Mit der Ablösung von Hartz IV durch das Bürgergeld sind die Regelsätze für die Leistungsbezieher*innen angepasst worden. Alleinstehende erhalten seit dem 1. Januar 53 Euro mehr als im Jahr 2022. Das ist eine Erhöhung um fast 12 Prozent, die kann die Folgen der Inflation aber nicht auffangen. Denn laut des Statistischen Bundesamtes sind die Preise für Lebensmittel zwischen Februar 2022 und Februar 2023 um 21,8 Prozent gestiegen.
Tafel verzeichnen Rekordandrang
Was das für viele Menschen bedeutet, zeigt der Andrang bei den Tafeln. Zu ihren Ausgabestellen kommen zurzeit bundesweit 2 Millionen Kund*innen – unter ihnen auch Erwerbstätige. Seit ihrer Gründung vor 30 Jahren hat die Tafel noch nie einen solchen Zulauf erlebt. Der Vorsitzende des Tafel-Dachverbandes, Jochen Brühl, benannte in einem Interview die Auswirkungen für die Ehrenamtlichen und die Kund*innen. Einerseits befänden sich die Helfer*innen häufig am psychischen und physischen Limit. Andererseits haben 32 Prozent der Tafeln im vergangenen Jahr die Notbremse gezogen und keine neuen Kund*innen mehr aufgenommen, weil schlicht zu wenige Lebensmittel vorhanden waren. Brühl bekräftigte zudem die Kritik, die seitens der Tafeln immer wieder geäußert wird: Ursprünglich wurde sie gegründet, um Lebensmittel zu retten. Mittlerweile rettet sie aber mit ihren Spenden vermehrt Menschen am Existenzminimum. Dabei könnten die Tafeln nicht auffangen, was der Staat nicht schaffe. Denn, davon ist Brühl überzeugt, es sei „genug da, nur nicht gerecht verteilt.“
Alltägliche Ausgaben ohne Ersparnisse nicht mehr zu stemmen
Die Auswirkungen der Inflation zeigen sich auch in den Ergebnissen einer aktuellen repräsentativen Umfrage der Postbank. So greift jede*r dritte Deutsche auf seine Ersparnisse zurück, um die Lebenshaltungskosten zu tragen. Jede*r Sechste gibt sogar an, die täglichen Ausgaben kaum noch decken zu können. Wie schwierig es speziell für junge Leute ohne Rücklagen ist, sich unter diesen Umständen eine Existenz aufzubauen, hat die BAG KJS bereits im vergangenen Jahr im Monitor Jugendarmut thematisiert.
Erhöhung des Bürgergelds ist laut Verbände dringend geboten
Die Inflation macht, wie diese Zahlen zeigen, nicht nur Erwerbslosen zu schaffen. Besonders Menschen mit geringem Einkommen haben mit den steigenden Preisen zu kämpfen. Um die finanziellen Belastungen zumindest für Bezieher*innen des Bürgergelds etwas abzumildern, fordern u. a. Caritas Deutschland, die Gewerkschaft Verdi sowie die Sozialverbände VdK, SoVD und der Paritätische eine deutliche Erhöhung der Leistung.
Preisbremse für Lebensmittel als Entlastung für alle?
Ein Blick nach Frankreich zeigt, wie alle Verbraucher*innen entlastet werden könnten: Dort wurden die Preise für einige Hundert Produkte bis Juni eingefroren. Darüber hinaus werden Geringverdiener*innen durch Lebensmittelschecks unterstützt. Die Gas- und Strompreisbremsen und der Tankrabatt haben bewiesen, dass solche Schritte auch in Deutschland möglich sind. Bei Lebensmitteln hat es jedoch bisher keinen ernsthaften politischen Versuch gegeben, die Preissteigerungen zu begrenzen.
Quellen: Die Tafel, Tagesschau/dpa, Postbank, Caritas, BAG KJS