Gehört der Islam zu Deutschland? – Ein Stimmungsbild

Auszüge aus einem Stimmungsbild zu der Frage „Gehört der Islam zu Deutschland?“ basierend auf Ergebnissen der ZuGleich-Studie von Andreas Zick und Madlen Preuß:
“ … Gleichwertigkeit
(…) Eine deutliche Mehrheit der Befragten befürwortet die gleichwertige Anerkennung des Islam. Jede/Jeder Vierte (25.6 Prozent) lehnt dies hingegen ab und ist der Meinung, der Islam könne, beziehungsweise dürfe nicht gleichberechtigt neben der katholischen wie evangelischen Kirche in Deutschland bestehen. 17.4 Prozent der Befragten entziehen sich der klaren Positionierung zur Anerkennung und sind unentschieden. Dabei spielt die Geschlechtsgruppenzugehörigkeit der Befragten keine Rolle.

Auch das Lebensalter nimmt keinen klaren Einfluss auf die Zustimmung zur Aussage, der Islam sei genauso anzuerkennen wie die katholische und evangelische Kirche. Ein signifikanter Unterschied findet sich nur über alle Altersgruppen hinweg, allerdings nicht zwischen den einzelnen Befragtengruppen. Dementsprechend ist festzuhalten, dass jüngere Menschen keinesfalls häufiger die gleichwertige Anerkennung des Islam fordern, wie es aufgrund höherer Kontakthäufigkeit zu vermuten wäre.

Dementgegen zeigt sich, dass vor allem Personen mit hohem Bildungsniveau sehr viel eher für die gleichwertige Anerkennung des Islam als Religionsgemeinschaft stimmen und über ein niedriges oder mittleres Bildungsniveau verfügen, liegt hingegen kein Unterschied in der Bewertung, der Islam sei ebenso wie die christlichen Kirchen anzuerkennen, vor.

Abgesehen von alternativen christlichen Glaubensgemeinschaften sprechen sich die Angehörigen der verschiedenen Religionsgemeinschaften in der Mehrheit für die Anerkennung des Islam aus. Insbesondere die nicht explizit aufgelisteten Gläubigen anderer Konfessionen, wie Jüdinnen und Juden oder Anhänger/-innen fernöstlicher Glaubensgemeinschaften, weisen eine überdurchschnittlich hohe Zustimmung auf. Doch auch die Angehörigen der evangelischen und katholischen Kirche und konfessionslose Befragte befürworten mehrheitlich die gleichberechtigte Stellung des Islam. (…)

Feindseligkeit
Von der Betrachtung einer einzelnen Aussage auf die allgemeine Anerkennung des Islam zu schließen, ist nicht einfach, weil sogenannte Ein-Item-Messungen die Vielschichtigkeit des angesprochenen Themas verkürzen. Weitere Analysen legen jedoch offen, dass die Zustimmung zur gleichberechtigten Stellung des Islam deutlich mit der Ablehnung muslimfeindlicher Äußerungen einhergeht. Personen, die eine gleichwertige Anerkennung des Islam fordern, neigen zu einer Ablehnung der folgenden Aussagen: ##„Es leben zu viele Muslime in Deutschland“
## „Die muslimische Kultur hat einen gefährlichen Einfluss auf die deutsche Jugend“
## „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden“
## „Vor allem in Bildungseinrichtungen sollten Muslime immer im Auge behalten werden, damit sie ihre Ideologien nicht verbreiten können“
Es stellt sich des Weiteren heraus, dass diejenigen, welche sich für die klare Anerkennung des Islam aussprechen, sich seltener „durch die vielen Muslime wie Fremde im eigenen Land“ fühlen. Die hohen und signifikanten Zusammenhänge weisen darauf hin, dass ebendiese Anerkennungsverweigerung durchaus als eine Facette muslim- beziehungsweise islamfeindlicher Einstellungsmuster zu begreifen ist und folglich auch nicht von Vorurteilen zu trennen ist.

Überwindung
Die Anerkennung des Islam ist ein gesellschaftliches Konfliktthema, welches den Analysen nach mit traditionellen wie modernen Stereotypen und auch muslimfeindlichen Einstellungen verbunden ist. (…) Ein Grund für die enge Verbindung der Anerkennungsfrage mit Feindseligkeiten ist auch darin begründet, dass die generalistische Frage, ob �die ganze Religion Islam’ passt, konkrete Verfahren blockiert und gleichzeitig immer wieder alle Mitglieder der Religion in Generalhaft für alles, was unter Islam firmiert, nimmt. Der Blick für muslimische Lebenswelten im gesellschaftlichen Alltag wird verschlossen. (…)

Fragt man Bürger/-innen nicht nach der Passung einer ganzen Religion, sondern nach einer praktischen Anerkennung des Islam als Konfession, dann ist die Anerkennungsbereitschaft viel höher. Religion ist ein Bekenntnis (Confessio) und diese wird durchaus anerkannt und geht mit weniger islamfeindlichen Meinungen einher. Andersherum wird die Anerkennung nicht von Bürger/-innen geteilt, die negative Bilder, Narrative oder sogar Feindseligkeiten gegenüber Muslimen teilen und auf eine Kontrolle und Distanz setzen.

(…) Für die Anerkennung, zu der die befragten Bürger/-innen deutlich votieren, ist eine formale Regelung zwischen Institutionen notwendig. Es muss geregelt werden, mit wem und wie eine formale institutionelle Anerkennung erfolgen kann. Das scheint ein schwieriger Drahtseilakt zu sein. (…)
Soll die Meinung der Bürger/-innen zum Islam in Deutschland ernstgenommen werden, könnte man auch mit einem europäischen Blick fragen: In anderen Ländern ist das Edikt gelungen, warum sollte es in Deutschland scheitern?“

www.uni-bielefeld.de/ikg/projekte/ZuGleich.html

Quelle: Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Uni Bielefeld

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