Digital abgehängt? – Ein Tagungsbericht

Unter dem Titel „Digital Abgehängt? – Benachteiligte Jugendliche und Fachkräfte der Jugendsozialarbeit im Spannungsfeld  alter Probleme und neuer Herausforderungen“ hatten die BAG KJS, das Kolpingwerk Deutschland und IN VIA Deutschland zu einer Fachtagung nach Paderborn eingeladen. Die Fachtagung am 08.11.18 setzte sich mit der Frage auseinander, welche Chancen und Risiken sich aus der Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelt für sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte Jugendliche ergeben. Diskutiert wurde auch, welche pädagogischen und technischen Kompetenzen die Jugendlichen sowie die Fachkräfte der Jugendsozialarbeit benötigen, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Als eine der wichtigsten Kompetenzen wird die Medienkompetenz gesehen. Sowohl die Fachkräfte als auch die Jugendlichen müssen diese besitzen. Lediglich die Medien bedienen zu können, reicht nicht aus. Die Jugendsozialarbeit muss stärker den Fokus auf die Arbeit in und mit den digitalen Medien legen. Gerade in der Sozialen Arbeit kann die Digitalisierung große Möglichkeiten bieten aber auch zugleich eine große Herausforderung sein.

So kann digitale Inklusion gelingen

Dr. Bastian Pelka (TU Dortmund) beleuchtete in seinem Vortrag „Digitale Inklusion möglich machen“ die Möglichkeiten der Fachkräfte in der Sozialen Arbeit.  Praktische Beispiele untermauerten, dass die Fachkräfte mit Hilfe der Digitalisierung Menschen mit Unterstützungsbedarf besser begleiten können. Indem sie digitale Lernorte nutzen und mitgestalten, wie z.B. Knoffit. Das ist eine Art Mitmach-Wörterbuch als Hilfe für Menschen mit Lernschwierigkeiten und ermöglicht ihnen den Zugang zu unverständlichen Texten. Auch körperlich eingeschränkten Menschen ist es durch Digitalisierung möglich, selbstbestimmter an gesellschaftlichen Prozessen teilnehmen zu können. Beispielsweise können die Betroffenen durch einen 3D-Drucker kleine Alltagshelfer ganz nach ihren Bedürfnissen entwickeln und drucken, dies kann eine Tasse mit bestimmten Griffen oder Wasserhahnverlängerung für Rollstuhlfahrer sein. Der technische Fortschritt im Zuge der Digitalisierung unterstützt auf diese Weise eine gesellschaftliche Teilhabe.

Gefährdet Digitalisierung Arbeitsplätze?

Georg Sieglen vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung griff die Sorge um den Verlust von Arbeitsplätzen auf. In seinem Vortrag „Digitalisierung der Arbeitswelt – Herausforderungen und Chancen“ machte der Arbeitsmarktforscher klar, dass durch die Digitalisierung zwar Arbeitsplätze verloren gehen werden, gleichzeitig aber in annähernd gleichem Umfang durch die Digitalisierung auch neue Arbeitsplätze entstehen. Für den gesamten Arbeitsmarkt kann damit nicht von einem substantiellen Verlust von Arbeitsplätzen gesprochen werden. Bezogen auf die Zielgruppe der Jugendlichen mit Förderbedarf trifft dies nicht umfassend zu. Denn gerade sie sind oftmals auf Stellen beschäftigt, die in Zukunft durch Maschinen und Roboter übernommen werden können. Jedoch werden auf diesem Qualifikationsniveau nicht im gleichen Umfang neue Arbeitsplätze entstehen. Besonders gefährdet sind Helfertätigkeiten.

Digital abgehängt? – Konkrete Impulse für den Alltag der Fachkräfte

Neben den zwei informativen und anregenden Vorträgen konnten die Teilnehmenden zwischen vier Workshops wählen:

  • Ausbildung zur digitalen Teilhabe (Ann Christin Schulz, Sozialforschungsstelle Dortmund, Zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Technischen Universität Dortmund)
  • Praktische Einführung in das Projekt „Digital Skills 4 You(th)“ (Sandra Liebender, Stiftung digitale Chancen, Berlin)
  • DIA – Digitalisierung Inklusion Arbeit (Gitta Franke, Andrea Schürmann, Ralph Willner, Stiftung Kolpingforum Paderborn)
  • „App in die Zukunft“ – Digitale Persönlichkeiten entwickeln“ (Thea Dieninghoff, Caritas Hamm)

Die Workshops haben konkrete Impulse zu Lösungsansätzen gegeben, sowie ein Erfahrungsaustausch unter den Fachkräften angestoßen. Digitale Medien können bei unterschiedlichen Beeinträchtigungen individuelle Unterstützung beim Lernen am Arbeitsplatz bieten. Nach Bedarf können Arbeitsbeschreibungen gestaltet und mit visuellen oder akustischen Darstellungen ergänzt werden, so dass z.B. Jugendliche mit Sehbeeinträchtigung eine deutliche Erleichterung haben, Arbeitsabläufe zu verstehen und selber umsetzen zu können. Darüber hinaus kann sich die Arbeit mit digitalen Medien positiv auf die Motivation der Jugendlichen auswirken, weil sie heutzutage medienaffin sind und Umgang mit Medien für sie Echtheit und Realität bedeutet.

Die Fachtagung verfolgte das Ziel, gemeinsam mit Vertretern und Vertreterinnen aus Wissenschaft und Praxis aktuelle Erkenntnisse zu diskutieren und Handlungsoptionen aufzuzeigen. Die Jugendsozialarbeit ist auf dem guten Weg zur Digitalisierung, dass zeigen auch Beispiele wie „App in die Zukunft“, wo es darum geht die Affinität zur digitalen Medien von jungen Menschen bei der Arbeit einzusetzen. Sie lernen an einem bereitgestellten Netbook wie Homepages entwickelt oder wie Spiele programmiert werden, dabei werden sie die ganze Zeit von einem Mitarbeiter betreut. Dieses Projekt wurde in Zusammenarbeit von Caritas Hamm und der Hochschule Hamm-Lippstadt ins Leben gerufen und dient als berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme.  Bei einem weiteren Projekt „DIA“, werden digitale Medien zur Unterstützung der Inklusion eingesetzt. Hier werden die Auszubildenden mit Förderbedarf durch die digitalen Medien wie z.B. Lehrvideo in Leichter Sprache unterstützt. Die Initiative wird von der Stiftung Kolping-Forum Paderborn, einem Mediendienstleister und der Universität Bielefeld durchgeführt. Solche Projekte finden leider noch nicht die flächendeckende Anwendung. Zudem entwickeln sich die digitalen Medien rasant weiter. Die Fachkräfte müssen kontinuierlich neue Technologien und Medien beobachten und beherrschen. Dies bedarf der Unterstützung der IT-Administratoren, ansonsten könnte die Gefahr  der Überholung bestehen. Die BAG KJS sieht sich verpflichtet die Entwicklung der Digitalisierung zu beobachten und weiter das Thema für die Jugendsozialarbeit zugänglicher machen.

Quelle: Xenia Romadina und Torben Schön, Fachreferent/ in im Netzwerk der BAG KJS

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