Der Bundesregierung ist es dem Paritätischen Wohlfahrtsverband zufolge im Inflationsjahr 2022 nicht gelungen, gezielt die Ärmsten zu unterstützen. Nur zwei Milliarden Euro von insgesamt knapp 29 Milliarden Euro an Entlastungsleistungen seien an die Haushalte mit den geringsten Mitteln gegangen, stellt der Verband in seinem jüngsten Armutsbericht fest.
Von der Senkung der Abgaben auf Benzin und Diesel beispielsweise und dem durch die Abschaffung der EEG-Umlage verringerten Strompreis hätten jene Bevölkerungsgruppen am stärksten profitiert, die am meisten verbrauchen, schreibt der Paritätische. 2022 hatte Deutschland die höchste Inflation seit der Wiedervereinigung.
Preisexplosion bei Nahrungsmitteln und Energie
Besonders die Preise für Nahrungsmittel und Energie stiegen rasant um bis zu 20 Prozent bei Nahrungsmitteln und bis zu 40 Prozent stiegen die Verbraucher*innenpreise für Energie.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. hat auf die Auswirkungen der Inflation auf Jugendliche und junge Erwachsene im Monitor „Jugendarmut in Deutschland 2022“ aufmerksam gemacht. Die drastisch gestiegenen Preise stellten gerade für armutsgefährdete oder armutsbetroffene Personen eine große Herausforderung dar. Bereits im Jahr 2021 konnte 2,6 Millionen Menschen in Deutschland ihre Wohnung nicht ausreichend heizen. Junge arme Menschen wurden im Prozess ihrer Verselbstständigung extrem beeinträchtigt. Der Start in ein wirtschaftlich selbstständiges Leben war fast unmöglich.
Wenn heizen zum Luxus wird***als Ü4***
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete über aktuelle Zahlen der EU-Statistikbehörde Eurostat. Demnach stieg in Deutschland die Zahl der Menschen, die sich das Heizen ihrer Wohnung nicht mehr leisten können, weiter an. Insbesondere Alleinerziehende seien betroffen. 15,8 % der alleinstehenden Personen mit minderjährigen Kindern gaben demnach an, im Jahr 2023 zu wenig Mittel für eine warme Wohnung gehabt zu haben – im Vergleich zu 13,8 Prozent in 2022. Die BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht hatte die Zahlen erfragt.
Armut in Deutschland bleibt auf hohem Niveau***als Ü4***
Die Armut in Deutschland verharrt auf hohem Niveau, so das Ergebnis des neuen Paritätischen Armutsberichts: 16,8 Prozent der Bevölkerung leben nach den jüngsten Zahlen in Armut, wobei sich im Vergleich der Bundesländer regionale Unterschiede zeigen.
Insgesamt ist die Armutsquote dem Bericht zufolge 2022 nicht gestiegen, sondern im Vergleich zum Vorjahr um 0,1 Prozentpunkte auf 16,8 Prozent gesunken. Als Trendumkehr will der Paritätische diese minimale Veränderung nicht werten. Immer noch müssten insgesamt 14,2 Millionen Menschen in Deutschland zu den Armen gezählt werden. Der Paritätische bestätigt mit seinem Bericht, was die BAG KJS in ihrer Initiative zur Bekämpfung von Jugendarmut schon lange dokumentiert: Armut in Deutschland hat ein junges Gesicht. 21,8 % der unter 18-Jährigen gelten als arm. Die BAG KJS musste im Monitor „Jugendarmut in Deutschland 2022“ bereits 20,8 % ausweisen. Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 Jahre sind noch stärker von Armut bedroht oder betroffen. Bei ihnen ist es jede*r Vierte.
Wann gilt man als arm?
In Deutschland gilt als arm, wer weniger als 60 % des Medianeinkommens zur Verfügung hat. Als Armutsschwelle für einen Single gilt demnach ein Einkommen von 1.186 Euro im Monat. Für ein Paar mit zwei Kindern unter 14 Jahren liegt die Schwelle bei 2.490 Euro im Monat, für eine Alleinerziehende mit zwei Kindern unter 14 bei 1.897 Euro. Es handelt sich um Durchschnittswerte.
Über den Armutsbericht
Der Bericht des Paritätischen „Armut in der Inflation“ basiert auf Daten des Statistischen Bundesamts für 2022. Zahlen für 2023 werden erst im Laufe dieses Jahres vorliegen.
Quellen: Paritätischer Gesamtverband; epd; BAG KJS; Statistisches Bundesamt; RND