Nachqualifizierung junger Erwachsener – wie bereit sind die Betriebe?

Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat die aktuelle Betriebsbefragung ausgewertet: Knapp die Hälfte aller Betriebe (45,9 %) in Deutschland geht davon aus, dass die Besetzung von Arbeitsstellen mit qualifiziertem Fachpersonal in den kommenden Jahren schwieriger wird. Aus diesem Grund könnte sich etwa jeder fünfte Betrieb vorstellen, jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss nachträglich eine berufliche Qualifizierung zu ermöglichen. Auf alle Unternehmen hochgerechnet wären somit mehr als 300.000 Betriebe bereit, bei entsprechenden Rekrutierungsproblemen junge Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung aufzunehmen. Dies zeigen Ergebnisse einer repräsentativen Betriebsbefragung des BIBB im Rahmen des „BIBB-Qualifizierungspanels„. Besonders hoch ist die Bereitschaft für die Aufnahme junger Erwachsener ohne berufliche Ausbildung bei Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten. Rund 40 % dieser Unternehmen, die insbesondere auf ihre Ausbildungserfahrungen aufbauen können, würde die Nachqualifizierung junger Erwachsener als Strategie nutzen, um Rekrutierungsproblemen entgegenzuwirken.

Auszüge aus der BIBB-Auswertung „Berufliche Nachqualifizierung von zwei Millionen jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss – Welche Bereitschaft gibt es in Betrieben?“ von Klaus Troltsch:

„(…) Potenzial an ausbildungswilligen Betrieben und Behörden

Für die Mehrheit der befragten Betriebe ergeben sich mit 54,1 % keine absehbaren Probleme bei der künftigen Deckung ihres Fachkräftebedarfs. Diese Betriebe stellen demnach auch keine weiterführende Überlegungen zu künftigen Strategien an, welche Personengruppen als Ersatz für fehlende externe Arbeitskräfte aus- oder weitergebildet werden könnten. Für 45,9 % der Betriebe ist dagegen relativ sicher, dass es in ihrem Fall künftig doch zu Problemen bei der Rekrutierung von Fachkräften kommen wird.

Wie sieht nun die Bereitschaft aus, Jugendliche nachträglich zu qualifizieren und/oder ältere Beschäftigte weiterzubilden. Hier würde sich mit 8,5 % knapp jeder zehnte Betrieb dazu entschließen, sowohl jungen Erwachsenen eine nachträgliche berufliche Qualifizierung zu ermöglichen als auch ältere Beschäftigte des eigenen Betriebs über Weiterbildungsmaßnahmen an veränderte Qualifizierungsbedarfe heranzuführen. Ausschließlich Jugendliche nachträglich zu einem Berufsabschluss oder einer anderen Form der beruflichen Qualifizierung zu verhelfen, können sich knapp 11 % aller befragten Betriebe vorstellen. (…)

Betriebsgrößenklassen und Wirtschaftssektoren als Strukturmerkmale von aufnahmebereiten Betrieben

Potenzielle Kandidaten für die Aufnahme junger Erwachsener ohne berufliche Ausbildung sind vor allem Betriebe mit 200 und mehr Beschäftigten. Fast jeder dritte dieser Betriebe könnte sich in Kombination mit der Weiterbildung seiner älteren Beschäftigten die Nachqualifizierung von Ungelernten vorstellen. Mit abnehmender Betriebsgröße sinkt auch die Bereitschaft, bei künftigen Rekrutierungsproblemen diese Doppelstrategie anzuwenden. Ausschließlich auf die Nachqualifizierung Jugendlicher zu setzen, scheint sich nach Betriebsgrößenklassen nur unwesentlich zu unterscheiden. (…)

Die Nachqualifizierung von jungen ungelernten Erwachsenen als alleinige Strategie, Rekrutierungsproblemen zu begegnen, kommt mit 19,3 % vor allem für das produzierende und verarbeitende Gewerbe in Frage, beides Wirtschaftssektoren, die zu den ausbildungsintensiven Bereichen im dualen System gehören. Zu dieser Gruppe gehören auch die sogenannten sonstigen Dienstleistungen. Alle anderen Branchen haben geringere Anteile. Kein eindeutiger Trend ist bei Betrieben mit einer Doppelstrategie zu erkennen. Erst bei einer Prioritätensetzung in Bezug auf die Weiterbildung der älteren Beschäftigtengruppen im eigenen Betrieb treten Unterschiede zu Tage. Diesmal bilden das produzierende und verarbeitende Gewerbe zusammen mit den unternehmensnahen Dienstleistungen und Betrieben und Behörden der Öffentlichen Verwaltung eine Gruppe, die ausschließlich auf die interne Weiterbildung setzt. (…)

