Familienreport 2011 dokumentiert Anstieg der Armutsrisikoquote

Auszüge aus dem Familienreport 2011:
“ … Materielle Armutsrisiken von Kindern und Jugendlichen in Deutschland

Gegenwärtig verfügen ca. 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche in 1,5 Millionen Haushalten in Deutschland über ein Einkommen, das unterhalb von 60 Prozent des gewichteten Medianeinkommens liegt. Die Armutsrisikoquote der unter 18-Jährigen liegt damit bei 19,4 Prozent. Auf Haushaltsebene liegt sie mit 12,5 Prozent niedriger, weil in den betroffenen Haushalten mehr Kinder leben als in Familien jenseits der Armutsrisikogrenze. Setzt man die niedrigere Einkommensschwelle von 50 Prozent des gewichteten Medianeinkommens an (wie z.B. in Frankreich), so leben 1,4 Mio. Kinder in einem Haushalt mit relativ niedrigem Einkommen, die Armutsrisikoquote liegt bei 10,8 Prozent.

… Zwischen 2002 und 2009 hat sich die Armutsrisikoquote jedoch relativ stabil zwischen 16 Prozent und 18 Prozent bewegt, ohne weiter anzusteigen. 2010 ist allerdings ein deutlicher Anstieg um 2,6 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen, der vor allem auf den Anstieg des mittleren Einkommens zurückzuführen ist. Auch die Armutsquote, die sich an der 50 Prozent-Schwelle orientiert, schwankte in den letzten Jahren relativ konstant, stieg im Jahr 2010 aber deutlich an. Die Betroffenheit von starker Armut (40 Prozent-Schwelle) liegt weiterhin relativ konstant zwischen drei Prozent und vier Prozent. …

Armutsrisiken nach dem Alter der Kinder
Kinder und Jugendliche sind umso häufiger von Armut betroffen, je älter sie sind. Etwa jedes fünfte Kind bzw. jeder fünfte Jugendliche im Alter zwischen sechs bis unter 18 Jahren gilt als armutsgefährdet. Auf die Gruppe von 15 Jahren bis unter 18 Jahren … entfallen 20 Prozent aller armutsgefährdeten Kinder und Jugendlichen.

Für den hohen Anteil armutsgefährdeter Jugendlicher zwischen 15 und unter 18 Jahren gibt es mehrere Erklärungen: Zum einen ist der Anteil der Jugendlichen aus Alleinerziehendenhaushalten in dieser Gruppe höher als bei den unter 15-Jährigen. Weiterhin entfällt für die Alleinerziehenden der Unterhaltsvorschuss, der nur bis zum 12. Lebensjahr des Kindes gewährt wird. Darüber hinaus wohnt ein Teil dieser Jugendlichen bereits in einem eigenen Haushalt und verfügt – entsprechend der eigenen Erwerbssituation – nur über ein geringes Erwerbseinkommen. Schließlich ist die höhere Armutsrisikoquote unter Jugendlichen auch durch die höheren materiellen Bedürfnisse in dieser Altersklasse zu erklären. Diese wirken sich in einer Höhergewichtung der Jugendlichen bei der Berechnung des Nettoäquivalenzeinkommens aus.

Armutsrisiken in unterschiedlichen Familientypen
Das höchste Armutsrisiko besteht für Kinder aus Alleinerziehendenhaushalten. Mit den insgesamt rund 1,2 Millionen armutsgefährdeten Kindern aus dieser Gruppe wächst fast jedes zweite von relativer Armut bedrohte Kind mit nur einem Elternteil auf.

Diese weit überdurchschnittliche Betroffenheit ist – trotz besonderer öffentlicher Transferleistungen für Alleinerziehende – vor allem dadurch zu erklären, dass in diesen Haushalten nur eine Person erwerbstätig sein kann und dies aufgrund der derzeit gegebenen Betreuungssituation zumeist nur eingeschränkt.

Deutlich geringer als in Haushalten von Alleinerziehenden fällt die Armutsrisikoquote in Paarhaushalten aus. Je nach Anzahl der Kinder liegt sie zwischen 7,1 Prozent und 22,3 Prozent.

Insgesamt waren 2010 rund 1,3 Millionen Kinder und Jugendliche in Paarhaushalten von Armut betroffen. Dabei mag die rückläufige Armutsrisikoquote beim Übergang von Einkindfamilien zu Zweikindfamilien zunächst erstaunen, da das Nettoäquivalenzeinkommen für sich genommen durch ein zweites Kind sinkt. Jedoch ist zu beobachten, dass sich diese Familien oftmals in einer Lebensphase befinden, in der sie in ihrer beruflichen Entwicklung spürbare Einkommenszuwächse erfahren. Dieser Effekt über kompensiert dann die finanziellen Mehrbelastungen durch ein zweites Kind.

Anders stellt sich der Vergleich zwischen Zweikindfamilien sowie Dreiund Mehrkindfamilien dar. Die Armutsrisikoquoten zwischen beiden Familientypen unterscheiden sich um 15,2 Prozentpunkte. Für diesen deutlichen Anstieg im Übergang zwischen beiden Familientypen können mehrere Gründe angeführt werden.

