Braucht die Jugend im Osten eine eigene Politik?

Aus Sicht der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung bedarf es einer eigenständige Jugendpolitik für junge Menschen in Ostdeutschland. Trotz einer wachsenden Angleichung zwischen Ost und West unterscheide sich das Aufwachsen Jugendlicher in Ostdeutschland weiterhin, heißt es in einem Thesenpapier mit dem Titel „Von wegen anders – Jugendpolitik Ost“. Laut Studienleiter Tobias Thiel seien junge Menschen in Ostdeutschland einer größeren Wahrscheinlichkeit ausgesetzt, in einem Umfeld aufzuwachsen, in dem antidemokratische und autoritäre Positionen vorherrschen. Gleichzeitig fehle es oft an Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Notwendig sei eine Bestandsaufnahme und gezielte Förderung für junge Menschen in Ostdeutschland, ohne eine Dramatisierung oder Reduzierung auf einige wenige Aspekte.

Nachwirkungen des Mauerfalls und des Transformationsprozesses auf die heutige Jugend

Das Thesenpapier betont, dass die Lebenslagen junger Menschen in Ostdeutschland nicht homogen seien und geschilderte Problemlagen teils auch für ganz Deutschland zuträfen. Es sei aber zugleich sinnvoll, qualitative und quantitative Unterschiede wahrzunehmen und entsprechende jugendpolitische Handlungsstrategien zu entwickeln. Denn der Transformationsprozess mit und um den Mauerfall wirke in Ostdeutschland immer noch nach, und seine Folgen seien auch für junge Menschen spürbar.

Spezifische regionale Entwicklungen, die das Aufwachsen junger Menschen enorm beeinflussen, dürften nicht als Sache einzelner Bundesländer abgetan werden, heißt es in dem Papier weiter. Insbesondere, wenn die Kinder- und Jugendarbeit und die Strukturen der Jugendhilfe über Jahre eher schwach aufgestellt seien oder rechtsextreme Subkulturen sich in bestimmten Regionen weitgehend ungehindert verfestigt hätten, müsse dies auch bundespolitisch thematisiert werden.

Gefahr durch die AfD in Kommunalparlamenten

Dezidierte Aufgabe von Jugendarbeit ist die Demokratiestärkung und politische Bildung. Das heben die Autor*innen des Thesenpapiers hervor. Für sie ist demzufolge eine kritische Auseinandersetzung mit der AfD unerlässlich. In der Folge führe die AfD vor Ort Kampagnen gegen Akteure der Jugendarbeit (z. B. in Döbeln oder Bautzen). Diese seien oft verbunden mit Halb- und Unwahrheiten, könnten aber in kommunalen Parlamenten mehrheitsfähig werden und die Existenz freier Träger gefährden.

Das Thesenpapier ist das Ergebnis einer Arbeitsgruppe, die in den vergangenen zwei Jahren Fachkräfte der Jugendarbeit mit politischen Entscheidungsträgern ins Gespräch brachte und nach Zielen und Herausforderungen für die einzelnen Regionen Ostdeutschlands fragte.

Quellen: Die Evangelischen Akademien in Deutschland; KNA

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