Einrichtung eines Sozialen Arbeitsmarktes

Auszüge aus dem Konzeptpapier der SPD-Landesgruppe Ost zur Einrichtung eines Sozialen Arbeitsmarkts:
“ (…) Die Arbeitslosigkeit wird zunehmend als Strukturproblem erkennbar. Die schlechteren Chan-cen auf eine Beschäftigungsaufnahme spiegeln sich auch deutlich in den Strukturen der Arbeitslosigkeit nach der Dauer wider. Der Vergleich mit der Abgangsrate Langzeitarbeitsloser mit der aller Arbeitsloser – die als Chance, die Langzeitarbeitslosigkeit im nächsten Monat durch Aufnahme einer Beschäftigung am „ersten Arbeitsmarkt“ zu beenden – interpretiert werden kann, zeigt eine deutlich niedrigere Chance von Langzeitarbeitslosen. Die Abgangsrate von Arbeitslosen, die weniger als ein Jahr arbeitslos waren, fiel in 2013 mit 9,5 Prozent mehr als sechs Mal so hoch aus wie für Langzeitarbeitslose (Abgangsrate: 1,5 Prozent). Die Arbeitsmarktpolitik wird sich also daran messen lassen müssen, ob es ihr gelingt, Langzeitarbeitslosigkeit strukturell anzugehen und zu beenden.

Studien des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen, dass 40 Prozent der Unternehmen auch gar nicht bereit sind, Langzeitarbeitslose einzustellen; 16 Prozent der Betriebe berücksichtigen grundsätzlich keine arbeitslosen Bewerber/-innen. Sie befürchten fehlende Qualifikation und/oder Eignung bei Arbeitslosen, und können derzeit noch auf Berufswechsler(-inn)en und Absolvent(-inn)en zurückgreifen. (…)

Der „Soziale – dritte – Arbeitsmarkt“ ist für diejenigen also eine Chance, die wegen ihres Alters wegen fehlender, lange zurückliegender oder falscher Qualifikation, oder auch wegen anderer großer und oft multipler Vermittlungshemmnisse auf dem ersten Arbeitsmarkt absehbar keine Perspektiven am ersten Arbeitsmarkt haben. Sie bekommen damit die Chance auf langfristige, sozialversicherungspflichtige und tariflich bezahlte Arbeit. Sie bekommen zudem die Möglichkeit auf Teilhabe, Selbstbestimmung und eine gewisse Anerkennung. (…)

Lösungsansatz
Die Bundesregierung plant (…) in der angelaufenen Förderperiode des Europäischen Sozialfonds ein Bundesprogramm „Perspektiven in Betrieben“ aufzulegen, das abzielt auf langzeitarbeitslose Leistungsbezieher/-innen des SGB II ab dem Alter von 35 Jahren, die ohne Berufs-abschluss bzw. ohne verwertbaren Berufsabschluss sind – auflegen. Dabei sollen Arbeitsstellen des allgemeinen Arbeitsmarktes, insbesondere bei Wirtschaftsunternehmen, für die Zielgruppe eingeworben werden, die ein intensives Arbeitnehmercoaching und zeitlich befristete, degressiv gestaltete Lohnkostenzuschüsse beinhalten. Geplant ist, dieses Programm aus Mitteln des ESF und dem Eingliederungsbudget des SGB-II zu finanzieren. Gegenwärtig wird davon ausgegangen, dass zur Programmausstattung rd. 470 Mio. Euro aus ESF-Mitteln zuzüglich der erforderlichen nationalen Mittel zur Kofinanzierung zur Verfügung gestellt werden. Programmstart soll Beginn des Jahres 2015 sein. (…)

Von dem geplanten ESF-Programm wird aus unterschiedlichen Gründen zunächst nur ein überschaubarer Teil der vom Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personen profitieren können. All jene Personen, die im Hinblick auf die von Wirtschaftsunternehmen gestellten Leistungserwartungen an die Erfüllung eines Arbeitsverhältnisses (trotz Förderung) nicht eingestellt werden, die dauerhaft nur eingeschränkte Leistungen erbringen können, eine im Zeitverlauf schwankende Leistungsfähigkeit haben (z.B. psychisch kranke bzw. suchtkranke Menschen) oder im geförderten Beschäftigungsverhältnis schlicht scheitern, brauchen andere Lösungen. Nicht zuletzt ist denjenigen Menschen Rechnung zu tragen, die in strukturschwachen, von hoher Arbeitslosigkeit geprägten Regionen (…) vom Arbeitsmarkt dauerhaft ausgeschlossen sind.

Unser Ziel ist es, dass auch für diejenigen Menschen Teilhabe an Arbeit ermöglicht wird, die lange Zeit arbeitslos waren (zwei Jahre oder eine längere kumulierte Arbeitslosigkeit) und die trotz vorausgegangener intensiver Eingliederungsbemühungen (bspw. auch unter Einbeziehung der neuen ESF-Bundes- und Landesprogramme) nicht in Erwerbsarbeit integriert werden können. Zum Zweck der Teilhabe an Arbeit wird es eine Förderung von sozialversiche-rungspflichtigen Arbeitsverhältnissen geben. Dies wäre eine sinnvolle Ergänzung zu den bestehenden Förderungsansätzen und zum geplanten ESF-Programm der Bundesarbeitsministerin. Unser Ansatz stellt auf die Menschen ab, die in Unternehmen keine oder nur noch wenig Chancen haben.

Bei den angestrebten Arbeitsverhältnissen handelt es sich um tariflich bzw. ortsüblich entlohnte, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, die auf Freiwilligkeit beruhen, reguläre Beschäftigungsverhältnisse nicht verdrängen und auch nicht das Entstehen neuer Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt behindern. (…) Die Laufzeit eines „Modellprogramms Sozialer Arbeitsmarkt“ sollte mindestens drei Jahre betragen und eine feste Option auf Verlängerung haben. Die Arbeitslosen sollten, wenn sie eine Arbeit angenommen haben, je nach Bedarf betreut und mit zusätzlichen Angeboten (z.B. sozialpädagogische Begleitung, arbeitsplatzbezogene Qualifizierung) unterstützt werden.

Grundlage der Finanzierung eines solchen Ansatzes soll der seit Jahren diskutierte, aber nur in lokalen Pilotprojekten simulierte „Passiv-Aktiv-Transfer“ sein. Der Bund und im besten Fall die Kommunen beteiligen sich dabei in dem Umfang, in dem passive Mittel eingespart werden, an der Ausfinanzierung. (…) Mit dem Passiv-Aktiv-Transfer könnte gezeigt werden, dass der aktive Einsatz bislang passiv geleisteter Mittel unserer Zielgruppe besser gerecht wird. Bisherige Langzeitarbeitslose können auf Grund einer sinnvollen Beschäftigung wieder aktiver Teil der Gesellschaft werden. Durch die Aktivierung von bisher passiven Mitteln wird zudem kaum zusätzlicher Kostenaufwand ausgelöst. Da dieser Transfer bisher gesetzlich nicht vorgesehen ist, muss er zunächst „simuliert“ werden. Mittelfristig bräuchte es eine Änderung des SGB-II. (…)“

Quelle: SPD-Landesgruppe Ost; O-Ton-Arbeitsmarkt

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