Im September 2015 verabschiedete die UN-Generalversammlung mit der Agenda 2030 ihre Post-2015-Entwicklungsagenda, welche insgesamt 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung umfasst. Der zeitliche Horizont für die Umsetzung in den einzelnen Ländern erstreckt sich auf die nächsten 15 Jahre. In Deutschland werden die Ziele in der Fortschreibung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (NHS) verankert. Aus sozialpolitischer Perspektive sind insbesondere das Ziel 1 „Armut in allen Formen und überall beenden“ und die damit verbundenen Unterziele von besonderer Bedeutung.
Es liegt ein erster Entwurf der aktualisierten Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland vor. Die darin aufgeführten Punkte, insbesondere im Hinblick auf das Ziel 1 und die damit verbundenen Unterziele, haben nach Auffassung der Grünen ein zu allgemeinen Charakter.
Daher wollten Sie von der Bundesregierung mehr zur Armutsprävention wissen: Auszüge aus der Antwort der Bundesregierung:
„(…) Frage: Welche Schlussfolgerungen für ihre Politik zieht die Bundesregierung aus den expliziten Vorschlägen des UN-Ausschusses über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte für Deutschland in Bezug auf
a) die im Pakt verankerten Rechte der einkommensschwachen Bevölkerungsschichten und der benachteiligten und der am Rande der Gesellschaft stehenden Bevölkerungsgruppen (…)
Antwort: In Deutschland sind die Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) so ausgestaltet, dass sie den gesamten existenznotwendigen Bedarf decken. Der Regelbedarf sichert zusammen mit den Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie ggf. den Mehrbedarfen, ausgewählten einmaligen Leistungen und den Leistungen für Bildung und Teilhabe für Kinder und Jugendliche den Lebensunterhalt für ein Leben in Würde. Zudem überprüft die Bundesregierung noch in diesem Jahr das Berechnungsverfahren zur Ermittlung der existenzsichernden Lebensunterhaltsleistungen im Rahmen einer – gesetzlich vorgeschriebenen – Neuermittlung auf Basis aktueller statistischer Daten erneut und wird auf Basis dieser Neuberechnungen dem Deutschen Bundestag einen Gesetzesentwurf vorlegen, der die Höhe der existenzsichernden Leistungen ab dem Jahr 2017 neu festlegt.
Frage: b) die Empfehlung, über den Umfang und die Ursachen von Wohnungslosigkeit Bericht zu erstatten und konkrete Maßnahmen zu deren Bekämpfung zu treffen, sowie in diesem Zusammenhang Angaben über Wohnungslosigkeit (…) zu machen (…)
Antwort: Über den Umfang und die Ursachen von Wohnungslosigkeit wird regelmäßig im Rahmen der Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung berichtet. Allerdings existiert in Deutschland keine bundesweite Statistik, aus welcher der Umfang von Wohnungslosigkeit hervorgeht. Die Bundesregierung verwendet hierfür die Daten der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V., die auf Schätzungen beruhen, und prüft momentan Schritte zur Verbesserung der Datenlage.
Maßnahmen zur Bekämpfung von Wohnungsnotlagen werden bereits ergriffen. So ist insbesondere das Wohngeld ein flächendeckendes Instrument, das verhindert, dass Menschen obdachlos werden. Davon unabhängig sind die Gründe für Obdachlosigkeit vielfältig und bedürfen regional spezifischer passgenauer Maßnahmen, die in der Verantwortung der Länder und Kommunen stehen, die für die Betreuung und Unterbringung von Wohnungs- und Obdachlosen sowie für die soziale Wohnraumförderung zuständig sind.
Auf Bundesebene fördert die Bundesregierung im Rahmen der Jugendhilfe gemäß § 83 Absatz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) seit Januar 2015 vier Modellprojekte speziell für Straßenkinder und -jugendliche. Dies geschieht über den Innovationsfonds „Eigenständige Jugendpolitik des Kinder- und Jugendplans des Bundes“. Hierzu gehört auch der fachliche Austausch mit den Trägern der Projekte sowie mit jungen Menschen, die auf der Straße leben oder gelebt haben. Ziel ist unter anderem, mehr Erkenntnisse über diese Zielgruppe und ihren Unterstützungsbedarf zu gewinnen. Die Projekte werden vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) evaluiert. Das DJI hat ergänzend Ende 2015 ein eigenes Forschungsprojekt gestartet, um die Zahl der Straßenkinder und -jugendlichen zu ermitteln. Die Dunkelfeldforschung umfasst sowohl eine quantitative Befragung von Straßenjugendlichen als auch eine Fachkräftebefragung. Mit ersten Zahlen ist voraussichtlich im Herbst 2016 zu rechnen.
Frage: c) die Empfehlung zur fortlaufenden Überprüfung der Kinderarmut mit besonderem Blick auf die Auswirkungen der diversen sozialen Sicherungssysteme (…)
Die Armutsrisikoschwelle ist eine von der Existenzsicherung unabhängige Kennziffer für die Einkommensverteilung. Grundlage für die Ermittlung der Armutsrisikoquote ist das Konzept der relativen Einkommensarmut, bei dem es sich um eine statistische Definition auf der Grundlage von zahlreichen normativen Entscheidungen handelt. Sie liefert keine Information über individuelle Bedürftigkeit im Sinne von existenzieller Not, sondern ist lediglich ein Indikator, der auf ein mögliches Armutsrisiko hinweist. Eine fortlaufende Überprüfung der Kinderarmut wird im Rahmen der Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung gewährleistet.
Demgegenüber werden zur Sicherung des Existenzminimums auf Basis statistisch erhobener Konsumausgaben von Paaren mit einem Kind im Niedrigeinkommensbereich mittels Verteilungsschlüsseln die Regelbedarfe für Kinder und Jugendliche eigenständig ermittelt. Beim Regelbedarf handelt es sich um den Teil des Existenzminimums, der insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie – ohne Heizung und Warmwasser – sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens umfasst. Mit der Differenzierung der auszuwertenden Daten in drei Altersgruppen wird dem sich mit dem Kindesalter wandelnden Bedarf Rechnung getragen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 23. Juli 2014 bestätigt, dass diese Berechnungsmethode grundsätzlich geeignet ist, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen bedarfsgerecht zu ermitteln. Die Höhe der Regelbedarfe wird in Jahren, für die keine statistisch basierte Neuermittlung auf der Grundlage von Konsumausgaben erfolgt, jährlich fortgeschrieben. Neben den Regelbedarfen werden bei Kindern, Jugendlichen und junge Erwachsenen seit dem Jahr 2011 deren spezifische Bildungs- und Teilhabebedarfe berücksichtigt. Insgesamt gewährleisten die zu berücksichtigenden Bedarfe (…), dass das sozio-kulturelle Existenzminimum auch der Kinder gedeckt ist. (…)“
Quelle: Pressedienst des Deutschen Bundestages
Dokumente: Armut_in_allen_Formen_und_ueberall_beenden_1808981.pdf