Fehlt der Regierungskoalition der politische Wille für eine nennenswerte Investition in junge Menschen? Diesen Eindruck kann man angesichts der Debatten um die Kinder- und Jugendgrundsicherung gewinnen. Die Grundsicherung war angekündigt als ein zentrales sozialpolitisches Reformprojekt, dass nicht nur alle bisherigen familienpolitischen Leistungen für Kinder und Jugendliche bündeln, sondern mit zusätzlichen Mitteln besonders armen junge Menschen eine umfassende gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen soll. Als ein wirklicher Neustart in der Kinder-, Jugend- und Familienförderung und -politik. Dieser Neustart ist ins Stottern geraten.
Kinder- und Jugendarmut bekämpfen – die Grundsicherung klug und zügig umsetzen
Die Grundsicherung gibt es nicht zum Nulltarif. Aber dass sich diese Investition lohnen würde, hat die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. nicht nur in ihrem Monitor „Jugendarmut in Deutschland 2022“ gezeigt. Jugendarmut verhindert Teilhabe, Jugendarmut grenzt aus, Jugendarmut stiehlt Chancen, Jugendarmut führt aufs Abstellgleis. Jede Unterstützung und Investitionen, die Teilhabe ermöglicht, Chancen schafft und Potentiale freilegt, die Barrieren abbaut und Wege frei macht, ist eine lohnenswerte Investition.
Investitionen in junge Menschen sind Investitionen in die soziale Gerechtigkeit
Auch Wirtschaftsexpert*innen wie Prof. Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung fordern eine nachhaltige Bekämpfung von Jugendarmut. Im Monitor hebt Fratzscher hervor, dass ein Euro, den Sie in eine 14-jährige investieren, deutlich besser investiert sei als dieser eine Euro, den Sie dann in diese gleiche Frau investieren, wenn sie 24 oder 34 ist. In der aktuell geführten Debatte um die Finanzierung jedoch bleiben die monetären Folgekosten eines Aufwachsens in Armut außen vor. Das kritisiert auch Prof. Dr. Karin Böllert, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ. Für Böllert ist die auskömmliche Finanzierung der Kindergrundsicherung eine Frage sozialer Gerechtigkeit – daran zeige sich, was einer Gesellschaft ihre Kinder wert seien, so Böllert in einer AGJ-Mitteilung. Weil sich die Koalitionspartner über die Frage der Finanzierung nicht einig werden, spricht die AGJ von einem „Stotterstart anstelle eines Neustarts“. Die AGJ-Vorsitzende äußerte nicht nur Besorgnis, sondern auch Ärger, dass der Regierungskoalition der politische Wille für den im Koalitionsvertrag angekündigten Neustart in der Familienförderung fehle. Die AGJ hatte Ende 2022 in einem Positionspapier Mindestanforderungen an die Kinder- und Jugendgrundsicherung formuliert, die immer noch aktueller Maßstab sind.
Quellen: BAG KJS; AGJ