Arbeitslosigkeit macht vor allem psychisch krank

Auszüge aus Arbeitslosigkeit: Die Folgen für die Gesundheit – Arbeitsmarkt auf den Punkt gebracht 1/2014:
“ … Mehr als ein Drittel der erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfangenden – das sind etwa 1,5 Millionen Menschen – haben im Laufe eines Jahres eine diagnostizierte psychische Störung. Das ist das Ergebnis des Forschungsberichts des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung „Menschen mit psychischen Störungen im SGB II“ 12/2013. Internationale Studien zeigen, dass dieses Phänomen nicht auf das deutsche Sozialversicherungssystem zurückzuführen ist, sondern dass der Gesundheitszustand Arbeitsloser im Vergleich zu Erwerbstätigen in allen untersuchten Sozialsystemen signifikant schlechter ist. Auch die erhöhte Mortalitätsrate Arbeitsloser ist nachgewiesen – Arbeitslose sterben früher als Erwerbstätige.

Nicht nur Arbeitslosigkeit, sondern auch prekäre Beschäftigung beeinträchtigt die Gesundheit nachweislich. Auffällig ist, dass bei Männern die seelischen Beeinträchtigungen in prekären Beschäftigungsverhältnissen im Vergleich zur kurzzeitigen Arbeitslosigkeit sogar überwiegen.

Krankheit ist nicht nur Folge, sondern auch Ursache von Arbeitslosigkeit. Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen verlieren eher ihre Arbeit als gesunde Menschen und gleichzeitig erschweren sie wesentlich den Wiedereinstieg in das Erwerbsleben. Die mentale wie physische Verfassung der Erwerbslosen kann Integrationserfolge stärker beeinflussen als deren formale Qualifikation. …

Sichere Arbeit verbessert den Gesundheitszustand
Mit dem Wiedereinstieg in das Erwerbsleben ist häufig eine signifikante Verbesserung des Gesundheitszustandes vormals Arbeitsloser verbunden. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn die neue Arbeit weitgehend den Wünschen der Betreffenden entspricht. Trifft dies nicht zu, verschlechtert sich das Wohlbefinden sogar häufig. Langzeitstudien zeigen auch, dass sich bei dem Wechsel von einer unsicheren in eine sichere Beschäftigung der Gesundheitszustand signifikant verbessert. …

Handlungsbedarfe ergeben sich für Arbeitsagenturen und Jobcenter sowie Kommunen und die Krankenkassen, aber auch für Arbeitgeber. …

In den Arbeitsagenturen wie auch in den Jobcentern ist das Wissen um gesundheitliche Beeinträchtigungen bei den Vermittlungsfachkräften bisher nicht ausreichend vorhanden. Sowohl das Erkennen als auch der richtige Umgang vor allem mit psychischen Erkrankungen stellen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor große Herausforderungen. Erste Ansätze unter Einbeziehung der ärztlichen und psychologischen Fachdienste der Bundesagentur für Arbeit greifen dieses Problem auf. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Arbeitsagenturen und den Jobcentern müssen fortgebildet werden, damit sie Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen besser helfen können. Wichtig ist eine soziale Begleitung, während stärkerer Druck z. B. durch Androhung von Sanktionen besonders bei psychisch Kranken den Gesundheitszustand eher noch verschlimmern kann. Dafür sind auch angemessene Betreuungsschlüssel und das Angebot individueller Maßnahmen mit kleinerer Gruppengröße und längeren Laufzeiten erforderlich. Diese sollten auch stärker verzahnt werden mit Angeboten der gesundheitlichen Prävention und Gesundheitsförderung.

