Deutscher Gewerkschaftsbund macht Vorschläge zur Arbeitsmarktpolitik

Auszüge aus den DGB-Vorschlägen für eine bessere Arbeitsmarktpolitik Perspektiven eröffnen – Sozialen Aufstieg ermöglichen – Schutz stärken:
„(…) Langzeitarbeitslosigkeit bekämpfen
Die Langzeitarbeitslosen profitieren nicht von der guten Entwicklung am Arbeitsmarkt. Seit 2011 sind keine nennenswerten Fortschritte beim Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit mehr zu verzeichnen. Die Zahl derer, die ein Jahr und länger arbeitslos sind, stagnierte in den letzten Jahren rund um die Marke von einer Million und lag im Jahresdurchschnitt 2016 immer noch bei 993.000. (…) Wer länger als ein Jahr arbeitslos ist, hat sechs Mal geringere Chancen, eine Arbeit zu finden als Kurzzeitarbeitslose: Von 1.000 Kurzzeitarbeitslosen können im Folgemonat 102 eine Beschäftigung aufnehmen und ihre Arbeitslosigkeit beenden. Von 1.000 Langzeiterwerbslosen gelingt dies nur 16 Personen. (…)

Die Daten zur Langzeitarbeitslosigkeit verschleiern das ganze Ausmaß einer längeren Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt sogar noch. So wird nach bestimmten Unterbrechungen der Arbeitslosigkeit wie etwa nach einer nur kurzzeitigen Arbeitsaufnahme von 15 Stunden oder nach einer Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme die Uhr zurück auf Null gestellt und die Arbeitslosigkeit beginnt neu. Aussagekräftiger sind deshalb Daten zum Langzeitbezug im Hartz-IV-System: Im Jahresdurchschnitt 2016 waren von den 4,3 Millionen erwerbsfähigen Hartz-IV Beziehenden 2,8 Millionen oder 65 Prozent Langzeitleistungsbeziehende – das heißt, sie haben in den letzten 24 Monaten mindestens 21 Monate Hartz IV bezogen.

Dass Langzeitarbeitslosigkeit vermieden oder abgebaut werden kann, zeigt ein Blick in Regionen mit niedriger Arbeitslosigkeit. So sind im Bundesdurchschnitt 37 Prozent aller Arbeitslosen langzeitarbeitslos, in Eichstätt sind es hingegen nur 11,8 Prozent, in Pfaffenhoffen 12,3 Prozent und in Erding 15,7 Prozent. (…). In den Städten und Kreisen mit sehr schlechter Arbeitsmarktlage haben Arbeitslose mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung nur ungefähr eine halb so hohe Chance, eine Arbeit zu finden, wie Arbeitslose ohne Berufsabschluss in Regionen mit sehr günstiger Arbeitsmarktsituation. Dies zeigt, dass neben der oft beklagten Diskrepanz zwischen den Fähigkeiten und Kenntnissen der Arbeitslosen einerseits und den Anforderungen der Arbeitgeber andererseits („Mismatch“), weiterhin das Fehlen ausreichender Arbeitsplätze für alle Arbeitsuchenden ein wichtiger Einflussfaktor auf das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit bleibt.

Lösungen: ## Langzeiterwerbslose mit schlechter Integrationsprognose müssen eine intensivere Beratung
und verstärkte Vermittlungsbemühungen erhalten. Dabei sollte wie beim Programm „Interne
ganzheitliche Integrationsberatung“ (INGA) ein verbesserter Personalschlüssel gelten und
besonders ausgebildetes Personal eingesetzt werden.
## Es muss sichergestellt sein, dass jede/r Langzeitarbeitslose, die/der eine Weiterbildung
benötigt, diese auch bekommt. Dazu ist ein Rechtsanspruch auf Weiterbildung vorzusehen
und die Rahmenbedingungen für Weiterbildung müssen verbessert werden. (…)
## Ein Teil der Langzeitarbeitslosen hat trotz Förderung und Weiterbildung wenig realistische Chancen, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Für sie müssen Maßnahmen der öffentlich
geförderten Beschäftigung angeboten werden. Primäre Funktion der geförderten Beschäftigung
ist nicht, Übergänge in ungeförderte Beschäftigung zu erreichen. Vielmehr soll die
Beschäftigung Einkommenserzielung und soziale Teilhabe ermöglichen und dazu beitragen,
dass gemeinwohlorientierte Angebote der Daseinsvorsorge ausgeweitet werden.
Anders als bei Ein-Euro Jobs sollten diese Arbeitsplätze vollständig sozialversicherungspflichtig
sein, dem allgemeinen Arbeitsrecht entsprechen und tariflich entlohnt werden. (…) Eine Zielgruppe für öffentlich geförderte Beschäftigung sollten Haushalte mit Kindern sein,
in denen beide Elternteile erwerbslos sind. (…)
Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Beschäftigung
Geflüchtete Menschen bilden ein wichtiges Potenzial für den Arbeitsmarkt. Neben mangelnden Sprachkenntnissen trägt vor allem die fehlende Rechtssicherheit bei Personen, die keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben, zur Unsicherheit und unsicherer Perspektive bei. Fehlende Rechtssicherheit erschwert, dass Betriebe Flüchtlinge einstellen oder ausbilden. Wenn nicht klar ist, ob oder wann ein Flüchtling das Land verlassen muss, werden auch Betriebe den Aufwand scheuen, der mit der Integration von Flüchtlingen verbunden ist. (…)

