Fachbeitrag zu Jugendpolitischen Strategien gegen ungleiche Lebenslagen

In einem Fachbeitrag für das Magazin Außerschulische Bildung haben unser Geschäftsführer Tom Urig und unser Grundlagenreferent Michael Scholl „Jugendpolitische Strategien gegen ungleiche Lebenslagen junger Menschen“ beschrieben. Die zentrale These lautet: Für eine vollständige Teilhabe brauchen junge Menschen Sichtbarkeit, Ressourcen und Beteiligungsrechte.

Das Achte Buch des Sozialgesetzes (SGB VIII) garantiert jedem jungen Menschen ein Recht auf Förderung. Der Staat verspricht, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen und positive Lebensbedingungen für junge Menschen zu erhalten oder zu schaffen. Dennoch prägen soziale Ungleichheiten den Alltag von Millionen junger Menschen. Politische Strategien im Kampf gegen Ungleichheit sind noch wenig ausgereift und kohärent, kritisieren die Autoren.

Wissenschaftlich ist hinreichend belegt, dass vor allem der ökonomische Hintergrund junger Menschen ihre Bildungs- und Zukunftschancen bedingt. Schule als verpflichtender Bildungsort, den alle Kinder und Jugendlichen besuchen müssen, schafft bereits strukturell Ungleichheit durch unterschiedliche Schulformen wie Haupt-, Real- oder Gesamtschule und Gymnasium. Das Schulsystem selbst wird deswegen zur wesentlichen Quelle der Ungleichheit – strukturell und zunächst unabhängig von individuellen Fähigkeiten. In einer Reform der Bildungslandschaft liegt demnach Potenzial zum Abbau von Ungleichheit.

Der Text beleuchtet drei Teilhabe-Welten konkreter: Ausbildung und Beruf, politische Beteiligung und politische Bildung sowie digitale Teilhabe.

Ausbildung und Beruf

Wenn über die Teilhabe aller jungen Menschen in Ausbildung und Beruf gesprochen wird, muss über Inklusion gesprochen werden. Inklusion erfordert einen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel, der die Organisation von Bildung, beruflicher Förderung und Arbeit grundlegend verändert. Bislang ist nicht nur die Schule stark gegliedert und exkludierend angelegt. Die Förderung am Übergang in den Beruf ist in verschiedene Rechtskreise und nach Zielgruppen stark differenziert organisiert. Zudem gibt es zahlreiche Programme und Bildungswege auf Landesebene. Eine verlässliche Begleitung junger Menschen ist dadurch erschwert. Die Infrastruktur der lebenswelt-, bildungs- und arbeitsweltbezogenen Jugendsozialarbeit, der Schulsozialarbeit sowie des sozialpädagogisch begleiteten Jugendwohnens muss konsequent inklusiv und kooperativ ausgebaut und abgesichert werden, damit sie zuverlässig und niedrigschwellig allen jungen Menschen zur Verfügung steht, lautet eine der Empfehlungen.

Politische Beteiligung und politische Bildung

Echte Partizipation ist mehr als eine partielle Beteiligung, die ein Mitwirken oder Mitentscheiden zuweilen mal zulässt oder auch nicht. Grundlegende Haltung für partizipative Prozesse ist es, Kinder und Jugendliche als Expert*innen in eigener Sache zu sehen. Um es deutlich zu formulieren: Beteiligung von jungen Menschen findet nur da wirklich statt, wo Erwachsene (Sozialarbeiter*innen, Lehrer*innen, Politiker*innen …) bereit sind, bewusst auf einen Teil ihrer Macht zu verzichten. Dazu gehört Zutrauen in die Jugendlichen, aber auch eine aktive Unterstützung durch ein Schaffen von geeigneten (geschützten) Freiräumen sowie Angeboten an Formaten und Methoden. Demokratiebildung wird dann wirksam, wenn Partizipation fester Teil des pädagogischen Konzepts ist und tagtäglich demokratisches Miteinander (vor)gelebt wird und nicht nur im Rahmen von einzelnen Maßnahmen, konstatieren die Autoren. Eine zentrale Erfahrung gelungener Partizipation ist dabei die der Selbstwirksamkeit.

Digitale Teilhabe

Weil digitale Teilhabe soziale Teilhabe sichert, muss sie barrierefrei ermöglicht werden. Das ist jedenfalls die Überzeugung der BAG Katholische Jugendsozialarbeit. Und deswegen muss in einem ersten Schritt die Lücke geschlossen werden, die zwischen von Armut betroffenen oder bedrohten jungen Menschen gegenüber Gleichaltrigen besteht. Zu einer inklusiven digitalen Teilhabe für alle jungen Menschen gehören ein einfacher und sicherer Zugang zu digitaler Hardware, zu digitaler Infrastruktur und zum Internet genauso wie Möglichkeiten des Kompetenzerwerbs. Digitale Beziehungsarbeit und die Begleitung junger Menschen ist wachsender Teil der Jugendsozialarbeit. Gelingt es nicht, die Strukturen und die jungen Menschen auszustatten, bleiben junge Menschen mit sozialpädagogischem Unterstützungsbedarf jetzt und künftig abgehängt: bei Entwicklungen in der Ausbildung 4.0 und in einer Arbeitswelt, die zunehmend digitaler wird.

Der vollständige Beitrag ist in der Ausgabe 2/2023 der Fachzeitschrift Außerschulische Bildung des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten erschienen und abrufbar (digitales Abo/Einzelheft) über https://fachzeitschrift.adb.de/ausgabe/soziale_ungleichheit/

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