Für solidarische Bildung in der globalen Migrationsgesellschaft

Auszüge aus dem Aufruf aus Erziehungswissenschaft, Pädagogik und Sozialer Arbeit:
“ (…) Bildungspolitik, Erziehungswissenschaft und Soziale Arbeit haben für eine migrationsgesellschaftliche Bewusstseinsbildung einzutreten, damit die historischen, ökonomischen, rechtlichen, politischen und sozialen Hintergründe, Zusammenhänge und Folgen von globaler Ungleichheit und Gewalt zum Gegenstand von Erziehung und Bildung werden. Die Reaktionen auf fluchtbedingte Einwanderung müssen über bloße Hilfsmaßnahmen hinausgehen und zudem die unhintergehbaren Rechte aller Menschen betonen und stärken. So leben nach Angaben der UNICEF mehr als 65.000 geflüchtete Kinder mit unsicherem Aufenthaltsstatus in Deutschland. Im Sinne des Ernstnehmens der UN-Kinderrechtskonvention und auch der UN-Rechtskonvention über Menschen mit Behinderungen gilt es neuerlichen Verletzungen der Rechte geflüchteter Kinder und Jugendlicher, wie sie in vielen gegenwärtig diskutierten Gesetzesrevisionen vorgesehen sind, entschieden entgegenzutreten.
Um solidarische Bildung als tragfähiges Konzept umzusetzen, ist im Rahmen einer verantwortlichen Flüchtlings- und Migrationspolitik wie sie u.a. in den Forderungen für eine zukunftsfähige Flüchtlingspolitik des Rat für Migration skizziert wird das Ernstnehmen folgender bildungsbezogener Forderungen und Leitlinien erforderlich: ## Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2012, nach dem migrationspolitische Erwägungen und Bestimmungen die Würde des Menschen nicht relativieren und einschränken dürfen, ist umzusetzen.
## Die Angleichung der Rechtsansprüche geflüchteter und migrierter Kinder und Jugendlicher entsprechend des Kinder- und Jugendhilfegesetzes sowie der Kinderrechtskonvention ist vorzunehmen.
## Dauerhafte und reguläre Kapazitäten für die Auseinandersetzung mit Flucht und globaler Migration sind in allen pädagogischen Studiengängen und Fortbildungen zur Verfügung zu stellen.
## Die Überarbeitung und Ergänzung von pädagogischen Studiengängen hinsichtlich globalisierungsreflexiver und migrationsgesellschaftlicher Inhalte ist zu gewährleisten.
##Die systematische Auseinandersetzung mit struktureller, organisatorischer und interaktiver migrationsgesellschaftlicher Diskriminierung sowie den Möglichkeiten ihrer Minderung ist in allen pädagogischen Feldern und in allen pädagogischen Studiengängen zu etablieren.
## Der systematische Abbau migrationsspezifischer staatsbürger- und aufenthaltsrechtlicher sowie organisationskultureller Barrieren beim Zugang zu Schulen, Universitäten und Ausbildungsplätzen ist ernsthaft durchzuführen. (…)
Das universelle Bedürfnis nach angemessenen Lebens- und Arbeitsbedingungen, aber auch die vielfache wechselseitige, praktische Verwiesenheit der Weltbevölkerung aufeinander, verbindet geflüchtete Menschen, Menschen an den Zielorten der Flucht (…) und etablierte Bewohner_innen der relativ privilegierten Zielorte dieser Welt. Darauf kann eine zeitgemäße Solidarität aufbauen. Der Impuls, der von Migrationsbewegungen ausgeht, ist somit weitreichender als Integrationsmaßnahmen und „Willkommenskulturen“ suggerieren. Mit einer migrationsgesellschaftlichen und kritischen Pädagogik verbindet sich ein politisches Projekt, das die Ordnung der pädagogischen, ökonomischen und sozialen Organisationen und der Bildungsinstitutionen theoretisch, konzeptionell und praktisch zum Thema macht und revidiert.

Diese über die „Integration von Migrant_innen“ hinausreichende Revision, die möglichst faire Möglichkeiten und gleiche Rechte für alle anstrebt, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Erziehungswissenschaft, Pädagogik und Sozialen Arbeit (…).“

Die Autoren und Autorinnen des Aufrufs Prof. Dr. Paul Mecheril (Oldenburg), Prof. Dr. Claus Melter (Esslingen), Prof. Dr. Astrid Messerschmidt (Darmstadt) und Prof. Astride Velho (Frankfurt a.M.) fordern alle bildungspolitisch und pädagogisch Handelnden, nicht zuletzt die entscheidungsbefugten Akteur_innen, dazu auf, sich der in diesem Aufruf skizzierte Maxime zu eigen zu machen und für sie in ihren Handlungszusammenhängen offen und klar einzutreten.

Die aktuelle Liste der Unterstützer_innen dieses Aufrufs findet sich mit der Möglichkeit, den Aufruf namentlich zu unterstützen, unter www.aufruf-fuersolidarische-bildung.de

Link: http://www.aufruf-fuer-solidarische-bildung.de/mitzeichnen

Link: http://www.aufruf-fuer-solidarische-bildung.de/

Quelle: Prof. Dr. Paul Mecheril (Oldenburg)

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