Auszüge aus der Publikation „Ausbildung behinderter Jugendlicher“ des DGB – arbeitsmarkt aktuell:
“ Entwicklung Zahlen behinderter Jugendlicher
Trotz sinkender Geburtenrate, nimmt die Zahl der behinderten jungen Menschen zu. Waren in 2005 noch ca. 185.000 Jüngere zwischen 15 und 25 Jahren amtlich anerkannt behindert (1,7% der Altersgruppe), so stieg ihre Zahl in 2009 auf 199.000 (2,1% der Altersgruppe).
Dies kann zum einen daran liegen, dass sich mehr Jüngere ihre Behinderung amtlich anerkennen lassen. … Allerdings sind auch die Zahlen der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf einem konstanten Niveau (bei insgesamt rückläufigen Schülerzahlen). … Beide Zahlen zeigen, dass der Anteil junger Menschen mit Förderbedarf an der Altersgruppe wächst. Der Anteil der sonderpädagogisch geförderten Schüler an allen Schülern hat sich innerhalb von zehn Jahren verdoppelt (2000/2001 = 0,7%; 2010/2011 = 1,4%). …
Entwicklung der Behinderungsarten
… Entsprechend der Vielfalt der Behinderungen sind auch die Leistungspotenziale der jungen Menschen sehr unterschiedlich und somit das Potential für eine Ausbildung. Für den großen Teil der jungen Menschen mit einer sogenannten Lernbehinderung (z.B. in Form von Lese-, Rechtschreib-, Rechenschwäche) kommt bspw. in der Regel eine theoriereduzierte Ausbildung in Frage. Da lernbehinderte Menschen oftmals Probleme haben, sich Wissen kognitiv anzueignen, ist der Anteil des theoretischen Wissens in der Ausbildung geringer, als in einer Vollausbildung. Nichtsdestotrotz können sie mit entsprechender fachlicher Anleitung praktische Tätigkeiten ausführen. …
In der Tendenz ist der Anteil der Lernbehinderungen rückläufig, der Anteil der psychischen Behinderungen (z.B. in Form von Störungen der Aufmerksamkeit, der emotionalen Stabilität, der kognitiven Funktionen, der Motivation, der Orientierung und der Wahrnehmung) und der geistigen Behinderungen (z.B. in Form von Lernschwierigkeiten, einer Verzögerung der kognitiv-intellektuellen Entwicklung, herabgesetztes Abstraktionsvermögen, verminderte soziale und emotionale Reife) nimmt zu. Diese Behinderungen sind größtenteils nicht sichtbar. …
Möglichkeiten der Ausbildung und Förderung
… Entsprechend der Vielfalt der Behinderungsarten variiert das vorhandene Potential für eine Ausbildung und der notwendige Unterstützungsbedarf.
Die Bundesagentur für Arbeit hält passgenaue Fördermöglichkeiten bereit. So ist die finanzielle Förderung der betrieblichen Ausbildung ein häufig genutztes Instrument bei den Arbeitgebern. Kleine Unternehmen, die bereits erste positive Erfahrungen gemacht haben, scheinen hier besonders aufgeschlossen. Für größere Unternehmen scheint der Anreiz der finanziellen Förderung nicht im gleichen Maße interessant zu sein. Die Ausbildung junger behinderter Menschen sollte zunehmend im Unternehmen stattfinden, allerdings sind die bisherigen Barrieren hierfür vielfältig. So verweigert sich ca. ein Drittel der beschäftigungspflichtigen Betriebe der Ausbildung und Beschäftigung behinderter Menschen mit einer Beschäftigungsquote von unter einem Prozent beinahe komplett. 77 Prozent der Betriebe erfüllen die gesetzliche Beschäftigungsquote von 5 Prozent nicht. Unternehmen, die sich für behinderte Mitarbeiter entscheiden, brauchen kompetente und verlässliche Beratungsstrukturen. Hier besteht aufgrund des komplexen Rehabilitationssystem in Deutschland sicher noch Verbesserungsbedarf.
Dank des Rechtsanspruchs auf eine berufliche Erstausbildung sind behinderte junge Menschen gut abgesichert beim Start in das Berufsleben. Diese durch die BA geförderte Ausbildung findet jedoch größtenteils außerbetrieblich statt. Diese vorgefertigten Pfade müssen noch durchlässiger in Richtung Unternehmen werden. Hierbei kann die Erhöhung der Praxisanteile in diesen Maßnahmen ein wichtiger Schritt sein, der auch von der BA angestrebt wird. So werden bspw. die Berufsbildungswerke in die Pflicht genommen, den Anteil der sogenannten verzahnten Ausbildung zu erhöhen. …
Die Unternehmen müssen sich insgesamt mehr für die Ausbildung von leistungsschwächeren Jugendlichen öffnen. Betriebe und Interessenvertretungen sind noch nicht ausreichend auf die Zielgruppe lernbehinderte Jugendliche sensibilisiert. Die erweiterte und vertiefte Berufsorientierung der BA kann eine gute Unterstützung beim Einstieg ins Berufsleben bringen, ist aber aufgrund der mangelnden Kofinanzierung der Länder kein flächendeckendes Instrument.
