbildungssystem daran messen lassen müssen inwieweit sie benachteiligte Jugendliche berücksichtigten und es gelingt, sie zu integrieren.

Das Anliegen des Antrages von Bündnis 90/ Die Grünen, allen Jugendlichen unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft gleiche Beruf- und Lebenschancen zu eröffnen, wird uneingeschränkt geteilt. Eine geforderte flächenmäßige Modularisierung bedingt allerdings, dass sie in ein einheitliches Konzept eingebunden sein muss. Qualifizierungen unterhalb des Systems geregelter Ausbildungsberufe sind in das Ausbildungssystem zu integrieren. Sie können nur unter der Prämisse der Ausrichtung an den Bedürfnissen und individuellen Möglichkeiten der Jugendlichen orientiert sein, betonte Andreas Lorenz – Geschäftsführer der BAG KJS.

Die BAG KJS fordert eine individuelle Förderung, die zeitliche Flexibilität und Durchlässigkeit beinhaltet. Eine nur an betrieblichen Interessen ausgerichtete Modularisierung birgt die Gefahr, ganzheitliche Aspekte einer Berufsausbildung zu ignorieren. Jugendliche mit besonderem Unterstützungsbedarf benötigen verlässliche und effektive Strukturen.

Die Grünen schlagen zur Förderung benachteiligter Jugendlicher den Aufbau einer dritten Säule – Förderung in überbetrieblichen Lernorten – vor. Die BAG KJS macht sich stattdessen für eine bundesweite Förderung assistierter Ausbildungskonzepte stark. Darin sind Betriebe, Jugendliche sowie Bildungsträger partnerschaftlich beteiligt.

Berufliche Kompetenz ist mehr als die Aneignung von Fertigkeiten und Qualifikationen und Wichtigkeit der Berufsfähigkeit. Die Berufsfähigkeit ist ein Grundpfeiler von beruflicher Bildung aus katholischer Sicht. Diese unterstütz die BAG KJS nachhaltig: Berufliche Bildung darf dabei nicht auf die Vermittlung von funktionalen Qualifikationen für eine bestimmte Tätigkeit reduziert sein, sondern muss eine umfassende, ganzheitliche Bildung sicherstellen, die die Entfaltung von Anlagen und Fähigkeiten der jungen Menschen zum Ziel hat. Am Ende der Berufsausbildung muss ein voll qualifizierender Abschluss erreicht werden können. Die Qualität der dualen Ausbildung misst sich an ihrer Fähigkeit, junge Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen zum Ausbildungserfolg zu führen.

Begleitstrukturen für die Ausbildung müssen dabei mit dem Ziel einer aufeinander fußenden Lernortkooperation geschehen. Diese Lernortkooperation wird beispielsweise aktuell im Modellversuch „Ausbildung in Vielfalt“ untersucht. In diesem Modellversuch, welcher beim Verband der Kolpinghäuser angesiedelt ist, sollen möglichst viele Jugendwohnheime untereinander vernetzt werden, um das Angebot Jugendwohnen moderner, vielfältiger und attraktiver zu machen.

„Die große Chance zum Erwerb des Wissens für einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss und der damit einhergehenden Kompetenzen liegt z.B. im Jugendwohnen, wo junge Menschen aus unterschiedlichsten Familien, Ausbildungsberufen und Regionen sich ungezwungen austauschen und vernetzen können.“ betont Matthias von Schlichtkrull-Guse, Referent beim Verband der Kolpinghäuser, die positive Wirkung des Jugendwohnens. Die pädagogischen Angebote im Jugendwohnen leiten zur kritischen Auseinandersetzung mit den eigenen Berufs- und Lebenswegen an und bieten darüber hinaus vielfältige Möglichkeiten, sich selber auszuprobieren und die eigenen Fähigkeiten auszubauen. Gerade die jungen Menschen im Jugendwohnen haben schon belegt, dass sie bereit sind neue Wege zu gehen und ihnen Mobilität und Flexibilität selbstverständlich sind. “

Quelle: Bündnis 90/Die Grünen; INAP-Kommission; BAG KJS; Pressedienst des Deutschen Bundestages

Dokumente: MEMORANDUM__INAP_Commission_ARCHITECTURE_APPRENTICESHIP_May_2012_deutsch.pdf

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