Droht der Kollaps beim sozialen Wohnungsbau? 

In Deutschland fehlen laut einer Prognose derzeit etwa 700.000 Sozialwohnungen. Einen solchen Bedarf habe es zuletzt vor 20 Jahren gegeben, heißt es in einer neuen Pestel-Studie im Auftrag des Bündnisses „Soziales Wohnen“. Millionen Mieterhaushalte haben laut Bündnis in Deutschland Anspruch auf eine Sozialwohnung. Allerdings reiche der Bestand nur für jeden Zehnten aus. Um einen zu erwartenden Kollaps abzuwenden, müsse der Staat ein Sondervermögen in Höhe von rund 50 Milliarden Euro schaffen. So könne das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel noch erreicht werden, bis Ende 2025 rund 380.000 Sozialwohnungen zu bauen. Bisher seien in der laufenden Legislaturperiode rund 20.000 Sozialwohnungen gebaut worden, schätzen Expert*innen. Es bedarf einer Trendumkehr. Bisher entsteht dort am wenigsten Wohnraum, wo er am dringendsten gebraucht wird.

Bei bezahlbaren Wohnungen wird das Versorgungsloch immer größer

Ein Bündnis aus Mieterbund, Baugewerkschaft, Sozial- und Branchen-Verbänden warnt vor einer „neuen und in ihrer Dimension beängstigenden Sozialwohnungsnot“. Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. verweist im Monitor „Jugendarmut in Deutschland 2022“ auf die drastisch gestiegenen Mieten und Energiepreise. Für armutsgefährdete Personen stellten diese eine große Herausforderung dar. Schon vor dem Inflationsanstieg sei es mit knappem Budget schwierig gewesen, bezahlbaren Wohnraum zu finden; auch “Vorkrisen”-Mieten waren erschreckend hoch. Doch nun drohe Existenzaufbau unbezahlbar zu werden. Und damit auch die Verselbständigung junger Menschen. 

1:10-Chance auf eine Sozialwohnung – mit fallender Tendenz

Das Bündnis „Soziales Wohnen“ argumentiert, dass die geforderten 50 Milliarden nicht nur notwendig seien, sondern auch gut investiert. Denn auf dem Wohnungsmarkt spiele sich schon jetzt ein „soziales Drama“ ab. Mehr als 11 Millionen Mieter*innenhaushalte hätten in Deutschland einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) – und damit auf eine Sozialwohnung. Aber nur für jede*n Zehnten davon gebe es eine Sozialwohnung. Das sei eine „bittere 1:10-Chance – mit fallender Tendenz“. Die Förderung für den sozialen Wohnungsbau müsse auf völlig neue Füße gestellt werden, wenn sie einen Effekt haben soll. 

Der in der Studie genannte Fehlbedarf ergebe sich unter anderem aus einer Zuwanderung von Geflüchteten aus der Ukraine sowie anderen Teilen Europas, erklärten die Expert*innen. Demografie bedingt wird Deutschland in den nächsten Jahren auf Zuwanderung angewiesen sein. Alleine um den Fachkräftebedarf zu decken sprechen Arbeitsmarktexpert*innen von einer erforderlichen Nettozuwanderung von jährlich 400.000 Personen. Wenn Deutschland attraktiv für Zuwanderung sein wolle, dann müsse es auch dort bezahlbaren Wohnraum geben, wo die Arbeitskräfte gebraucht werden, mahnt das Bündnis an. 

Über das Bündnis „Soziales Wohnen“

In dem Bündnis „Soziales Wohnen“ haben sich seit 2019 der Deutsche Mieterbund (DMB), die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) zusammengeschlossen. Bündnispartner sind darüber hinaus die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) als Dachverband der Mauersteinindustrie sowie der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB). 

Quelle: Deutscher Mieterbund; KNA; tagesschau.de; BAG KJS 

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