Vorschläge des DGB zur Verbesserung der Ausbildungssituation behinderter Jugendlicher
Damit mehr junge behinderte Menschen eine duale Ausbildung im Betrieb absolvieren können, sind eine Vielzahl von Maßnahmen und ein gelungenes Zusammenspiel maßgeblicher Akteure notwendig. Aus Sicht des DGB haben folgende Vorschläge hohe Priorität:
## Die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen muss erhöht werden. Durch eine deutliche Erhöhung der gestaffelten Beiträge zur Ausgleichsabgabe auf 250, 500 und 750 Euro durch den Gesetzgeber sollen Unternehmen, die bisher in keinem oder zu geringem Umfang behinderte Menschen ausbilden oder beschäftigen, einen stärkeren Anreiz erhalten, diese Haltung zu überdenken.
## Die Beratung und Begleitung für die Unternehmen, die behinderte Menschen beschäftigen muss allerdings niedrigschwellig und barrierefrei sein, damit ein reibungsloser Ablauf gewährleistet ist. Theoretisch gibt es vielfältige Unterstützungsangebote, die die Unternehmen nichts kosten. Von der Ausgestaltung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes, über Lohnkostenzuschüsse und Assistenz und Begleitung des behinderten Menschen am Arbeitsplatz. Praktisch ist dieses Unterstützungssystem sehr komplex und sowohl für behinderte Menschen als auch Arbeitgeber schwer zu durchschauen. …
## Grundsätzlich ist auch für Menschen mit Behinderung eine Ausbildung in einem vollqualifizierenden, regulären Ausbildungsberuf anzustreben. Hierbei sollten die Ausbilderinnen und Ausbilder einem individuellen Förderplan folgen, der auch den behindertenspezifischen Unterstützungsbedarf berücksichtigt. Nur in begründeten Ausnahmefällen, in denen Art oder Schwere der Behinderung dies nicht erlauben, sollte eine Ausbildung speziell für Menschen mit Behinderung aufgenommen werden (Ausbildung nach § 66 BBIG und § 42 HWO). Ein Übergang von einer Fachpraktikerausbildung in eine reguläre Ausbildung ist kontinuierlich von den Betrieben, den ausbildenden Trägern, den regionalen Kammern und von der BA zu prüfen und zu ermöglichen.
## Um mehr Ausbildungen im Betrieb zu ermöglichen, ist es auch wichtig, dass Berufsschulen barrierefrei sind. Anderenfalls muss oftmals deshalb eine außerbetriebliche Ausbildung stattfinden, weil nur hier die Vermittlung des Theorieanteils möglich ist. Deshalb müssen von den Ländern Unterstützungsmöglichkeiten in der Berufsschule in größerem Umfang als bisher ermöglicht werden.
## Mit der Einführung des Hartz IV-Systems in 2005 ist die Situation für behinderte Menschen deutlich komplizierter geworden. Schwerbehinderte Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind, werden von den Jobcentern oder Optierenden Kommunen betreut. Allerdings gibt es hier – … – nicht zwingend speziell geschulte Vermittler. Dies hat zur Folge, dass Reha-Bedarf oftmals nicht erkannt oder anerkannt wird. Wenn Reha-Bedarf erkannt wird, dann werden die Betroffenen zur Agentur für Arbeit weitergeleitet. … Nach Feststellung des Reha-Bedarfs und Empfehlungen für notwendige Maßnahmen werden die Betroffenen wieder an das Jobcenter zurückverwiesen. Das ist umständlich und nicht barrierefrei. Der DGB fordert seit langem vom Gesetzgeber, dass schwerbehinderte Menschen und auch Jugendliche, für die es ein ähnliche kompliziertes Verfahren gibt, aus einer Hand von der Agentur für Arbeit betreut werden. Außerdem müssen bei den Jobcentern flächendeckend spezielle Vermittler eingesetzt und ein eigenes Budget für Reha eingerichtet werden. … „
www.dgb.de/themen/++co++bf44dd8c-51e7-11e3-89a2-00188b4dc422
Quelle: DGB Abteilung Arbeitsmarktpolitik
Dokumente: Ausbildung_behinderter_Jugendlicher.pdf