Auszüge aus dem Positionspapier „Gleichberechtigte Teilhabe verwirklichen.“ des Deutschen Vereins:
“ Ganzheitliche Unterstützung ermöglichen – Schnittstellen mindern
Eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen setzt auch die gute Abstimmung der verschiedenen Unterstützungssysteme voraus. Zunächst sind Unterstützungssysteme so auszugestalten, dass eine ergänzende Inanspruchnahme weiterer Leistungssysteme nicht erforderlich wird. Dies trifft u.a. auf die häusliche Krankenpflege und die Soziotherapie zu.
Generelle Maßnahmen zur Herstellung von Teilhabe sind auch beim Schulbesuch erforderlich (z.B. Barrierefreiheit der Schulgebäude). Gelingt eine (generelle) barrierefreie Wahrnehmung des Unterrichts für alle (noch) nicht, sollte die ggf. individuell gebotene Unterstützung durch Integrationshelfer/innen durch die für Schule zuständigen Stellen erfolgen.
Der Deutsche Verein beobachtet mit Sorge, dass die Reformvorhaben Pflege und Eingliederungshilfe weitgehend isoliert betrachtet werden. Er hält es für dringend geboten, diese Reformvorhaben besser miteinander zu verzahnen. Der Personenkreis der Anspruchsberechtigten aus Eingliederungshilfe und Pflege weist schon heute große Schnittmengen auf. Mit der Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und der anhand der Selbstständigkeit orientierten Pflegegrade wird sich diese Überlappung weiter verstärken. Notwendig sind daher Regelungen, die eine nahtlose, bedarfsgerechte Erbringung beider Leistungen ermöglichen. Dafür wäre beispielsweise denkbar, Einrichtungen der stationären Pflege mit denen der stationären Behindertenhilfe gleichzustellen und so vom Anwendungsbereich des § 71 Abs. 4 SGB XI auszunehmen.
## Leistungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung nahtlos erbringen
Eine Einbeziehung der Großen Lösung SGB VIII in ein Bundesteilhabegesetz ist gut zu überlegen. Diese sollte davon abhängen, ob kurzfristige Möglichkeiten zur Verringerung der Schnittstelle zum Erfolg führen und die offenen Fragen hinsichtlich einer Großen Lösung SGB VIII partizipativ und zeitnah beantwortet werden (können). Das fachliche Ziel einer abgestimmten Leistungserbringung für alle Kinder und Jugendlichen (mit Behinderung) lässt sich durch kurzfristig mögliche Verwaltungsvereinbarungen, gemeinsame Hilfeplanungen und verstärkte Zusammenarbeit vielfach auch jetzt schon erreichen. Eine reguläre Kooperation der Eingliederungshilfeträger und der Träger der Kinder- und Jugendhilfe würde auch zu einer effektiveren Leistungserbringung beitragen.
Der Deutsche Verein hält das Bundesteilhabegeld für einen wichtigen, nachhaltigen und maßvollen Bestandteil eines Bundesteilhabegesetzes. Das Bundesteilhabegeld verbindet die beiden Reformziele der Stärkung der Teilhabe mit der notwendigen finanziellen Entlastung der vornehmlich kommunal organisierten Eingliederungshilfeträger. (…) Ein Bundesteilhabegesetz mit seinen verschiedenen Reforminhalten steht vor der Herausforderung, gleichberechtigte Teilhabe der Menschen mit Behinderung zu stärken, ausreichend Mittel für die Aufgaben der Leistungsträger und Leistungserbringer vorzusehen und die Ausgabendynamik zu dämpfen. Mit einem Bundesteilhabegeld in Kombination mit anderen Maßnahmen wäre ein wesentlicher Schritt in diese Richtung getan.“
Auszüge aus den gewerkschaftlichen Anforderungen an ein Bundesteilhabegesetz:
„(…) Die Armutsgefährdung ist bei Menschen mit Behinderung deutlich höher. Insbesondere im erwerbsfähigen Alter steigt die Armutsgefährdung bei den Menschen mit Behinderung an und ist teilweise doppelt so hoch, wie bei den Menschen ohne Behinderung. Aus Sicht des DGB sollte eine Behinderung nicht arm machen und kein Grund für den Gang zum Sozialamt sein. Die Eingliederungshilfe sollte deshalb aus dem Fürsorgesystem Sozialhilfe herausgelöst werden und mit dem Bundesteilhabegesetz in das Recht für behinderte Menschen des SGB IX eingegliedert werden. (…)
Aus Sicht des DGB muss die Chancengleichheit von Menschen mit Behinderung vollständig garantiert und jedem Menschen ein selbstbestimmtes Leben in der Mitte der Gesellschaft möglich sein. In der Mitte der Gesellschaft heißt vor allem, dass separates Lernen, Wohnen und Arbeiten in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung kurz- bis mittelfristig durch gemeinsames Lernen, Wohnen und Arbeiten von Menschen mit und ohne Behinderung abgelöst werden sollte. Unter dem Stichwort Inklusion muss so die selbstverständliche und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung als ein wichtiges Menschenrecht umgesetzt werden.
Die UN-Konvention fordert u.a. einen offenen inklusiven Arbeitsmarkt, auf dem behinderte Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen und ihren Arbeitsplatz frei wählen können. Aus Sicht des DGB bedeutet dies, dass es insbesondere für die Zielgruppe der in der WfbM beschäftigten Menschen, die einen großen Teil der Eingliederungshilfeempfängerinnen und Empfänger ausmacht, zukünftig deutlich mehr Angebote auf dem ersten Arbeitsmarkt geben sollte. Das geplante Bundesteilhabegesetz sollte hierfür die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, damit behinderte Menschen im Rahmen der Eingliederungshilfe mehr Unterstützung bekommen, wenn sie in den ersten Arbeitsmarkt wechseln wollen. Allerdings sind darüber hinaus noch weitere Reformschritte nötig, um die Arbeitswelt insgesamt barrierefreier zu gestalten: (…)
## Mehr Übergänge aus WfbM in regulären Arbeitsmarkt durch neues Instrument „Budget für Arbeit“
## Erwerbsfähigkeit erhalten, Zugänge in Rehabilitation verbessern
## Bessere Zusammenarbeit der Reha-Träger durch Klarstellungen im SGB IX
## Beschäftigungsanreize für Unternehmen erhöhen
## Behinderung darf nicht arm machen, Bedürftigkeitsunabhängigkeit anstreben
## Ausbau individueller Fachleistungen
## Sozial gerechte Finanzierung von Teilhabeleistungen“
Quelle: DGB; Deutscher Verein
Dokumente: DGB_Anforderungen_an_ein_Bundesteilhabegesetz.pdf