Eindämmen unterwertiger Beschäftigung und Fachkräftesicherung sind zwei Seiten einer Medaille

Auszüge aus der Beleuchtung eines am Arbeitsmarkt vernachlässigten Problems Unterwertige Beschäftigung arbeitsmarktaktuell Nr.2/2014:
„Die Debatte um die Fachkräftesicherung hat in den letzten Jahren nicht zuletzt durch den demografischen Wandel stark an Bedeutung gewonnen. Der Ruf nach mehr Fachkräften ist sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik laut. Die Frage danach, welcher Beitrag durch einen qualifikationsgerechten Einsatz von Personal sowie durch eine aufstiegsorientierte Weiterbildung zur Fachkräftesicherung geleistet werden kann, klingt hingegen schon leiser. …

Unterwertige Beschäftigung ist am deutschen Arbeitsmarkt weit verbreitet. Rund ein Fünftel der Fachkräfte arbeitet unter seinem Qualifikationsniveau. Unterwertige Beschäftigung trifft im bundesdeutschen Durchschnitt sowohl auf beruflich als auch auf akademisch ausgebildete Fachkräfte zu. Dabei tragen verschiedene Personengruppen unterschiedliche Risiken bezüglich der Wahrscheinlichkeit, unterwertig beschäftigt zu sein und des Umfangs des Qualifikationsverlustes. …

Einflussfaktoren auf unterwertige Beschäftigung
Neben … qualifikations- und ortsbezogenen Merkmalen haben insbesondere auch arbeitsplatzbezogene sowie persönliche Merkmale einen erheblichen Einfluss darauf, ob eine Beschäftigung dem Qualifikationsniveau entspricht. … ##Mit sinkendem Arbeitszeitvolumen steigt das Risiko unterwertiger Beschäftigung. Besonders hoch ist das Risiko bei der geringfügigen Beschäftigung. Nur 40 Prozent der Minijobber/-innen arbeiten entsprechend ihres Qualifikationsniveaus. Die Hälfte aller Minijobber/-innen haben starke Qualifikationsverluste hinzunehmen.
##Beschäftigte in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis sind deutlich seltener unterwertig beschäftigt als in befristeten Arbeitsverhältnissen. Das höchste Risiko, unterwertig beschäftigt zu sein, tragen Erwerbstätige ohne Arbeitsvertrag …
##Weiterhin hat die Dauer der Beschäftigung Einfluss auf das Dequalifikationsrisiko, unterwertig beschäftigt zu sein sowie bestimmte Branchenzugehörigkeiten und Tätigkeiten in klein- und mittelgroßen Unternehmen. …
##Besonders gravierend stellt sich dabei die Situation für Migrantinnen und Migranten dar. … Bei Migrantinnen und Migranten ohne deutsche Staatsangehörigkeit verschärft sich die Situation noch einmal. Nur zwei Drittel der ausländischen Fachkräfte sind ausbildungsadäquat beschäftigt.
##Gerade für junge Menschen kann es beim Berufseinstieg ein Problem sein, eine ausbildungsadäquate Stelle zu finden. Unterwertige Beschäftigungsformen kommen bei jungen Menschen unter 30 Jahren etwas häufiger vor, insbesondere dann, wenn sie nach der Ausbildung nicht übernommen werden. Ein Drittel der Ausbildungsabsolventinnen und -absolventen in 2008 hat ein Jahr nach Abschluss keine Beschäftigung in dem Berufsausbildungsfeld gefunden, sondern ist unterwertig beschäftigt. Drei Jahre nach Ausbildungsabschluss sind schon zwei Fünftel nicht mehr ausbildungsadäquat beschäftigt. …
##Frauen sind im Vergleich zu Männern häufiger von unterwertiger Beschäftigung betroffen. Eine Ursache hierfür ist das geschlechterrollengeleitete Erwerbsverhalten. Längere Erwerbsunterbrechungen, auch wenn sie familienbedingt sind, können die davor erworbene Qualifikation entwerten. …
Schlussfolgerungen
In Zeiten von schwacher Konjunktur und erhöhter Arbeitslosigkeit können Unternehmen zwischen gut qualifizierten Arbeitskräften wählen. Das führt teils zu unterwertiger Beschäftigung sowie zu einer Verdrängung von geringer Qualifizierten. … Allerdings handelt es sich bei der Verdrängung geringer Qualifizierter nur um einen Erklärungsansatz. Unterwertige Beschäftigung kann ebenso ein vorübergehender Zustand in der Berufseinstiegsphase oder bei Friktionen am Arbeitsmarkt sein. Unterwertige Beschäftigungsverhältnisse können aber auch im Zusammenhang mit der Entwertung von Qualifikationen stehen. Bei Frauen ist unterwertige Beschäftigung oft auch das Ergebnis einer geschlechterrollengeleiteten Prioritätensetzung innerhalb einer Paarkonstellation.

