Duale Ausbildung 2020 – wie sieht die Zukunft aus?

Wie können Jugendliche mit vielen Risikofaktoren in eine duale Ausbildung integriert werden?
Auszüge aus dem Beitrag von Elisabeth Hoffmann, Koordinatorin für Bildungs- , Familien- und Jugendpolitik, Hauptabteilung Politik und Beratung, Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin:
“ Insgesamt gibt es … eine erstaunlich hohe Zahl junger und jüngerer Menschen, von denen der größte Teil über nur eingeschränkte oder geringe Chancen der Teilhabe am ersten Ausbildungs- bzw. Arbeitsmarkt verfügt. …

Gleichzeitig berichten Betriebe (branchen- und regionalspezifisch) von zunehmenden Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsstellen zu besetzen. …

Die Parallelität der hohen Anzahl von Menschen ohne Ausbildungsplatz und der Betriebe, die Auszubildende suchen, erklärt sich aus Sicht der Betriebe in erster Linie mit der mangelnden Eignung vieler Bewerber. …

Noch nie waren die Chancen für Jugendliche, die bisher keinen Zugang zu einer Ausbildung finden konnten, so gut, sich in die Normalität einer Ausbildung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Unternehmen weiten ihre Angebote zur Unterstützung Leistungsschwächerer z. B. durch Nachhilfe (58 Prozent), Ausweitung von Praktikumsangeboten (18 Prozent) und dem Einsatz von Mentoren (13 Prozent) aus (s. ebd.). Sie reagieren damit auch auf die Praxiserfahrung, dass gerade bei Jugendlichen mit Schwächen im Bereich des kognitiven Lernens, die oft flankiert sind von Defiziten im Bereich persönlicher und sozialer Qualitäten, das Lernen in und durch Praxiserfahrung einen Entwicklungsschub bewirkt, der zum Ausbildungserfolg führt. Allerdings sehen Unternehmen Grenzen der eigenen Kompetenzen: Während sie sich in der Lage sehen, in Mathematik und Deutsch Defizite … „nachzubessern”, sehen sie in den aus ihrer Sicht kontinuierlich ansteigenden Defiziten im Bereich persönlicher und sozialer Kompetenzen (Disziplin, Leistungsbereitschaft, Belastbarkeit) das hauptsächliche Hemmnis für die Besetzung vakanter Ausbildungsplätze. …

Allerdings werden staatlicherseits bereits seit einigen Jahren Hilfen für Risiko-Jugendliche bereitgestellt, die auf die Integration in eine berufliche Ausbildung abzielen. … Diese…, so zeigt die Praxiserfahrung, sind jedoch in vielen Fällen nicht ausreichend. Für diese Jugendlichen existiert mit dem Konzept der Assistierten Ausbildung, das in Baden-Württemberg landesweit entwickelt und erprobt wurde, ein ausgereiftes Instrument, das auch über die Landesgrenzen hinaus eingesetzt werden kann. …

Assistierte Ausbildung „Baden-Württemberger Modell”

Die Assistierte Ausbildung „Baden-Württemberger Modell” ermöglicht eine reguläre betriebliche Ausbildung auf dem allgemeinen Ausbildungsmarkt, die mit umfassenden Vorbereitungs- und Unterstützungsangeboten seitens der Jugendberufshilfe flankiert wird. So wird das höchstmögliche Maß an beruflicher und gesellschaftlicher Teilhabe für eine Personengruppe erreicht, die häufig schon nach jahrelangen vergeblichen Versuchen jegliche Ausbildungsbemühung aufgegeben hatte und
durch ihre persönliche Lebenssituation eine betriebliche Berufsausbildung für unerreichbar hielt. …

Kleine Betriebe können eine Ausbildungsassistenz oft nicht alleine „stemmen”

Während Unternehmen wie z. B . die Deutsche Bahn, Telekom oder Globetrotter bereits seit einigen Jahren geeignete Mitarbeiter aus den eigenen Reihen für eine Ausbildungsassistenz qualifizieren, können viele mittlere und insbesondere kleine Betriebe keine eigenen Ausbildungsassistenten bereitstellen. Dabei wäre es für sie besonders wichtig, durch Ausbildung zukünftige Fachkräfte an sich zu binden, denn sie spüren den Fachkräftemangel am deutlichsten. …

Professionelle Ausbildungs- und Qualifizierungsunternehmen als Personaldienstleister für die Wirtschaft

Nach wie vor gibt es junge Menschen, die für ihre Berufsausbildung zumindest in einer Übergangszeit keinen Zugang zu einem betrieblichen Ausbildungsangebot finden. Bis auf wenige Ausnahmen (außerbetriebliche Ausbildung) brauchen wir für diese jungen Menschen professionelle Ausbildungs- und Qualifizierungsunternehmen, die eine intensive Betreuung gewährleisten, die aber auch am ersten Arbeitsmarkt in Kooperation mit den dort agierenden Unternehmen tätig sind. Ausbildungs- und Qualifizierungsunternehmen bieten eine Mischung aus Arbeitsalltag und Sozialtherapie. …

Stabile Arbeitsbedingungen für die sozialpädagogische Kerndienstleistung
Nicht nur die Intensivierung und flächendeckende Gewährleistung einer kontinuierlichen Begleitung und Betreuung der Jugendlichen mit den größten Integrationsproblemen, sondern auch die Stabilisierung und Aufwertung der Arbeitsbedingungen für die Fachkräfte, die das leisten, ist eine ebenso zentrale wie oft unbeachtete Bedingung für den Erfolg der skizzierten Ansätze. …