So ist bekannt, dass Mütter mit mindestens drei Kindern im Durchschnitt in jüngerem Alter ihr erstes Kind bekommen als Mütter mit ein oder zwei Kindern. Mutterschaft in jungem Alter führt in Deutschland aufgrund der mangelhaften Vereinbarkeit von Familie und Berufsbildungssystem bzw. Studium zu beruflichen Nachteilen, etwa wenn eine Ausbildung nicht abgeschlossen wird, der Berufseinstieg misslingt, die Berufstätigkeit von Müttern zu diskontinuierlich ist oder in geringem Umfang stattfindet. …

Armutsrisiken im europäischen Vergleich
In nahezu allen Ländern der Europäischen Union sind Kinder einem größeren Armutsrisiko ausgesetzt als Erwachsene. Im Jahr 2010 betrug der durchschnittliche Abstand der Armutsgefährdungsquoten in den Ländern der EU 15 zwischen beiden Bevölkerungsgruppen 3,6 Prozentpunkte. Besonders auffällig sind die Unterschiede in Luxemburg und Italien, wo die Armutsgefährdungsquote der unter 18-Jährigen etwa sieben Prozentpunkte über der der Erwachsenen liegt. Dänemark, Finnland, Schweden und Deutschland hingegen weisen für die jüngere Bevölkerungsgruppe sogar ein geringeres Armutsrisiko aus als für den Durchschnitt der Bevölkerung.

Neben dem Vereinigten Königreich sind vor allem in den südeuropäischen Ländern hohe Armutsgefährdungsquoten bei Kindern unter 18 Jahren zu beobachten. In Griechenland, Spanien und Italien ist etwa jedes fünfte oder sogar jedes vierte Kind von relativer Einkommensarmut bedroht. …

Leistungen für Bildung und Teilhabe
Mit der Einführung des Bildungs-und Teilhabepakets rückwirkend zum 1. Januar 2011 hat die Bundesregierung bei der Förderung von Kindern aus benachteiligten Familien einen neuen Weg eingeschlagen. Das Paket wurde eingeführt für Kinder von Eltern, die Arbeitslosengeld II, Sozialgeld oder Sozialhilfe beziehen. Zudem können auch etwa 460.000 Kinder von Eltern, die Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen, die neuen Leistungen in Anspruch nehmen. …

Eine erste begleitende Evaluierung des Bildungs-und Teilhabepakets zeigt: Nur zwei Monate nach Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets war das Paket bereits bei 91 Prozent der Bezieherinnen und Bezieher des Kinderzuschlags bekannt. 47 Prozent von ihnen haben bereits jetzt Leistungen daraus in Anspruch genommen oder beantragt, weitere 31 Prozent haben dies vor. Die Kinderzuschlagsbezieherinnen und bezieher beanspruchen also schon heute die neue Hilfe in beträchtlichem Umfang und wollen in Zukunft noch stärker davon Gebrauch machen. …

Bildungschancen verbessern

Alle Befunde zur Verteilung von Bildungschancen in Deutschland und zur Bedeutung der sozialen Herkunft für den Schulübertritt und den Schulerfolg lenken den Blick auf eine stärkere Einbeziehung der Familie in Bildungsprozesse. Bildungsund Erziehungspartnerschaften von Bildungsinstitutionen wie Kitas und Schulen mit den Eltern finden in Bildungsplänen bereits ihren Niederschlag. Die Angebote der Erziehungsu- und Elternbildung beziehen Bildungsaspekte in der Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz, wie sie sich aus den Befunden der Familien- und Bildungsforschung ergeben, bislang nicht systematisch ein. Familienbildung erreicht darüber hinaus bildungsferne Familien oder ressourcenarme Familien mit Migrationshintergrund nicht in einem ausreichenden Maße.

Das im Mai 2011 gestartete Bundesprogramm „Elternchance ist Kinderchance – Elternbegleitung der Bildungsverläufe der Kinder“ knüpft hier mit dem Ziel an, die familiäre Begleitung frühkindlicher Bildungsprozesse zu festigen. Kern des Programms ist die Weiterqualifizierung von 4.000 Fachkräften der Familienbildung zu Elternbegleiterinnen und Elternbegleitern. …

Bildungsferne oder sozioökonomisch benachteiligte Eltern können ihre Kinder oft nur unzureichend bei Bildungsentscheidungen oder im konkreten Schulalltag unterstützen. Auch wenn Schulbildung und Ausbildung in vielen Familien einen hohen Stellenwert haben, mangelt es in der Alltagspraxis oft an Lernkompetenz und Unterstützungsvermögen. Insbesondere Eltern mit Migrationshintergrund fühlen sich häufig nicht kompetent genug, Bildungsentscheidungen für ihre Kinder zu treffen. In der Folge weisen vor allem bildungsferne Schichten und Personen mit Migrationshintergrund niedrigere Bildungsabschlüsse auf und erreichen häufiger keinen allgemeinen oder beruflichen Bildungsabschluss. Direkter Kontakt, niederschwellige Angebote und kontinuierliche Begleitung gehören zu den zentralen Eckpfeilern des Programms „Elternchance ist Kinderchance – Elternbegleitung der Bildungsverläufe der Kinder“. …

Insbesondere die aktive Ansprache von sogenannten bildungsfernen Familien und ressourcenarmen Familien mit Migrationshintergrund rückt damit deutlich stärker in den Blickwinkel der Familien bildung. Denn wie der Bildungsbericht 2010 deutlich macht, sind hier weitere Anstrengungen erforderlich, um den Bildungsstand und die Bildungsbeteiligung dieser Bevölkerungsgruppen zu verbessern. … „

Den Familienreport 2011 in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte aufgeführtem Link.

http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationen,did=176198.html
http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/familie,did=176180,render=renderPrint.html

Quelle: BMFSFJ

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