Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) ab 2021 veröffentlicht. Mit diesem Vorschlag setzt die EU-Kommission eine erste konkrete Marke, wo die politischen Schwerpunkte gesetzt und wie Umfang und die Struktur aller Förderprogramme von 2021 bis 2027 aussehen werden. Für die Jugendsozialarbeit haben zwei europäische Förderprogramme besondere Relevanz: das Bildungs- und Jugendprogramm Erasmus+ und der für Beschäftigung und Soziales bedeutende Europäische Sozialfonds ESF. Für Erasmus+ ist eine Verdoppelung der Finanzmittel auf rund 30 Mrd. Euro vorgesehen. Beim ESF soll das bisherige Budget beibehalten werden. Der Kommissionsvorschlag muss vom Europäischen Rat noch einstimmig beschlossen und danach vom Plenum des EU-Parlaments angenommen werden. Alexander Hauser – Fachreferent der BAG KJS für das Themenfeld „Jugendsozialarbeit und Europa“ kommentiert den Kommissionsvorschlag.
Verdoppelung des Budgets für Erasmus+
Sehr erfreulich sind die Entwicklungen für das Programm der Union für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport Erasmus+, für welches eine Verdoppelung der Finanzmittel auf rund 30 Mrd. Euro vorgeschlagen wurde. Damit folgt die Kommission den mehrfach und auf allen EU-Ebenen geäußerten politischen Willen dem Bildungs- und Jugendbereich mehr Bedeutung zu geben, und dass sich dieses auch in der besseren Ausstattung der zuständigen Programme zeigt: „…dass Mobilität und Austausch verstärkt werden müssen, auch durch ein substanziell aufgestocktes, inklusives und erweitertes Programm Erasmus….“ (Europäische Kommission, Vorschlag für eine VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zur Einrichtung von Erasmus, dem Programm der Union für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport, 30.05.2018). Mit der Verdoppelung der Mittel soll eine Verdreifachung der Teilnehmenden in allen Programmbereichen erreicht werden. Erklärtes Ziel ist es das Programm noch inklusiver zu gestalten und den Anteil der jungen Menschen mit geringeren Chancen zu erhöhen. Entsprechend den Vorgaben beim ESF+ soll auch Erasmus+ eine Verwaltungsvereinfachung erfahren. Zudem soll Erasmus+ stärker mit anderen EU-Instrumenten, wie z.B. den ESF+, verknüpft werden und diese Programme ergänzen. Leider lässt sich aus dem Vorschlag nicht herauslesen, ob der für die Jugendsozialarbeit besonders relevante Jugendbereich (Jugend in Aktion) einen höheren Anteil an den Programmmitteln erhält. Dies war und ist eine der zentralen Forderungen der zuständigen Jugendverbände/Wohlfahrtsverbände, schließlich erhielt der Jugendbereich bisher lediglich 10% aus dem Erasmus+-Budget, verantwortete aber 20% der Teilnehmenden im Gesamtprogramm.
Aus Sicht der Jugendsozialarbeit kritisch muss die als Neuerung in Erasmus+ verortete „Initiative DiscoverEU“ gesehen werden. Sehr Öffentlichkeitswirksam werden hierfür aus dem Budget von Erasmus+ 700 Mill. Euro zur Finanzierung von Zugtickets (ähnlich Interrail) bereitgestellt. So wird zwar einzelnen Jugendlichen das kostenfreie Reisen durch Europa ermöglicht, es ist aber sehr wahrscheinlich, dass hiervon hauptsächlich mobilitätsprivilegierte Jugendliche profitieren. Zudem gehen diese Mittel zu Lasten des Jugendbereichs in Erasmus+ und sind somit für die Durchführung qualitätsvoller Mobilitätsmaßnahmen verloren.
Die inhaltliche Ausgestaltung des neuen Erasmus+ ab 2021 wurde Ende Mai über einen Verordnungsvorschlag der EU Kommission konkretisiert. Dessen tiefere Analyse aus Perspektive der (katholischen) Jugendsozialarbeit steht noch aus.
Europäisches Solidaritätskorps als eigenes Programm
Das bereits 2016 neu beschlossene Europäische Solidaritätskorps ESK wird zukünftig den gesamten Bereich der Freiwilligenarbeit für junge Menschen abdecken und außerhalb von Erasmus+ als eigenständiges Programm geführt. Hierfür werden nochmals 1,23 Mrd. Euro bereitgestellt. Darin findet sich der bereits 2017 aus Erasmus+/Jugend in Aktion ausgegliederte Europäische Freiwilligendienst wieder. Gerade in Deutschland gab es von Trägerseite große Kritik an dieser zusätzlichen Programmstruktur und auch die inhaltliche Ausgestaltung wird weiterhin kontrovers diskutiert. Zur anvisierten Verschlankung und Übersichtlichkeit von Programmstrukturen trägt dieser Vorschlag jedenfalls nicht bei.
Vom ESF zum erweiterten ESF+
Über den ESF flossen bisher bundesweit erhebliche Mittel als Kofinanzierung in Projekte vor allem der Jugendberufshilfe bzw. in die Arbeitsmarktintegration junger Menschen. Das Bundesprogramm „Jugend Stärken“ des BMFSFJ ist ebenfalls ein Beispiel mit ESF-Kofinanzierung.
Trotz aller Befürchtungen und Diskussionen um die Folgen von BREXIT, sind nun doch keine größeren Kürzungen des Programmbudgets in den Vorschlägen der Kommission zu finden. Der anvisierte Betrag von 101 Mrd. Euro würde, auch unter Anrechnung von Preissteigerungen, eine ungefähre Beibehaltung des bisherigen Budgets bedeuten. Allerdings ist noch unklar, wie die zukünftige Verteilung auf die einzelnen Mitgliedsstaaten aussehen wird. Es ist nicht auszuschließen, dass Deutschland als „reicher“ Mitgliedstaat mit einem gutgehenden Arbeitsmarkt weniger Mittel erhalten wird. Ob die bisherige Regionalisierung des ESF in Deutschland (nebeneinander von Bundes-ESF und Länder-ESF) beibehalten werden kann, ist ebenfalls noch nicht entschieden. Als ziemlich sicher können die strukturellen Änderungsvorschläge gewertet werden. Der bisherige Europäische Sozialfonds (ESF) wird mit dem Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Menschen (EHAP), der Jugendbeschäftigungsinitiative, dem Programm für Beschäftigung und soziale Innovation (EaSI), dem EU-Gesundheitsprogramm und der Bereich Integration aus dem Asyl- und Migrationsfond (AMIV) zu einem ESF+ zusammengelegt. Ebenfalls positiv zu sehen sind die angestrebten Verwaltungsvereinfachungen, z.B. durch vereinfachte Kostenoptionen (Pauschalierung), Reduktion der Verwaltungsvorschriften und gemeinsamen und gleichen Regeln für die meisten Programmbereiche.
Dokumente zum MFR von der EU-Kommission:
https://ec.europa.eu/commission/publications/factsheets-long-term-budget-proposals_de
Stellungnahme der BAGFW zum MFR:
Quelle: BAG KJS