Aufgrund der Komplexität von unterwertiger Beschäftigung ist es notwendig, auf unterschiedlichen strategischen Ebenen anzusetzen: Die Berücksichtigung von zielgruppenspezifischen Besonderheiten ist dabei ebenso wichtig, wie arbeitsmarkt- und bildungspolitische Maßnahmen. Nicht zuletzt würde eine neue Ordnung der Arbeit, die das Normalarbeitsverhältnis stärkt, deutlich zum Eindämmen von unterwertiger Beschäftigung beitragen. …

Besonders muss auch in diesem Zusammenhang die geringfügige Beschäftigung kritisch beleuchtet werden. Geringfügig Beschäftigte tragen das größte Risiko, unterhalb des Qualifikationsniveaus zu arbeiten. Zwei Drittel aller geringfügig Beschäftigten sind Frauen. Die so genannten Minijobs stellen meist keine Brückenfunktion in reguläre Beschäftigung dar. In der Regel werden sie geringer entlohnt. Daher müssen geringfügige Beschäftigungsverhältnisse sozial- und arbeitsrechtlich gleichbehandelt werden.

Ein Migrationshintergrund und eine nicht-deutsche Staatszugehörigkeit bei Fachkräften bergen ein sehr hohes Risiko für eine unterwertige Beschäftigung. Auch Behinderungen steigern das Risiko, unterwertig beschäftigt zu sein. Um dem entgegen zu wirken, braucht es mehr Anstrengungen bei der Chancengleichheit in Unternehmen und Verwaltungen. Hierzu gehört der Abbau von Ausgrenzungsmechanismen und Zugangsbarrieren, damit mehr Fachkräfte mit Migrationshintergrund oder mit Beeinträchtigungen dem Qualifikationsniveau entsprechend eingestellt werden. Dazu braucht es auch ein Umdenken in der Personal- und Organisationsentwicklung.

Hierzu bietet sich das Diversity Management an. Dieser Ansatz hat zum Ziel, die in der Vielfalt der Lebenslagen steckenden Potenziale zu nutzen. Dafür überprüfen Organisationen ihre Strukturen und Prozesse auf Chancengleichheit für alle – unabhängig ihrer Lebenslagen. Denn die individuellen Lebenssituationen wie Geschlecht, Herkunft, Familienstand usw. dürfen nicht zum beruflichen Nachteil führen. …

Auch ein gelungener, qualifikationsgerechter Berufseinstieg spielt eine wichtige Rolle. Hier hilft eine bessere Übereinstimmung zwischen Ausbildungs- und Arbeitsmarktnachfrage, um unterwertige Beschäftigung auf der einen Seite und Fachkräftemangel auf der anderen Seite zu begegnen. Dabei müssen auch mehr Ausbildungsplätze in Berufen mit einer guten Zukunftsperspektive zur Verfügung gestellt werden. … Die Mitspracherechte der Betriebsräte bei der Ausbildung und Übernahme sind gestärkt worden. Im Rahmen der Personalplanung beraten sie künftig mit dem Arbeitgeber den Bedarf an Ausbildungsplätzen. Vereinbaren sie vor Beginn der Ausbildung den Bedarf, besteht der An-spruch auf unbefristete Übernahme für die Zahl der Auszubildenden, die als Bedarf festgelegt wurden. Über Bedarf Ausgebildete haben einen Anspruch auf mindestens 12 Monate befristete Weiterbeschäftigung. Der Arbeitgeber muss dann drei Monate vor Auslaufen der Befristung prüfen, ob eine unbefristete Weiterbeschäftigung möglich ist. …“

Die DGB Analyse in voollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.

Quelle: DGB arbeitsmarkt aktuell

Dokumente: AA_Ausbildungsinadaequate_Beschaeftigung.pdf

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