Damit die Potenziale von Flüchtlingen genutzt werden können, muss stärker in Aus- und Weiterbildung investiert werden. Denn vielen Flüchtlingen fehlen aufgrund der besonderen Umstände (Krieg, Flucht) die beruflichen Abschlüsse und Anerkennungen. Über die Hälfte der arbeitslos gemeldeten Flüchtlinge ist unter 35 Jahre – 20 Prozent sogar unter 20 Jahre alt. Nur jede/r sechste ist Fachkraft (15 Prozent) oder Experte/in (3 Prozent). Fast zwei Drittel der arbeitslosen Flüchtlinge haben nur eine Qualifikation auf einem Helfer-Niveau. Flüchtlinge, die eine sozialpflichtige Arbeit finden, haben diese vorwiegend in Tätigkeitsbereichen mit geringen Qualifikationen oder in Leiharbeit gefunden. Dies birgt die Gefahr, dass sie mittelfristig nicht aus prekären Beschäftigungen herauskommen und nur als Beschäftigte zweiter Klasse arbeiten. (…)

Lösungsvorschläge: ## Umfassende Kenntnisse der deutschen Sprache sind eine wesentliche Voraussetzung für die gesellschaftliche und ökonomische Eingliederung. Deshalb sollten alle in Deutschland rechtmäßig wohnenden ausländischen Staatsangehörigen an einem Integrationssprachkurs teilnehmen können.
## Um eine schnelle Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu erreichen, ist eine frühzeitige Beratung für alle potenziellen Arbeitsuchenden notwendig.
## Gesicherter Aufenthaltsstatus außerhalb des Duldungssystems, wenn ein Ausbildungsvertrag vorliegt; Anwendung des �Zug um Zug‘ Verfahrens, um die Genehmigung der Behörde bis zum Ausbildungsbeginn abzusichern. (…)
## Zurückdrängen prekärer Arbeit und Schaffung von Perspektiven für reguläre Beschäftigungsverhältnisse.
Geringverdienende und Auszubildende besser absichern – Hartz-IV-System entlasten
Was im Volksmund Hartz IV genannt wird, heißt offiziell „Grundsicherung für Arbeitsuchende“. Doch für viele Menschen, die heute von Hartz IV leben müssen, ist ein fehlender Arbeitsplatz gar nicht das Hauptproblem, teils sogar überhaupt nicht das Problem. Hartz IV ist heute faktisch eine Art neuer Sozialhilfe und das Auffangnetz für sehr unterschiedliche Notlagen. Von den insgesamt 5,9 Mio. Hartz-IV-Leistungsberechtigten sind „nur“ 1,8 Mio. beziehungsweise 30 Prozent arbeitslos, darunter 897.000 Langzeitarbeitslose.

(…) Ein relevanter Teil der Leistungsberechtigten bezieht Hartz IV, weil das Erwerbseinkommen oder andere Sozialleistungen nicht reichen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Hartz IV fungiert hier als Lückenbüßer und Reparaturbetrieb für nicht existenzsichernde Löhne und Defizite in den vorgelagerten Sozialsystemen.

Der DGB spricht sich dafür aus, die vielfältigen Ursachen für einen Hartz-IV-Bezug stärker in den Blick zu nehmen und zu bearbeiten. Sicherungslücken in anderen Sozialsystemen sind zu schließen und Niedriglöhne sowie prekäre Beschäftigung sind zurückzudrängen, so dass ein ergänzender Bezug von Hartz IV nicht mehr erforderlich wird. Keine Familie mit einem Einkommen aus Vollzeit-Erwerbstätigkeit sollte Hartz IV beziehen müssen, nur weil sie Kinder hat oder die Wohnkosten zu hoch sind. (…)

Lösungen:
(…) ## Beim Wohngeld sollte der Absetzbetrag vom Erwerbseinkommen von zurzeit 1.000 Euro im Jahr auf den Erwerbstätigenfreibetrag im Hartz-IV-System (3.600 Euro bzw. 3.960 Euro mit Kindern) angehoben werden.
## Um den Hartz-IV-Bezug von Erwerbstätigen mit Kindern zu vermeiden, sind zwei Ansätze möglich: Beim Kinderzuschlag ist der maximale Zahlbetrag zu erhöhen und nach dem Alter des Kindes zu staffeln (…) sowie für Alleinerziehende eine zusätzliche Leistungskomponente vorzusehen. Alternativ könnte eine neues „Zwei-Komponenten-Kindergeld“ den Kinderzuschlag überflüssig machen und ersetzen. Das Kindergeld könnte zukünftig aus einem Basisbetrag bestehen, den alle bekommen und einem Zusatzbetrag, dessen Höhe vom Einkommen der Eltern abhängt.
## Beide Leistungen sollten dynamisiert werden, das Wohngeld entsprechend der Mietpreisentwicklung und der Kinderzuschlag entsprechend den Anpassungen der Hartz-IV-Regelsätze. (…)
## Die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) und die Bundesausbildungsförderung (BAföG) müssen so ausgestaltet werden, dass sie in sich bedarfsdeckend sind und ein ergänzender Hartz-IV-Bezug überflüssig wird.
Die DGB-Vorschläge in vollem Umfang entnehmen Sie dem Anhang.

Quelle: DGB

Dokumente: DGB-Broschuere-Perspektiven-eroeffnen-2013-Sozialen-Aufstieg-ermoeglichen-2013-Schutz-staerken.pdf

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