Kommunen spielen zentrale Rolle
Die Kommunen spielen eine zentrale Rolle bei der Ansprache der Arbeitslosen. Der „Setting-Ansatz“ gilt als Kernstück der Gesundheitsförderung. Die Konzeption adressiert das „Setting“, den alltäglichen Lebensraum, als einen Ort, in dem Interventionen greifen. … In Kitas, Schulen, bürgerschaftlichen Treffs und anderen kommunalen Einrichtungen lassen sich präventive Ansätze gut verankern. Indem alle Bürger angesprochen werden, können die Angebote niedrigschwellig und diskriminierungsfrei verortet werden. Die Inanspruchnahme solcher Angebote durch Arbeitslose ist allerdings gering. Daher sind neben diesen allgemeinen Angeboten spezifische Angebote für Arbeitslose mit motivierenden Elementen wie beispielsweise gemeinsame sportliche Aktivitäten unverzichtbar.

Die Kommunen haben aus Hartz IV aber auch im Rahmen der allgemeinen Daseinsvorsorge den Auftrag, Sucht- und psychosoziale Beratung zu gewährleisten. Dabei sind diese sogenannten kommunalen Eingliederungsleistungen als Kann-Leistungen formuliert. … In der Praxis zeigt sich, dass diese Angebote nicht flächendeckend in ausreichendem Maße erbracht werden. Zudem sind sie nicht im erforderlichen Umfang mit den arbeitsmarktlichen Maßnahmen verzahnt. Hier besteht erheblicher Nachholbedarf. …

Arbeitgeber müssen gute und sichere Arbeit bieten
Auch bei Arbeitgebern besteht schon im eigenen Interesse Handlungsbedarf. Studien belegen, dass prekäre Beschäftigung nahezu genauso häufig wie Arbeitslosigkeit zu psychischen Beeinträchtigungen führt. Die Fehlzeiten der Beschäftigten sind bei psychischen Krankheiten fast dreimal so hoch wie bei anderen Erkrankungen. Vor dem Hintergrund älter werdender Belegschaften und zunehmenden Arbeitskräftebedarfs müssen Arbeitgeber sich verstärkt um „gute Arbeit“ bemühen. Dazu zählt neben sicheren Arbeitsverhältnissen auch ein umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagement mit einem funktionierenden betrieblichen Eingliederungsmanagement. …

Gesundheitliche Beeinträchtigungen bei Arbeitslosen sind nicht nur für die Betroffenen eine große Bürde, sondern auch ein gesellschaftlich bedeutsames Problem. Dieses lässt sich weder alleine durch Gesundheitspolitik noch durch Sozial- oder Arbeitsmarktpolitik lösen. Vielmehr kommt es darauf an, dass die beteiligten Akteure gemeinsam bundesweit stabile Netzwerke zur Prävention und Gesundheitsförderung aufbauen. Vielversprechende regionale Ansätze und zentrale Absprachen zeigen, dass es hier Potenzial gibt. …

Ausreichende Präventionsangebote auch für Arbeitslose
Präventionsangebote für Arbeitslosengeld-, Hartz-IV- und Sozialhilfe-Empfangende sollten grundsätzlich vorleistungs- und eigenbeteiligungsfrei sein und es muss sichergestellt sein, dass ausreichend Therapieplätze auch für Arbeitslose zur Verfügung stehen. Ein Rechtsanspruch auf kommunale Eingliederungsleistungen muss den Zugang sichern, wofür ein ausreichendes Angebot erforderlich ist. Dafür muss zunächst Transparenz über die kommunalen Leistungen geschaffen werden. Die auf zentraler Ebene vereinbarten Kooperationen sollten für alle Krankenkassen bindend und auch für die Optionskommunen verbindlich sein. Mit der Sicherstellung angemessener Betreuungsschlüssel müssen die Vermittlungsfachkräfte in den Arbeitsagenturen und Jobcentern in die Lage versetzt werden, die Arbeitslosen intensiv zu betreuen. Darüber hinaus müssen ihnen flexiblere Sanktionsregelungen an die Hand gegeben werden, die es erlauben, angemessen in Bezug auf die Problemlagen des Personenkreises zu reagieren. …“

Quelle: DGB – Arbeitsmarkt auf den Punkt gebracht 1/2014

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