Flüchtlinge und andere Migranten am Arbeitsmarkt

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat die Lage von Flüchtlingen und anderen Migranten am deutschen Arbeitsmarkt analysiert. Die verfügbaren Daten sprechen dafür, dass die berufliche Qualifikation der Flüchtlinge deutlich geringer ist als bei anderen Ausländergruppen, im Bereich der schulischen Bildung ist das Gefälle geringer. Angesichts des geringen Durchschnittsalters – 55 Prozent der Flüchtlinge sind unter 25 Jahre – besteht jedoch ein erhebliches Potenzial, das durch Investitionen in Bildung und Ausbildung qualifiziert werden kann. Bei einem Zuzug von jeweils einer Million Flüchtlinge 2015 und 2016 ergäbe sich im Vergleich zu einem Szenario ohne Flüchtlingsmigration eine zusätzliche Arbeitslosigkeit von +130.000 Personen. Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass die Beschäftigungsquote von Flüchtlingen von unter zehn Prozent im Zuzugsjahr auf knapp 50 Prozent fünf Jahre nach dem Zuzug steigt.

Ausländerzentralregister registriert deutliches Wachstum bei der ausländischen Bevölkerung in Deutschland

Im August 2015 ist die ausländische Bevölkerung in Deutschland nach den Angaben des Ausländerzentralregisters (AZR) um 707.000 Personen gegenüber August 2014 und um 488.000 Personen gegenüber Dezember 2014 gewachsen. Die Bevölkerung aus den wichtigsten Asylherkunftsländern ist gegenüber August 2014 um 309.000 und gegenüber Dezember 2014 um 226.000 Personen gewachsen. Da viele Flüchtlinge in Deutschland noch nicht registriert und bei den Ausländerbehörden gemeldet sind, dürfte das tatsächliche Bevölkerungswachstum noch höher ausgefallen sein.

Das IAB untersuchte, wie die Chancen der Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt stehen und prognostiziert eine Zunahme der Arbeitslosigkeit. Auszüge aus dem IAB-Bericht:

„(…) Wandel der Qualifikationsstruktur

(…) Das BAMF erhebt auch die Qualifikation von Flüchtlingen auf der Grundlage freiwilliger Selbstauskünfte. Die Erhebung ist nach Auskunft des BAMF trotz hoher Fallzahlen nicht repräsentativ. Den Angaben zufolge haben unter den 2015 befragten Flüchtlingen 13 Prozent eine Hochschule, 17,5 Prozent ein Gymnasium, 30 Prozent Haupt- und Realschulen (Sekundarschulen), 24 Prozent Grundschulen und 8 Prozent gar keine Schule besucht. (…)

In der amtlichen Statistik der BA können zwar gegenwärtig Flüchtlinge noch nicht umfassend identifiziert werden, aber es können Aussagen über Erwerbslose und Erwerbstätige aus den wichtigsten Herkunftsländern der Flüchtlingsmigration getroffen werden. Allerdings sind in diesen Daten Asylbewerber und Geduldete in der Regel noch nicht repräsentiert, zudem setzt sich diese Population auch aus Personen zusammen, die nicht als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. (…)

Auch wenn noch erhebliche Unsicherheit über die genauen Daten besteht, so kann davon ausgegangen werden, dass die berufliche Qualifikation der Flüchtlinge nicht nur deutlich geringer ist als die des Durchschnitts der Deutschen, sondern auch als die anderer Ausländer oder Migrantengruppen. Besonders gering sind die beruflichen Qualifikationen unter den bei der BA registrierten Erwerbslosen, also unter den primären Adressaten der Arbeitsmarktpolitik.

Das schulische Bildungsniveau der Flüchtlinge ist deutlich höher als die beruflichen Qualifikationen, aber auch hier gibt es ein Bildungsgefälle. (…) Das künftige Fachkräftepotenzial der Flüchtlinge wird erheblich von Investitionen in Bildung und Ausbildung abhängen. Angesichts des geringen Alters und der schulischen Voraussetzungen bestehen bei entsprechender Förderung erhebliche Qualifizierungspotenziale. (…)

Arbeitsmarktentwicklung

(…) Die Arbeitsmarktentwicklung von Flüchtlingen und anderen Migranten wird künftig gespalten verlaufen. Die Beschäftigungsquoten von anderen Migranten werden weiter steigen, ihre Arbeitslosenquoten 2016 sinken. Demgegenüber werden die Beschäftigungsquoten der Bevölkerung aus den Asylherkunftsländern mit zunehmender Zuwanderung von Flüchtlingen weiter fallen, die Arbeitslosenquoten zumindest kurzfristig steigen.

Vor einem erfolgreichen Abschluss der Asylverfahren erhalten Asylbewerber Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und sind in der überwiegenden Mehrheit nicht als arbeitslos registriert. Ähnliches gilt für Menschen, deren Asylanträge abgelehnt wurden. Der Anstieg der registrierten Arbeitslosigkeit von Flüchtlingen bzw. Asylbewerbern aus den Asylherkunftsländern hängst deshalb davon ab, wie schnell die Asylsuchenden registriert werden, wie schnell die Asylanträge bearbeitet werden, wie hoch die Schutzquoten sind, wie hoch der Anteil ist, der Deutschland wieder verlässt, sowie von einer Reihe weiterer Faktoren.

Das IAB schätzt, dass bei einem Zuzug von jeweils einer Million Flüchtlinge in diesem und im kommenden Jahr das Erwerbspersonenpotenzial durch Migration 2015 um 324.000 und 2016 um 610.000 Personen steigt. Der Effekt der Flüchtlingsmigration auf die jahresdurchschnittliche Arbeitslosigkeit wird – im Vergleich zu einem Szenario ohne Flüchtlingsmigration – auf +130.000 Personen im Jahr 2016 geschätzt. (…) Die Ausweitung des Erwerbspersonenpotenzials wird nicht zu Verdrängungseffekten von Deutschen oder anderen Ausländern in größerem Umfang führen. Dazu ist einerseits die Ausweitung des Erwerbspersonenpotenzials zu gering, andererseits entsteht durch die Konzentration auf bestimmte Branchen und Tätigkeiten kein Wettbewerbsdruck etwa zu deutschen Arbeitnehmern.“

Quelle: IAB Bericht 14/2015

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