Abschiebung und Einbürgerung werden parallel beraten

Der Bundestag startet die Beratungen über das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ und die „Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts“. Einmal sollen Abschiebungen schneller und gnadenloser erfolgen. Einmal sollen die Einbürgerung erleichtert und die Mehrstaatlichkeit erlaubt werden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. hat zu beiden Gesetzen eine Haltung, die sich unter anderem in der Position „Bedingungen für eine menschenwürdige und gerechte Flüchtlings- und Migrationspolitik“ spiegelt. Michael Scholl, Grundlagenreferent der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit, beschreibt und bewertet die Gesetzgebung.

Nicht länger willkommen!

Der beschönigende Titel „Rückführungsverbesserungsgesetz“ kaschiert, dass Abschiebungen verschärft und Menschenrechte eingeschränkt werden. Die Anordnung der Abschiebungshaft soll künftig unabhängig vom laufenden Asylantrag möglich sein. Als eigenständiger Haftgrund sollen Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote aufgenommen werden. Behörden sollen Beschwerde einlegen können, falls der Abschiebungshaftantrag abgelehnt wird. Angehoben werden soll die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams: von derzeit zehn auf 28 Tage. Das steht aus Sicht der Bundesregierung „im Einklang mit dem verfassungs- und europarechtlichen Rahmen“. Behörden sollen auch andere Räume als das Zimmer eines*einer abzuschiebenden Ausländer*in einer Gemeinschaftsunterkunft betreten können. Auf Kinder und Jugendliche wird dabei keine Rücksicht genommen. Widerspruch und Klage gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote sollen per Gesetz keine aufschiebende Wirkung mehr haben. Als seien das nicht genug Schikanen, werden per Gesetz Wohnsitzauflagen und räumliche Beschränkungen sofort vollziehbar sein. Die Fälle, in denen Staatsanwaltschaften bei Abschiebungen aus der Haft zu beteiligen sind, sollen reduziert werden. Das frühzeitige Auslesen von Mobiltelefonen zur Identitätsklärung einer Person soll möglich bleiben. Das klare Signal: You’re not welcome!

Willkommen!

In die andere Richtung zielt die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts. Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung den Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit erleichtern. Zugleich will sie einen Anreiz zur schnellen Integration schaffen. Bei Einbürgerungen wird künftig Mehrstaatigkeit zugelassen. Eine Einbürgerung soll in der Regel bereits nach einem Aufenthalt von fünf statt bisher acht Jahren möglich sein. Wer besondere Integrationsleistungen zeigt, kann schon nach drei Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.

Ein paar Einschränkungen macht die Bundesregierung: Der Lebensunterhalt muss für sich selbst und die unterhaltspflichtigen Angehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen der Sozialhilfe (SGB XII) oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) bestritten werden. Notwendig ist auch ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung. Das Gesetz definiert explizit, dass „antisemitisch, rassistisch oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen“ mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes unvereinbar sind und gegen dessen freiheitliche demokratische Grundordnung verstoßen. Auch die Missachtung der im Grundgesetz festgelegten Gleichberechtigung von Mann und Frau sind Gründe gegen eine Einbürgerung. Vor dem Hintergrund, dass Antisemitismus, Rassismus, menschenverachtende Handlungen und die Missachtung der Gleichberechtigung unter deutschen Staatsbürger*innen zunehmen, sind diese Einschränkungen mindestens interessant, wenn auch berechtigt.

Gegen Abschiebung und für Einbürgerung

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit kritisiert die Kriminalisierung von Menschen auf der Suche nach Asyl. Vor allem der Umgang mit Kindern und Jugendlichen ist falsch. Die Wahrung von Menschenrechten und Kindeswohl müssen Leitlinien der Politik sein – in Deutschland und in Europa. Es darf keine Haft oder haftähnliche Unterbringung von Kindern und Jugendlichen geben. Der Jugend-Check (https://www.jugend-check.de/) – ein etabliertes Instrument der Gesetzesfolgenabschätzung – kommt in einer Einschätzung zur Erkenntnis: „Zudem könnte es für geduldete Minderjährige über 12 Jahre traumatisierend und belastend sein, wenn sie ohne Ankündigung aus ihrem Alltag und sozialen Umfeld herausgerissen und abgeschoben werden und sich nicht verabschieden können. Die Wahl der Altersgrenze von 12 Jahren, bei der eine Information über eine anstehende Rückführung innerhalb von vier Wochen erfolgen muss, kann insgesamt als fehlende Beachtung des Minderjährigenschutzes im Sinne von Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention gedeutet werden.“

Mit dem Gesetz wird ohnehin unterstellt, dass eine „diffuse Masse“ Migrant*innen illegal in Deutschland lebt – sie werden zudem kriminalisiert. Zahlen für 2023 liefert die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Linke. Laut Ausländer-Zentralregister (AZR) waren zum Stichtag 30. Juni 2023 insgesamt 279.098 Personen ausreisepflichtig, davon 224.768 Personen mit einer Duldung und 54.330 Personen ohne Duldung (https://dserver.bundestag.de/btd/20/080/2008046.pdf). Die Frage nach der Prioritätensetzung im Bundesinnenministerium muss also durchaus erlaubt sein. Beim Thema Migration schwirren ohnehin fragwürdige Fakten durch die öffentlichen Debatten. Der Deutsche Caritasverband hat deswegen Fakten zusammengetragen, die das Thema einordnen. Ein wichtiges Zitat aus den Factsheets: „Wir brauchen Mäßigung, Versachlichung, Erklärungen und Weitsichtigkeit. Gerade jetzt brauchen wir Solidarität und gesellschaftlichen Zusammenhalt – der durch die aktuelle Tonalität und Polarisierung gefährdet wird.“

Statt Ablehnung und Ausgrenzung muss ein modernes Einwanderungsgesetz Solidarität, Offenheit und Teilhabe spiegeln. Dazu zählt unter anderem die Abschaffung der Optionspflicht und die Reduktion der Fristen für eine Einbürgerung, fordert die BAG KJS. Und weiter: Die Möglichkeit des Beibehaltens mehrerer Staatsangehörigkeiten (Mehrstaatlichkeit) sowie die Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen und die Möglichkeit der Verantwortungsübernahme in politischen Ämtern muss möglich werden!

Das Abschiebegesetz gehört abgeschoben. Ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht ist dagegen das richtige Zeichen in der gegenwärtigen Lage und ein guter Auftakt für politische Debatten in der Adventzeit.

Quellen: Bundestag, Deutscher Caritasverband, BAG KJS

 

Autor: Michael Scholl, Grundlagenreferent bei der BAG KJS, Büro Berlin

Ein Meinungsbeitrag ist eine persönliche Meinungsäußerung und muss nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

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