Es bedarf neuer Wege, um die Krise auf dem Ausbildungsmarkt zu meistern – Ein Kommentar

In den „Jugendsozialarbeit News“ am 21. April war eine Meldung, die alle aufschrecken muss, denen die Situation am Ausbildungsmarkt am Herzen liegt. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen einen dramatischen Rückgang an abgeschlossenen Ausbildungsverträgen, ca. 100.000 in den letzten zwei Jahren. Die Untersuchung des FIBS zeigt parallel, dass Jugendliche mit Real- oder Hauptschulabschluss sowie diejenigen ohne Schulabschluss noch weiter abgehängt werden. Die Zielgruppe der Jugendsozialarbeit wird zum Verlierer der Veränderungen, die durch die Coronapandemie beschleunigt wurden. Ludger Urbic, Referent für Jugendsozialarbeit an der BDKJ-Bundesstelle und Fachreferent im Bereich „Berufliche Integration“ in der BAG KJS, kommentiert die Krise auf dem Ausbildungsmarkt und fordert neue Wege und diese zu lösen. Auf Basis langjähriger Erfahrungen in der Jugendberufshilfe fordert Urbic eine Ausbildungsgarantie und ein Programm „Außerbetriebliche Ausbildung“, damit allen jungen Menschen eine Perspektive für ihre berufliche Zukunft eröffnet werden kann.

Dramatischer Rückgang von Unternehmen, die ausbilden

Sowohl das statistische Bundesamt als auch das FIBS beschreiben, dass nur ein Trend verstärkt worden ist: Der Rückgang der Unternehmen, die ausbilden, ist dramatisch. Weiterhin drängen Jugendliche mit hohen Schulabschlüssen in die dualen und schulischen Ausbildungen, mittlere und einfache Schulabschlüsse sind kaum noch Zugangsweg für eine Ausbildung. Im Rahmen der vielfältigen Corona-Hilfspakete hat die Bundesregierung ein Programm „Ausbildungsplätze sichern“ aufgelegt, das aber kaum Auswirkungen gehabt hat. Die Fördersummen sind für dieses Jahr verdoppelt worden, weiter Unternehmen können profitieren. Es ist trotzdem ein weiterer Rückgang der Ausbildungsplätze zu erwarten. Die Partner*innen in der Allianz für Ausbildung versprechen einen wirksamen Beitrag zur Verbesserung der Situation.

Allein mir fehlt der Glaube. Diese geballten Aktionen haben im letzten Jahr schon wenig Wirkung gezeigt. Warum sollen sie auf einmal wirken?  Es steht zu erwarten, dass wieder viele Jugendliche in für sie ungeeignete schulische Alternativen fliehen, andere Jugendliche sich heimlich still und leise aus Qualifizierung und Ausbildung verabschieden. Wie soll die Katastrophe für die Jugendlichen verhindert werden, damit sie die Perspektive nicht verlieren?

Die ausgetretenen Pfade verlassen und neue Wege gehen

Ich habe selbstverständlich kein Patentrezept, das ich aus dem Hut zaubern kann. Ich bin mir aber sicher, dass wir die ausgetretenen Pfade verlassen müssen. Ich halte es für richtig als erste Priorität auf die duale Berufsausbildung zu setzen. Aber jetzt ist es Zeit dieses System nicht zu überfrachten. Es braucht vermutlich langfristig Ergänzungen zur dualen Ausbildung. Kurzfristig muss aber Hilfe für die Jugendlichen, die jetzt außen vorbleiben, geschaffen werden. Ihre fehlende Perspektive wird für sie zu einer Belastung genauso zu einer Belastung für die ganze Gesellschaft. Dem zukünftigen Fachkräftemangel kann so nicht begegnet werden.

Wir brauchen jetzt kurzfristige Schritte zur Schaffung zusätzlicher Möglichkeiten. Mich überzeugt der Vorschlag verschiedener Organisationen ein Bundesprogramm zur Schaffung zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze aufzulegen. Diese sollten den Jugendlichen ein verlässliches Angebot für eine volle Ausbildung machen. Dies muss so gestaltet sein, dass es jederzeit flexible, betriebliche Anteile und Elemente geben kann. Der Übergang in reguläre betriebliche Ausbildung muss jederzeit möglich sein. Diese außerbetrieblichen Ausbildungsplätze müssen jetzt geschaffen werden, damit sie im Herbst nicht zur Verfügung stehen

Vorbehalte aufgeben und den Perspektiven der Jugendlichen Vorrang einräumen

Ich fordere die verschiedenen Seiten auf, ihre Vorbehalte gegen die außerbetriebliche Ausbildung aufzugeben und die Perspektive der Jugendlichen in den Mittelpunkt zu stellen. Das System der überbetrieblichen Ausbildung in Österreich kann uns dabei als positives Beispiel dienen. Hier ist die s.g. überbetriebliche Ausbildung ein anerkanntes System, das mit der betrieblichen Ausbildung zusammenarbeitet und von den Betrieben als System anerkannt wird. Die dort Ausgebildeten haben gute Chancen auf die Integration in den Arbeitsmarkt. Ich persönlich gehe davon aus, dass auch wir in Zukunft unser Ausbildungssystem um ein solches Element und weitere Elemente erweitern müssen, um allen ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Jugendlichen eine Perspektive bieten zu können. Die Stützung der Ausbildung in Betrieben und darüber hinaus durch die Elemente der Assistenz, Berufsvorbereitung und sozialpädagogische Begleitung wird zudem unverzichtbares Element eines funktionierenden Ausbildungssystems bleiben. Ich wünsche mir wirklich mehr Mut und Offenheit Aller, um die Krise am Ausbildungsmarkt zu beenden.

Quelle: Ludger Urbic, Fachreferent für Jugendberufshilfe im Netzwerk der BAG KJS

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