Mögliche Ausbildungsberufe für die Nachqualifizierung von Jugendlichen ohne abgeschlossene Berufsausbildung

Eine besonders erfolgversprechende Strategie wäre es, wenn junge Erwachsene ohne berufliche Ausbildung gerade in den Ausbildungsberufen ausgebildet würden, für die Betriebe auf dem Ausbildungsstellen entweder keine oder nur ungeeignete Bewerber gefunden haben. Betriebe mit Bereitschaft zur Nachqualifizierung findet man vor allem in Berufen „Koch/Köchin“, gefolgt von „Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel“. An dritter Stelle kommt „Friseurin/Friseur“. Den vierten Platz belegt „Schornsteinfeger/-in“. In den Berufen „Fräser/-in“ und „Tischler/-in“ stehen generell Rekrutierungsprobleme an, jedoch ist die Bereitschaft zur Nachqualifizierung nicht gegeben. (…)

Aktuelle Aus- und Weiterbildungsbeteiligung von Betrieben mit künftigen Rekrutierungsproblemen

An der Nachqualifizierung ungelernter Erwachsener im Alter zwischen 20 und 30 Jahren sind vor allem ausbildende Betriebe interessiert. Insgesamt jeder dritte Ausbildungsbetrieb könnte sich vorstellen, entweder ausschließlich (16,8 %) oder in Kombination mit der Weiterbildung seiner älteren Beschäftigten (15 %) jungen Erwachsenen eine berufliche Qualifizierung zu vermitteln. Die betrieblichen Voraussetzungen sind also gut und aufgrund der vorhandenen personellen und technischen Infrastruktur in diesen Betrieben und ihrer grundsätzlichen Bereitschaft zur Beteiligung an der Ausbildung Jugendlicher könnte es auch tatsächlich zu entsprechenden Angeboten für Ungelernte kommen. (…)

Fazit

In relativ kurzer Zeit eine große Zahl an jungen Erwachsenen ohne Berufsabschluss über eine nachträgliche berufliche Qualifizierung fit für den Arbeitsmarkt zu machen, ist in den nächsten Jahren sicherlich eine zentrale gesellschafts- und bildungspolitische Aufgabe. Allerdings sollten die Möglichkeiten von Betrieben und der Jugendlichen selbst realistisch gesehen werden. Es stellt sicherlich eine enorme Anforderung an Betriebe und Jugendliche dar, mit den jeweils sehr unterschiedlichen Voraussetzungen, Vorstellungen und Erfahrungen in einer Weise umzugehen, damit sich für beide Seiten eine vorteilhafte Verbindung ergibt. Es ist festzuhalten, dass relativ viele Betriebe grundsätzlich bereit sind, bei Rekrutierungsproblemen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsstellenmarkt auch jüngeren Erwachsenen eine Chance zu geben. Wie allerdings die Auswertungen der aktuellen Betriebsbefragung zeigen, reduziert sich diese Gruppe deutlich, wenn diese grundsätzliche Bereitschaft nach bestimmten Merkmalen und Rahmenbedingungen der Betriebe genauer untersucht wird. Wichtig wäre, die im Rahmen des Ausbildungspakts schon in großen Teilen etablierten Instrumente auch für junge Erwachsene ohne Berufsabschluss zu nutzen. (…)“

Das BIBB-Qualifizierungspanel ist eine jährliche Wiederholungsbefragung von 2.000 Betrieben, mit der repräsentative Längs- und Querschnittdaten zum Qualifizierungsgeschehen von Betrieben und Behörden in Deutschland erhoben werden. Das BIBB-Betriebspanel wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert und vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Zusammenarbeit mit TNS Infratest Sozialforschung durchgeführt.

Quelle: BIBB Pressestelle; www.bibb.de/nachqualifizierung

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