Auszüge aus dem Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung eines sozialen Arbeitsmarktes:
“ Problem
Der arbeitsmarktpolitische Instrumentenkasten des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) weist eine Leerstelle im Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung auf. Die existierenden Instrumente des § 16 SGB II bieten den Jobcentern zwar diverse Möglichkeiten zur Förderung von Menschen mit Vermittlungshemmnissen, allerdings sind die Instrumente bei einer Vielzahl von ihnen wirkungslos. Ihnen bleibt daher der Zugang zum Arbeitsmarkt dauerhaft verwehrt. Infolge dessen droht ihnen ein Leben am Rande der Gesellschaft.
Das betrifft insbesondere Menschen, die auch bei einer hohen Arbeitskräftenachfrage aufgrund vielfältiger Vermittlungshemmnisse mittelfristig keine Chancen auf eine ungeförderte Beschäftigung haben. … Diese Zielgruppe für einen Sozialen Arbeitsmarkt wurde bislang von den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten nicht erreicht. …
Auch Arbeitslose mit multiplen Problemlagen haben Potentiale, die durch geeignete Mittel gestärkt und ausgebaut werden können. An diese Potentiale kann angeknüpft werden, wenn eine Teilhabebasis geschaffen wird, von der aus neue Chancen entwickelt werden können. Gegenwärtig werden diese Potenziale jedoch nur unzureichend gefördert.
Lösung
Notwendig ist eine ergänzende Regelung, durch die sich auf lange Sicht auch für Menschen mit besonders schweren Vermittlungshemmnissen und komplexen Problemlagen neue Erwerbsperspektiven ergeben. Für über 25jährige Menschen mit mindestens zwei weiteren in der Person liegenden Vermittlungshemmnissen (z.B. gesundheitliche und/oder soziale Einschränkungen), die darüber hinaus seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind und nicht in Ausbildung oder Arbeit vermittelt werden konnten, wird eine zusätzliche Fördermöglichkeit geschaffen. …
Um auch für diese Menschen eine Teilhabeperspektive zu schaffen, wird auf Basis des bestehenden § 16e SGB II („Förderung von Arbeitsverhältnissen“) mit einer zusätzlichen zweiten Säule ein echter Sozialer Arbeitsmarkt geschaffen. Die bereits bestehende Förderung von Arbeitsentgelten bis zu 75 Prozent des sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelts wird dafür um die zusätzliche Möglichkeit einer Förderung bis zu 100 Prozent des sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelts ergänzt. Die Höhe des Zuschusses richtet sich nach der Leistungsfähigkeit des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Voraussetzung für diese neue Fördermöglichkeit ist, dass die relevanten lokalen Arbeitsmarktakteure diesem Arbeitsverhältnis im Rahmen eines lokalen Konsenses zustimmen. Durch diesen lokalen Konsens entsteht ein öffentlich geförderter und gesellschaftlich akzeptierter Beschäftigungsbereich, der einerseits sozialintegrativ wirkt und andererseits eine Brückenfunktion in den regulären Arbeitsmarkt übernimmt. Die Beschäftigungsverhältnisse bieten den Teilnehmenden verlässliche Strukturen, ermöglichen deren soziale Stabilisierung und lassen perspektivisch einen Übergang in den regulären Arbeitsmarkt zu. Der Soziale Arbeitsmarkt steht prinzipiell für alle Tätigkeiten bei allen Arbeitgebern offen.
Der Soziale Arbeitsmarkt soll Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnissen eine neue und verlässliche Perspektive schaffen und sozio-kulturelle Teilhabe ermöglichen. Die Teilnahme am Sozialen Arbeitsmarkt beruht auf Freiwilligkeit. Es müssen die individuellen Vermittlungshemmnisse dieser Arbeitslosen und ihre Wege aus der Arbeitslosigkeit im Mittelpunkt des Lösungsansatzes stehen, denn nur mit einer auf den Einzelfall abgestimmten Integrationsstrategie kann ihnen nachhaltig geholfen werden. Daher wird über die genannte Ergänzung hinaus des Weiteren die Förderdauer des § 16e SGB II flexibilisiert, so dass Personen auch über einen Zeitraum von zwei Jahren hinaus gefördert werden können. Grundlage der Förderung ist jeweils eine maßnahmenübergreifende individuelle Integrationsstrategie. Zur Vermeidung von „Creaming-“, „Einsperr-“ und Mitnahmeeffekten sind ein sorgfältiges Auswahlverfahren, die regelmäßige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen, die Feststellung der erreichten Zwischenziele sowie begleitende Maßnahmen, Beratung und Vermittlung vorgesehen.
Die Arbeitsentgelte und der Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen im Sozialen Arbeitsmarkt werden aus Bundesmitteln bezuschusst. Zur Finanzierung werden Einsparungen bei den passiven Leistungen (Regelsatz Arbeitslosengeld II, Kosten der Unterkunft) herangezogen. …
Kosten
Dem Bundeshaushalt würden pro 50 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern jährliche Kosten in Höhe von von ca. 340 Mio. Euro entstehen. Diese sinken erheblich (um ca. 130 Mio. Euro), wenn die am Sozialen Arbeitsmarkt beteiligten Kommunen ihre Einsparungen bei den Kosten der Unterkunft zur Finanzierung des Sozialen Arbeitsmarktes in Form eines Passiv-Aktiv-Transfers einspeisen. Darüber hinaus entstehen Mehreinnahmen von nahezu 280 Mio. Euro bei den Sozialversicherungen sowie ca. 40 Mio. Euro Steuermehreinnahmen bei Bund, Ländern und Kommunen. … „
Den Gesetzentwurf der Grünen in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.
Quelle: Bündis 90/DIE GRÜNEN – Brigitte Pothmer MdB
Dokumente: 1711076_GE_Sozialer_Arbeitsmarkt.pdf