Die wichtige Kerndienstleistung einer Anleitung und Begleitung junger Menschen im Verhaltensbereich und beim Erwerb grundlegender Schlüsselqualifikationen sollte verlässlich und als Regelleistung ausgestaltet werden. Damit könnte auch der „Projektmüdigkeit” vieler Unternehmen begegnet werden, die des ständigen Wechsels von Ansprechpartnern und Projektbezeichnungen bzw. -strukturen müde sind und angesichts immer höherer Hürden, nicht nur in Bezug auf die Ausbildung junger Menschen sondern auch in Bezug auf die Inanspruchnahme von Ausbildungsunterstützung, lieber ganz auf Ausbildung verzichten. „

Was braucht die Arbeitswelt von morgen?
Auszüge aus dem Beitrag von Hilmar Schneider, Direktor des Centre d’Etudes de Populations, de Pauvreté et de Politique Socio-Economique/International Network für Studies in Technology, Environment, Alternatives, Development (CEPS/INSTEAD); Luxemburg:
“ Der Wunsch nach einem Blick in die Zukunft ist vermutlich bei vielen von der Hoffnung getragen, man könne sich besser auf das Kommende vorbereiten, wenn man wüsste, was da kommt. Doch diese Hoffnung ist gleich in mehrfacher Hinsicht trügerisch. …

Auf eine Entwicklung, die sich nicht vorhersagen lässt, kann man sich nur vorbereiten, indem man wandlungsfähig bleibt. Dies stellt nicht nur mentale und intellektuelle Anforderungen an die Menschen, die dem Wandel ausgesetzt sind, sondern auch an das Bildungssystem, das die Menschen darin unterstützen muss, den Wandel bestehen zu können.

Auch wenn sich der Wandel am Arbeitsmarkt nicht konkret vorhersagen lässt, ist es dennoch hilfreich, sich mit einigen grundlegenden Entwicklungen zu beschäftigen, die unser Arbeitsleben in Zukunft prägen dürften. Hier sind im Wesentlichen zwei Megatrends zu nennen. Der erste Trend lässt sich unter die Überschrift „Verlagerung unternehmerischer Risiken auf Arbeitnehmer” fassen. Der zweite Megatrend macht sich in allgemein wachsenden Qualifikationsanforderungen bemerkbar. …

Bislang beschränkt sich das Bildungssystem mehr oder weniger ausschließlich auf die Vermittlung von Fachqualifikationen. Das dürfte in Zukunft so nicht mehr ausreichen. Junge Menschen müssen darüber hinaus auch darauf vorbereitet werden, ihre unternehmerischen Fähigkeiten zu entwickeln. Dies äußert sich in einer wachsenden Bedeutung mentaler Fähigkeiten, wie beispielsweise sozialer und kommunikativer Kompetenz sowie zur Verantwortungsübernahme. Hier handelt es sich um Lernfelder, die bislang vielleicht eher der familialen Sozialisation überlassen waren. Zeitgleich mit der wachsenden Bedeutung solcher Fähigkeiten scheint die Familie mit ihrer Aufgabe als Ort der Vermittlung sozialer Kompetenzen aber immer häufiger überfordert. In Zukunft fällt dem Bildungssystem damit eine zusätzliche kompensierende Aufgabe zu. …

Soziale und Persönliche Kompetenzen als zukünftige Schlüsselqualifikation
Welche Fähigkeiten brauchen erfolgreiche Arbeitnehmer in der Arbeitswelt der Zukunft? Neben den rein fachlichen Kompetenzen, die so wichtig bleiben werden wie eh und je, treten mehr und mehr auch soziale Kompetenzen in den Vordergrund. Dazu gehören beispielsweise die Fähigkeit zur Vernetzung, kommunikative Kompetenz, Problemlösungskompetenz, die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, sowie Lernfähigkeit und Lernbereitschaft. Letzteres hat vermutlich auch Konsequenzen für unsere Vorstellung von Berufen. Menschen werden sich künftig wahrscheinlich stärker durch ihr Qualifikationsprofil als durch einen Beruf auszeichnen. Das sind alles Dinge, die sehr viel eigene Initiative erfordern und darauf sollten vor allem junge Menschen vorbereitet werden.

Hier wachsen der schulischen, aber auch der beruflichen Bildung Aufgaben zu, die sie bislang in diesem Umfang nicht hatten. Dabei ist überhaupt noch nicht klar, ob und wie Schule und Übergangssystem diesen Anforderungen überhaupt Rechnung tragen können. …

Fazit
Die Chancen, die sich jungen Menschen in den nächsten Jahrzehnten bieten, sind definitiv so gut wie lange nicht mehr. … Auch auch diejenigen, die über mittlere oder einfache Qualifikationen verfügen, werden künftig von besseren Chancen als in der Vergangenheit profitieren. Damit diese Chancen genutzt werden können, müssen drei Dinge zusammenkommen: Erstens muss verhindert werden, dass der demographische Wandel zu einer Explosion der Arbeitskosten und in der Folge zu einem massiven Abbau von Arbeitsplätzen führt. Zweitens müssen die neuen Chancen nachhaltig kommuniziert werden. Lernmotivation entsteht dann, wenn sich die Lernanstrengung erkennbar auszahlt. … Drittens muss die Vermittlung von fachlichen Fähigkeiten durch eine Stärkung mentaler Fähigkeiten ergänzt werden, damit junge Menschen am Arbeitsmarkt Erfolg haben können. … „

Die Publikation steht Ihnen unter aufgeführtem Link zum Download in vollem Umfang zur Verfügung.

Duale Ausbildung 2020_14 Fragen und 14 Antworten. Herausgegeben von Christine Henry-Hutmacher und Elisabeth Hoffmann, Konrad-Adenerau-Stiftung. ISBN: 978-3-944015-76-7.

www.kas.de/wf/doc/kas_35191-544-1-30.pdf?131105151238

Quelle: KAS

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